Zürichs kleinste Beiz, erneuert

«Weisse Rose» reloaded: Die winzige historische Weinstube an der Torgasse im Oberdorf hat einen neuen Chef: den eigenwilligen Stefan Wieser, der vor einem Jahr sein «Freieck» im Seefeld aufgab und eigentlich Altenpfleger werden wollte.

Er wollte nicht mehr länger Koch sein. Vor einem Jahr gab er «Stefs Freieck» auf und hatte vor, nach einem Sabbatical beim Roten Kreuz Altenpflege zu lernen. Dass er nun in die «Weisse Rose» eingestiegen ist, nach der mit Volkskunst geschmückten Aera Jan Aerts/Juan Cardozo, ist fürs Oberdorf ein Glücksfall. Denn eigentlich bleibt in der vermutlich kleinsten Gaststätte Zürichs alles wie es war. Keine Schickimicki-Bar, ein angenehmes Lokal, in – und den Sommer über vor dem – man etwas trinken kann. Und etwas Kleines schnabulieren.

Hohe Qualität
Der Ansturm nach der Wiedereröffnung spiegelte die hohen Erwartungen der Stammgäste an Stil und Freundlichkeit. Zeitweise war der Andrang so gross, dass die Vorräte ausgingen und das winzige Team (der Chef, seine Geschäftspartnerin Nasti Schmid und der im Oberdorf wohlbekannte, immer gut gelaunte Service-Profi Peter Schäpper, ex «Rössli») an den Anschlag kam. Stefan Wieser will sich vor allem als Gastgeber einbringen. Wie schon sein Vorgänger konzentriert er sich beim flüssigen und beim festen Angebot auf originelle Marken von hoher Qualität. Ältere Stammgäste, von denen es übrigens sehr viele gibt, schätzen das. Nur der Schwartenmagen aus dem Muotatal wird vermisst.
Die winzige Gaststube (maximal 28 Plätze) wirkt hell und aufgeräumt. Gern nimmt man auch draussen, auf der autofreien Torgasse, Platz, vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Als im April schnelle, launige Regengüsse eintraten und die Gäste ins Innere flohen, kamen sie einander sehr nah. Aber niemand hat sich aufgeregt: Lokale wie die «Weisse Rose» sind Zeugen einer anderen Zeit und werden geschätzt!

Spezialitäten
Die «Weisse Rose» ist eigentlich eine Weinstube, kein Esslokal. Dennoch gibt es Spezialitäten zu vernünftigen Preisen, die nachhaltig produziert und in der winzigen Küche schnell aufbereitet sind. Wo erhält man noch einen Mittagsteller für 20 Franken: Dienstagwurst von der Metzgerei Angst, warmer Beinschinken vom Landschwein (Mittwoch), Ofenfleischkäse vom Schrofenhof (Donnerstag/Freitag)? Ausserdem gibt es Spezialitäten, die man kaum mehr anderswo findet, etwa den Kalbskopf mit Gemüsevinaigrette (Fr. 25.–). Und das Tatar vom Zürcher Weiderind (120 g, mit Hausbrot und Butter, Fr. 25.–) haben wir bei unserem Testbesuch schlicht sensationell gefunden. Gern bestellt werden auch die Hopfewurscht vom Hopfentropfen aus Unterstammheim mit Kartoffelsalat (Fr. 25.) und die Riesbacher Hacktätschli (Fr. 28.–) sowieso. Und dass es hier, gleich um die Ecke bei der «Kronenhalle», Gschwellti mit verschiedenen Käse und Zigercrème gibt, ist so altmodisch, dass es schon lange wieder modern ist.

Schlankes Angebot
Die Weisse Rose überrascht auch mit einer sehr beachtlichen Weinkarte, vorwiegend mit Klassikern bestückt, zum Beispiel Maienfelder Schloss Salenegg (Fr. 72.–) oder Ripasso Valpolicella Classico DOC Superiore 2015 (Fr. 65.–). Die offenen Weine (Stadtzürcher Riesling Sylvaner, Grüner Veltliner), kosten, dem Mietpreisniveau an dieser Lage angepasst, Fr. 7.50 pro Dezi. Als offenen Roten gibt es Rhoneblut Pinot Noir (Fr. 8.50 pro Dezi), La Difese (Sangiovese, Fr. 9.–) und Valduero Crianza (Fr. 11.–). Das Angebot ist wie das Lokal: schlank, originell und sympathisch.
Zum Schluss doch noch ein bisschen Historie: Die berühmteste Serviertochter der «Weissen Rose» war im Jahre 1908 die damals noch nicht legendäre Hulda Zumsteg, die spätere «Kronenhalle»-Wirtin. Das ist sehr lange her.

Esther Scheidegger

 

Weinstube «Weisse Rose», Torgasse 9, 8001 Zürich. Tel. 044 251 45 71, www.weinstube-weisserose.ch. Geöffnet Dienstag bis Samstag 11 bis 23 Uhr.