In der Manufaktur von Storchen Optik

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Das Optikergeschäft an der Storchengasse gibt es seit 1986 und die eigene Manufaktur, der Produktionsbetrieb «Specslab» ennet der Limmat seit, zwei Jahren. Der Slogan «Wir bauen Brillen. Mit Liebe und Leidenschaft» passt!

Die Werkstatt befindet sich im Innenhof der Münstergasse 18. Die beiden Brüder Marco und Rico Rihm begrüssen die fünfzehn Besucher. Marco Rihm, Optiker und Geschäftsführer des Familienunternehmens, beginnt gleich mit der Einführung.
Bis vor zwei Jahren wurden die Einzelanfertigungen und Kleinserien in Deutschland und Italien angefertigt. Nachdem nicht jeder Wunsch berücksichtigt wurde, Zeichnungen von Prototypen leicht abgeändert wurden und die genaue Kommunikation immer schwieriger erschien, beschloss Storchen Optik eine eigene Produktion in Zürich zu gründen und fand die Lokalität in der Altstadt. Bruder Rico Rihm, gelernter Polymechaniker, übernahm die Produktion, die er heute leitet. Brillenbauer kann in der Schweiz nicht gelernt werden. Ein kurzer Lernprozess der Basics bei einem italienischen Partner musste genügen. – So begann die Eigenproduktion mit learning by doing.

Material
Hergestellt werden die Brillengestelle aus Naturhorn, Acetat und Laminaten. Das Horn stammt von Wasserbüffeln aus dem asiatischen Raum und ist eigentlich ein Abfallprodukt. Je nach Region haben die Hörner verschiedene Farben. Für weisses Horn wird das Horn der afrikanischen Watussi- und Ankole-Rinder aus Uganda benützt. Diese Hörner sind sehr dünn und werden vor der Verarbeitung zu Laminaten verklebt. Der Familienbetrieb unterstützt ein afrikanisches Dorf, in dem die Hornplatten angefertigt werden. Alles Naturhorn wird in Platten geliefert.

Der Bau
Zuerst wird die Platte – ob aus Horn oder Kunststoff – auf die gewünschte Dicke abgeschliffen, bis alle Risse und Unebenheiten abgefräst sind. Anhand der genauen Angaben, Messungen und Zeichnung des Optikers wird ein CAD-Programm für die CNC-Fräsmaschine generiert. Rico Rihm lacht und sagt, dass er dafür in den Anfängen bis zu acht Stunden benötigte und dies heute in anderthalb Stunden schaffe. Die Platte wird nun in die Maschine eingespannt. Wie ein Ballett tanzen die Bohrer über die Platte und fräsen die Konturen und die Nut (Rille für die Gläser) wie vorgegeben und gewünscht ab und ein. Das ist ein kurzer Prozess, der aber die ganze Aufmerksamkeit von Rico Rihm erfordert und bald ist die rohe Fassung hergestellt. Von Hand wird die Brillenfassung mit einer scharfen Klinge bearbeitet, um die kleinsten Unregelmässigkeiten auszumerzen. Dann folgt das manuelle Schleifen mit Schmirgelpapier und Schmirgelschwamm. Das braucht viel Gefühl und Genauigkeit, denn der kleinste Makel wird später bei der Politur sichtbar. Genauigkeit ist im ganzen Prozess sowieso gefragt, denn mit Horn wird ein teures Material verarbeitet. Die Bügel werden ebenfalls mit der CNC-Fräsmaschine ausgeschnitten. Horn ist sehr stabil und braucht keine Verstärkung, der Acetatbügel dagegen bekommt zur Verbesserung der Stabilität eine Metallverstrebung, die in den erwärmten Kunststoff eingeschoben wird.

Das Finishing
Im Untergeschoss steht der Tumbler. Zwei Trommeln, gefüllt mit Holzhäcksel und etwas Polierpaste. Da kommen die Fassungen rein und werden ca. 48 Stunden mit den Holzstücken gedreht, damit alle Kanten und Rundungen nochmals aufs Feinste behandelt werden. Anschliessend erfolgt die Politur – matt oder Hochglanz –  und hier zeigt sich nun, ob bei der manuellen Schleifarbeit genügend Sorgfalt gewährt wurde. Jetzt erst, während der Politur, kommt für den Laien die Struktur und genaue Farbe zutage. Auch diese Tätigkeit erfordert viel Gefühl und Können. Zuletzt werden Bügel und Fassung zusammengeschraubt und dann die Gläser eingefügt. Der letzte Schritt ist die Gravur mit allen Angaben und Massen, die in Zahlen codiert sind und das Label, die mit Laser in den Bügel eingraviert werden. Fertig ist die Einzelanfertigung oder der Prototyp.

Handel, Design und Philosophie
Die Hauptabnehmer und Auftraggeber sind die eigenen Läden Storchen Optik und «Sunglass & Accessory». Es gibt aber auch Bestellungen von grossen Labels. Junge Designer mit eigenen Labels, die dann eine kleine Serie bestellen, gehören auch zur Kundschaft. Auf Modetrends kann die Manufaktur dank schneller Verarbeitung mühelos eingehen, dauert doch die Herstellung eines Prototyps nur ein bis zwei Tage (ohne Tumbler). Für eine kleine bis mittlere Serie braucht es dann etwa eine Woche. Wichtig ist der direkte Kontakt zu den Kunden. Technische Knackpunkte können mühelos und direkt besprochen werden. – Einzelanfertigungen oder Repliken von bestehenden Brillen macht «Specslab» natürlich auch, vor allem für die eigenen Geschäfte. Ein Einzelstück in Acetat kommt auf etwa Fr. 700.–, Horn kostet ungefähr Fr. 1000.– mehr.
Die eigene Philosophie ist den Brüdern Rihm wichtig. Sie wollen, dass die Brille so gestaltet wird, dass die individuellen Gesichtszüge perfektioniert werden durch eine ideale Form. Das motiviert die beiden in ihrem ganzen Elan und der Freude an Material und Arbeit. Das handwerkliche Können und das Gefühl für Form und Detail ist bei der Bearbeitung der edlen Materialien, vor allem von Naturhorn, extrem wichtig. Die Geschicklichkeit gewährleistet absolute Präzision. So entsteht das «Piece of his own»!
Beim anschliessenden Apéro haben alle Besucher und Besucherinnen die Gelegenheit, diverse Prototypen zu bestaunen und genauer anzusehen oder über die eigene neue Brille nachzudenken…

Christine Schmuki