Seidenglanz

Die Ausstellung in der Schatzkammer der Zentralbibliothek gibt Einblick in die lange Geschichte des Zürcher Seidengewerbes. Der Seidenhandel und später die Seidenindustrie gehörten bis vor wenigen Jahrzehnten zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen, denen Stadt und Kanton weltweite Handelsbeziehungen und wesentliche Teile ihres Wohlstands verdanken.

Wer aufgrund des Ausstellungstitels eine opulente Schau luxuriöser Objekte aus den edlen und kostbaren Stoffen erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein.
Präsentiert wird vielmehr, wie rasch dieses ursprünglich lokal verwurzelte Gewerbe sich von Zürich aus zuerst in Europa, dann darüber hinaus bis nach China und Japan ausgeweitet hat. Diese rasante Entwicklung wird vor allem anhand von Schrift- und Bildquellen dargestellt: Geschäftskorrespondenzen, Statistiken, Tabellen zu Preisen und Qualitätsklassifikationen ausländischer Seidenstoffe, ergänzt mit Abbildungen und Fotos von in- und ausländischen Fabriken und deren Belegschaften. Erfolg und Niedergang der fernöstlichen Niederlassungen zürcherischer Firmen etwa in Shanghai oder Yokohama belegen deren expansive Geschäftstätigkeit. Die Risiken, denen sie dabei ausgesetzt waren, illustriert das verheerende Erdbeben in Yokohama von 1923, das die dortige Seidenfabrik der Firma Sulzer, Rudolph & Co. dem Erdboden gleich machte.
Die technischen Errungenschaften des Jacquard-Webstuhls und neuer Farbrezepturen werden ebenso gezeigt wie einige Massnahmen zu Absatz und Vermarktung der Luxusprodukte aus früheren Zeiten, Zeitschriftenwerbungen und Präsentationen an Welt- und Landesausstellungen.

Wenige Farbtupfer
Die wenigen Farbtupfer unter den Exponaten bilden Muster- und Inspirationenbücher aus dem Archiv der Thalwiler Firma Robert Schwarzenbach und eine kleine Auswahl an Krawatten von «fabric frontline». Belebt wird die Schau schliesslich mit Ausschnitten aus Werbefilmen und Modeschauen der Firma Seiden Grieder aus den Jahren 1910-1953.

Fragen tun sich auf
Ein schneller Rundgang durch die Ausstellung vermittelt zunächst eine beeindruckende Vielfalt von Informationen vor allem über die internationalen Verflechtungen der Zürcher Seide und die einstige überragende Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs. Bei genauerer Betrachtung der dargestellten Themen tun sich da und dort Fragen auf: Die in den Vitrinen je unter einem Schlagwort zusammengeführten Objekte stammen oft aus den verschiedensten Zeiten und scheinen teilweise etwas willkürlich kombiniert zu sein, so dass sich deren innerer Zusammenhang auf den ersten Blick nicht einfach erschliesst.
Viele der an sich informativen Dokumente sind zudem nicht selbsterklärend, und die kargen Objektbeschreibungen sind nicht immer hilfreich.  Das wuchtige Hauptbuch der Gebrüder Werdmüller aus den Jahren 1598-1608 etwa hätte, entsprechend seiner einmaligen Bedeutung als ältestes Geschäftsbuch eines Zürcher Handelshauses mit doppelter Buchführung, durchaus eine etwas ausführlichere Beschreibung verdient.
Texttafeln mit ausführlichen Hintergrundinformationen enthalten zwar wertvolle Angaben zu den Objektgruppen, sind aber räumlich oft so weit von den jeweiligen Vitrinen entfernt, dass man sie leicht übersieht.

Öffentliche Führungen
Etwas allein gelassen, muss sich so der Besucher zusammensuchen, was ihn interessiert, und das ist schlussendlich nicht wenig. Am meisten wird man deshalb von den öffentlichen Führungen profitieren, die an den Samstagen vom 15. September und 13. Oktober jeweils um 14 Uhr stattfinden.

Matthias Senn


Ausstellung «Seidenglanz – 400 Jahre Seide in Zürich», bis 27. Oktober. Weitere Angaben unter www.zb.uzh.ch/ausstellungen/mam/seidenglanz.