In der «Oeli» gibts kein Bier

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In der «Oepfelchammer» lagerten einst die Nonnen des Verenaklosters ihr Obst. Später, im 17. Jahrhundert, kam eine Bäckerei dazu, die 200 Jahre in Betrieb war und bekannt für ihre «Böllewähe». 1801 wurde die «Oepfelchammer» im Haus zum Judenhut am Rindermarkt 12 zur Weinstube, heute Zürichs ältester, mit ihrer berühmten Balkenprobe.

Die Balkenprobe geht so: Beim ersten Balken zieht oder schwingt man sich hinauf. Kopfvoran klettert man vom Fenster her über die beiden Balken. Kopfüber muss man ein Glas Weisswein (es wird vom Lokal spendiert) in einem Zug leeren, ohne einen Tropfen zu verschütten. Wer die Balkenprobe geschafft hat, darf seinen Namen ins Holz ritzen.
Ob unser Zürcher Nationaldichter Gottfried Keller (1819-1890) in der «Oepfelchammer» tatsächlich Stammgast war, wollen wir weder diskutieren noch bestreiten. Dass er die Balkenprobe körperlich geschafft hätte, ist zu bezweifeln. Dennoch ist er in der «Oepfelchammer» allgegenwärtig.
Seit Februar 2019 wirtet im ehemaligen Familienbetrieb Himstedt-Baur, denen die Liegenschaft weiterhin gehört, ein neues Pächtertrio: Thomas Trautweiler, Chris Gretener und Benedicht Stuber. Alle drei sind leidenschaftliche Zünfter. Als Gastgeber engagiert sich frohgemut der Weinfachmann Thomas Trautweiler. Er druckt auch die Menükarten, in cool computerisierter Unifraktur, die in antiquarischen Gottfried-Keller-Insel-Bändchen gereicht werden. Küchenchef ist Tristan Kerber.

Traditionelle Gerichte
Es gibt natürlich das immerwährend klassische Züri-Gschnätzlete mit Rösti, ohne Nierli (Fr. 44.–) oder mit (Fr. 46.–), und das Tatar vom Rind mit Baguette, konfiertem Eigelb und Schalotten-Crème-fraîche (Fr. 21.–). Alte Schule ist auch das Markbein mit Brösmeli und Röstzwiebeln (Fr. 14.–). Saisonal präsentiert wird die Hirschkeule auf Rotkohl und Preiselbeeren, mit Herbsttrompeten und Kartoffelplätzchen (Fr. 45.–). Oder lassen Sie sich Kellers 1519-Reformationswurst schmecken, mit Federkohl und Kartoffeln (Fr. 17.–). Die traditionsreiche Metzgerei in Wiedikon (www.metzgerei-keller.ch; www.farmy.ch) würde Nachschub sogar nach Hause liefern! Zum Dessert: Höngger Öpfelringli mit Vanilleglace (Fr. 16.–), lecker!

Zürcher, Walliser und andere
Drei Mittagsmenus werden in der «Oeli» und natürlich auch im Restaurant mit dem knarrenden Parkett angeboten, zu – für Zürcher Verhältnisse – anständigen Preisen: Beispielsweise Kalbsleberli mit Kartoffelstock (Fr. 26.50) oder, vegetarisch, Nüdeli mit Waldpilzen, Schnittlauch und Spinat (Fr. 22.50) oder Cordon bleu mit Züri-frites und Rüebli (Fr. 27.–). Dazu ein Einerli vom Stadt Zürich Räuschling von Landolt (Fr. 8.–, eine Flasche Fr. 56,–), oder ein Aargauer Pinot Noir vom berühmten Weingut Adrian & Diego Mathier (Fr. 8.50). Die «Oepfelchammer» bietet eine exzellente Weinkarte, dafür sorgt Thomas Trautweiler super engagiert.

Legendär
PS: In der «Oeli», diesem «Ort der Geselligkeit, des frohen Zechens und des Gesangs» gibt es übrigens kein Bier, auch nicht für den Stammtisch. Das süffige Hardwald Urban Ale figuriert trotzdem auf der Karte und darf nebenan im Restaurant gebechert werden. So will es die Tradition des Hauses. Ab 18 Uhr nur noch Wein, Portwein oder Wasser! Das Einritzen oder Beschädigen der Tische, Bänke etc. ist übrigens mit Ausnahme der (erfolgreichen) Balkenprobe nicht gestattet und hat Hausverbot zur Folge. Verboten ist in der «Oeli» auch Schmusen. Tradition hat auch, dass Männer diskriminiert werden: Bei der Balkenprobe müssen sie vom Boden aus starten, Frauen dagegen dürfen von der Bank aus.

Esther Scheidegger


Restaurant «Oepfelchammer», Rindermarkt 12, 8001 Zürich, Tel. 044 251 23 36, www.oepfelchammer.ch. Sonntag und Montag geschlossen, Dienstag bis Freitag 11.30 bis 14 und ab 17 Uhr, Samstag ab 17 («Oeli») und ab 18 Uhr (Restaurant).