Leben in der Coronazeit

Bild zum Artikel

Acht Wochen hat der vom Bundesrat verhängte Lockdown angedauert. Zu Hause zu bleiben lautete das Erfordernis der Zeit. Doch statt in Trübsal zu versinken, sind viele aktiv geworden und haben Initiativen entwickelt. – Lichtblicke in schwieriger Zeit.

Die Ungewissheit war gross, als am 16. März 2020 der Lockdown verhängt wurde. Läden und Restaurants, Kulturinstitute blieben für die kommende Zeit geschlossen. Wer konnte, arbeitete im Homeoffice. Und weil auch die Schulen geschlossen wurden, waren sich Familien mit einem Mal ungewohnt nah, Tag und Nacht in den eigenen vier Wänden. Andere dagegen blieben allein. – Es galt die Angst um die eigene Gesundheit, aber auch wirtschaftliche Existenzängste auszuhalten.

Erfinderisch und aktiv
Doch irgendwie geht das Leben weiter, das Quartierleben, und manche ergriffen die Initiative, das eigene und das Leben anderer erträglicher zu machen.
So lancierten grosse Kulturinstitute wie das Opernhaus oder das Schauspielhaus, aber auch das Theater Neumarkt ein attraktives Programm, das ohne physische Präsenz funktionierte. Da konnte man sich einloggen und das Angebot bequem zu Hause am Bildschirm verfolgen.
Das Theater Stok, das sein fünfzigjähriges Bestehen feiern kann, meldete sich mit Lesungen des Leiters Peter Doppelfeld.
Der in der Altstadt lebende Peter Brunner vom Verein «Alles in Allem» organisierte Lesungen mit Profischauspielerinnen und -schauspielern, die über Youtube abzurufen sind (unter «8nach8»).
Das Minitheater Hannibal, also die Quartierbewohner Andrea Fischer Schulthess und ihr Mann Adrian Schulthess, erzählten Tag für Tag in 34 (!) Folgen virtuos die Geschichte von Jim Knopf, «vo dihei für dihei» (abrufbar auf Youtube).
Der Pianist Michael Kleiser bot ein kommentiertes Mozart-Konzert. Als Leiter des Altstadtchors führte er die wöchentlichen Chorproben unbeirrt durch: Die Mitglieder sangen die Stücke bei sich zu Hause nach den über den Bildschirm laufenden Noten. Nur sie (und ihre Nachbarn?) wissen, wie es geklungen hat.
Derweil verschickte das Altstadthaus zweimal Video-Bastelanleitungen an die normalerweise das Mittwochnachmittagsprogramm nutzenden Kinder, die das zugehörige Bastelmaterial abholen konnten.
Jojo Kunz, ihr Partner Herbert Kramis (Kontrabass) und ihr Hausnachbar Omri Ziegele (Flöte/Sax) gaben alle paar Tage ein kleines Platzkonzert am Neumarkt. Ihr Publikum stellte sich in gebührendem Abstand auf; nach dem Konzert erhielten die Profimusiker zum Dank etwa ein Bier oder ein Glacé offeriert.

Aufeinander angewiesen
Auf den Dächern und in den Höfen trafen sich Nachbarinnen und Nachbarn zum Austausch – der unglaublich sonnige und warme Monat April war in dieser Hinsicht ein Geschenk des Himmels. Zum «Dorfplatz» gemausert hat sich die Stüssihofstatt: Immer zur Apérozeit versammelten sich hier einige Altstadtbewohnerinnen und -bewohner und sobald jemand sich näherte, wurde versichert: «Wir haben die zwei Meter Abstand, sieh bloss!» Wer sich an die Vorgabe hielt, möglichst zu Hause zu bleiben, konnte hier für eine Weile sozial «auftanken». – Das Quartierleben, das Soziale, das fehlt vielen Menschen doch erheblich. Dass man sich nicht wie gewohnt unbekümmert begegnen kann, fällt den meisten nicht leicht.
Eines Morgens, es war der 15. April, hing an Neumarkt, Rindermarkt, Spiegelgasse, Froschaugasse, Brunngasse, Predigerplatz und Predigergasse an jeder Haustüre eine farbige Etikette. Auf dieser stand in schöner Handschrift geschrieben: «Liebe Nachbarn, haltet durch und bleibt gesund.» – Eine absolut zauberhafte und entzückende Aktion!

Elmar Melliger