«Es war eine spannende, intensive Zeit»

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Die Pfarrerin der Predigerkirche, Renate von Ballmoos, verlässt die Predigerkirche. Nach fünfzehn Jahren sieht sie den Zeitpunkt für einen Wechsel gekommen. Der Altstadt Kurier hat sie zum Gespräch getroffen.

Sie verlassen Ende Juni 2020 nach fünfzehn Jahren als Pfarrerin die Predigerkirche. Was geht Ihnen durch den Kopf, wie fühlen Sie sich dabei?
Renate von Ballmoos: Es war eine schöne, spannende, intensive Zeit, und ich bin sehr gern da gewesen, habe viel prägen und aufbauen können. Nun ist es gut für mich und für die Gemeinde, wenn es einen Wechsel gibt, frischen Wind. Es ist mir nicht verleidet, aber gerade bei durch Einzelpersonen geprägten Ämtern braucht es auch mal einen Wechsel.

Ihrem Vorgänger Peter Wittwer war die Predigerkirche als offene Kirche ein grosses Anliegen, die Ökumene und der interreligiöse Dialog. Wie hat sich das bei Ihnen weiterentwickelt?
Nach wie vor ist die Predigerkirche eine offene Kirche und wir pflegen die Ökumene. Es ist ja ein katholischer Seelsorger, Thomas Münch, hier tätig. Übrigens wie ich mit einem Achtzig-Prozent-Pensum, wobei seine Anstellung durch Katholisch Stadt Zürich getragen wird. Der interreligiöse Dialog wird ebenfalls gepflegt, nach wie vor hat das Forum der Religionen sein Büro im Pfarrhaus. Aber dieses Thema war schon sehr an die Person von Peter Wittwer gebunden.

Sie haben ein starkes Interesse an neuen Formen der Spiritualität. Wie kann man sich das vorstellen, wie haben Sie das umgesetzt?
Es geht mir unter anderem um ekstatische spirituelle Methoden, denen ich in den Abendveranstaltungen mit dem Titel «Reisen durch Zeit und Raum» nachgegangen bin. Daneben haben die Jahreskreisrituale einen immer grösseren Kreis Interessierter angezogen. Es gab jährlich vier Sonnen- und vier Mondfeste sowie Trommelnächte. Das alles war neu und ist aufgefallen, hat Wellen geworfen weniger in der Predigergemeinde als darüber hinaus.

Diese spezielle Spiritualität ist Ihnen sehr wichtig?
Neben der Ökumene steht die Predigerkirche für eine offene, experimentelle Spiritualität. Es geht darum, nach neuen Wegen, Sprachmöglichkeiten zu suchen, auch etwa mit den unspektakulären Morgenmeditationen. Darum, die eigene Spiritualität auszubilden und zu pflegen.

Wie setzt sich eigentlich das Publikum der Predigerkirche zusammen, wie viele Personen besuchen die Sonntagsgottesdienste?
Etwa neun von zehn Personen kommen von ausserhalb der Predigergemeinde, aus Stadt und Kanton Zürich. Das ist in allen Altstadtkirchen so. Die normalen Gottesdienste werden jeweils von sechzig bis achtzig Personen besucht.

Was gehörte eigentlich zu Ihren Aufgaben?
Da sind die Gottesdienste, die Betreuung des Alterszentrums Bürgerasyl-Pfrundhaus, die Seelsorge, Erwachsenenbildungsangebote. Auch war ich während dreizehn Jahren Präsidentin der Zürcher Stadtmission mit Café Yucca und Isla Victora.

Vor Jahren, noch vor Ihrer Zeit, wurde das Kirchgemeindehaus am Hirschengraben 50 der Landeskirche des Kantons Zürich im Baurecht abgegeben und die Predigerkirche rückte ins Zentrum des Gemeindelebens. Wie geht das vonstatten?
Nun, die Kirche ist täglich geöffnet, dank einem Freiwilligendienst. Es gibt eine Meditations- und eine Leseecke. Seit dem Einbau einer Küche im Untergeschoss haben wir immer wieder Veranstaltungen mit kulinarischen Aspekten durchgeführt. Wir haben die Möglichkeit, Gastgruppen zu bekochen und im Kirchenschiff den Tisch zu decken. So gibt es beispielsweise drei bis vier Mal jährlich nach dem Gottesdienst den nach Zwingli so genannten «Mushafen», eine einfache Mahlzeit, wobei das nicht Mus sein muss, es kann auch mal ein Risotto sein. Ebenso werden hier Versammlungen abgehalten, für die es im Turmzimmer zu wenig Platz gibt.

Was war für Sie schwierig, in Ihrer Zeit an der Predigerkirche?
Zuletzt war das natürlich die Coronazeit. Ich lebe von persönlichen Begegnungen, von der Atmosphäre. Das Abschiednehmen von Gruppen war erschwert, was sehr schade ist. – Dann der Tod von Pater Franz Müller OP nach sieben Jahren an der Predigerkirche. Er war sehr engagiert und beliebt. – Bald nach Beginn meiner Zeit war da noch die dreiwöchige Besetzung der Kirche durch Sans-Papiers. Das war nicht einfach.

Und die turbulente Zeit 2017, in der die ganze Kirchenpflege zurückgetreten ist und ein Sachwalter eingesetzt wurde?
Diese Turbulenzen waren sehr belastend. Aber das gehört dazu, dass nicht immer alles glatt läuft, über so viele Jahre.

Ein Jahr danach wurde der Kirchenkreis eins Altstadt gebildet und wurden die Kirchgemeinden der Stadt Zürich in eine einzige grosse Kirchgemeinde zusammengefügt. Wie war das für Sie, was hat sich verändert?
Die Zusammenarbeit in der Altstadt wurde intensiviert. Lösungen müssen für alle passen. Es gibt ein gutes Miteinander. Ich habe mich in den letzten Jahren bei der Erarbeitung der neuen Strukturen für die Kirchgemeinde Zürich als eine von vier Pfarrpersonen der Stadt engagiert, wir standen beratend zur Seite. – Manches muss sich noch einspielen, es ist aber auf gutem Weg und die neuen Strukturen machen Sinn.

Was war für Sie besonders erfreulich in Ihrer Zeit als Pfarrerin an der Predigerkirche?
Das waren die Schwerpunkte Liturgie und Gottesdienste, die Freitagabend-Vesper, die Zusammenarbeit mit den Musikerinnen und Musikern. Sodann die Reisen nach Irland, auf denen wir dem irisch-keltischen Christentum nachgegangen sind. Mit dem Team der Predigerkirche gab es eine schöne Zusammenarbeit. Und dass die Kirche sieben Tage offen ist, hat mich gefreut: Mit Mittagsgebet und Seelsorge war immer etwas los. Ebenso waren die Vortragsreihen intensiv und bereichernd.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Zunächst geht es zurück nach Bern. Eigentlich wollte ich mit meinem Mann im Sommer eine Reise durch Europa unternehmen, was nun wegen Corona nicht so einfach sein dürfte. Im Spätherbst beginne ich mit der Stellensuche, eventuell werde ich freischaffend tätig sein, das ist noch offen. Ich freue mich, wieder mehr Zeit zu haben für meine Freundschaften in Bern wie auch in Zürich.

Interview: Elmar Melliger


(Am Sonntag, 28. Juni, 11 Uhr, findet der Abschiedsgottesdienst statt. Am Sonntag, 6. September, 17 Uhr, ist dann ein festlicher Abschiedsgottesdienst mit dem Chor Inscriptum und anschliessendem Apéro geplant.)

Zur Person
Renate von Ballmoos, geb. 1962, studierte Philosophie und Germanistik, danach Theologie in Bern.
In der dortigen Heiliggeistkirche war sie dreizehn Jahre Pfarrerin, sodann zweieinhalb Jahre freischaffend. 2006 kam sie als Pfarrerin an die Predigerkirche.

EM