Neuer Wein in alten Schläuchen

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Unser Kulinarier ist im Restaurant «Hôtel Bourbon» am Napfplatz eingekehrt, wo bisher das Restaurant «Turm» war. Das Lokal tritt nach einem aufwendigen Umbau völlig neu in Erscheinung.

Neuer Wein in alten Schläuchen: Ein passendes Sprichwort. Der Zunft zur Letzi gehört das Gebäude zwar erst seit 1970/71. Das Haus selbst hat aber eine um einiges längere Geschichte. Erstmals urkundlich erwähnt wurde es im Jahre des Herrn 1357. Existiert hat es aber wohl vorher schon als Wohnhaus.

Zur Geschichte
Bereits 1896 entstand dort anlässlich eines Umbaus das erste Restaurant, genannt «zum blauen Himmel». 1946 übernahm ein neuer Besitzer und benannte es – in Anlehnung an den benachbarten Brunnenturm – um in «Haus zum Turm». 1970/71 erfolgte dann der Verkauf an die Zunft zur Letzi. Es vergingen aber noch fast 15 Jahre, bis 1985, am 1. April, das Zunfthaus endlich offiziell eröffnet und das erste Sechseläuten der Zunft im «Turm» gefeiert werden konnte. Und wer war der erste Wirt im «Turm»?
Der im Niederdorf (und wohl darüber hinaus) allseits bekannte Tony Navarro. Tony Navarro führte das Lokal bis in die Gegenwart. 2015 konnte das 30-Jahr-Jubiläum gefeiert werden.

Eine Trouvaille
Ehe wir zum heutigen Restaurant, zum «Hôtel Bourbon», kommen, noch einige Bemerkungen. Das Haus atmet Geschichte. Diese findet sich nicht nur im Restaurant in Form der Rückwand der Bar, der älteste Teil des Hauses (ca. 6.5 mal 12 Meter, Mauerstärken 80 bis 100 Zentimeter), der im 12./13. Jahrhundert erstellt wurde. Neben den Grundmauern ist auch ein romanisches Portal (ehemaliger Zugang von aussen, heute Rückwand der Bar) bis dato erhalten. Hans Heinrich Lochmann (1511-1576), Textilindustrieller und Finanzagent des Königs von Frankreich, liess das 2. Obergeschoss zum grosszügigen «Piano nobile» umbauen. Der Grundriss wurde entrümpelt, die Geschosshöhe erweitert und die Fassaden repräsentativ gestaltet.
Der heutige Lochmannsaal mit bedeutenden Wandmalereien (1545, Spätrenaissance) als Teil des ehemaligen Zinnfigurenmuseums, heute Zunftstadt Zürich (öffentlich zugänglich) und das Ofenzimmer wurden realisiert. – Wenn Sie einen Blick in diese Räumlichkeiten werfen möchten und mehr über Zürich und seine Zünfte erfahren wollen, lohnt sich die Ausstellung der Zunftstadt Zürich (www.zunftstadt.ch) unbedingt.

Gelungener Umbau
Das neue Konzept ist einfach zu erklären. Internationale Küche, mit einem Touch Frankreich und Amerika, in einem interkulturellen Umfeld.
Die Karte ist klein und spiegelt das Konzept wider. Das Publikum, welches man damit ansprechen will, ist in der Regel eher jung, dynamisch, urban und erfolgreich. Vom Studenten über den Banker bis zum Zünfter. Der Umbau ist gelungen. Das Lokal präsentiert sich neu sehr gediegen, gemütlich und doch auch modern. Lila Neonschrift, neben einem Ölgemälde «Jesus mit Hamburger» und Zunftwappen.
Platz ist ausreichend vorhanden, auch zwischen den Tischen. Die leidigen Plexiglasscheiben denken wir uns einfach weg. Entgegen unserer Annahme in den doch eher schwierigen Zeiten sind die Tische voll besetzt. Das Personal ist, obwohl ausgelastet, freundlich und zuvorkommend. Ein guter Start.

Frisch und modern interpretiert
Wir entscheiden uns zum Apéro für einen Champagne Billecart Salmon Rosé (Fr. 9.–) und einen Vino Erotico blanc, Alma Cersius 2018, das Glas zu Fr. 8.–. Bei diesem Weisswein blieben wir auch gleich den ganzen Abend. Dann allerdings die Flasche zu Fr. 56.–. Die Bezeichnungen der Weine sind übrigens durchaus im eher ausgefallenen Bereich. So zum Beispiel «You Fuck My Wine?!», Mas del Périé 2019 Malbec, Jurancon Frankreich, Sud-Ouest (Fr. 66.–).
Das Menu ist schnell ausgewählt. Zur Vorspeise je einmal Beetroot medley (Fr. 14.–), Market Fish Tartare (Fr. 24.–), Lyon Caesar Salad (Fr. 18.–) und East Village Paté en croute (Fr. 19.–). Ja, wir waren diesmal zu viert, neben Maria auch Stephan und Germaine, ebenfalls Bewohner des Niederdorfs. Zu viert, auch um etwas breiter zu streuen, was die Gerichte anbetraf. Die Vorspeisen kamen schnell auf den Tisch, waren sehr frisch und modern präsentiert. Die Geschmäcker waren zum Teil gänzlich neu und, durchaus positiv behaftet, auch ungewöhnlich.
Zur Hauptspeise gab es Poulet rôti (Fr. 42.–), Upstate Pumpkin (Fr. 31.–) und zwei Mal Hot Dog in Paris (je Fr. 31.–). Beilagen haben separat geordert und bezahlt zu werden. Für einen Hot Dog 31 Franken zu zahlen ist etwas gewöhnungsbedürftig. Aber die Preise sind generell eher im oberen Segment, auch hier. Die Interpretation der Gerichte ist frisch und farbenfroh. Geschmacklich gab es nichts zu mäkeln. Insbesondere das Sandwich der Hot Dogs wurde speziell gelobt.
Zum Dessert gab es einen Cheesecake Pavlova (Fr. 18.–) mit vier Gabeln – zu satt waren wir bereits. Eine Neuinterpretation des bekannten New York Cheesecakes. Der existierte in Form einer Art Crumble/Streusel auf einer Kugel Vanilleglace. Anders, aber nicht unbedingt uninteressant.

Alexander Villiger

Restaurant «Hôtel Bourbon», Obere Zäune 19, 8001 Zürich, Tel. 043 251 20 20, info@hotelbourbon.ch. Offen Montag bis Samstag 11 bis 22.30, Sonntag 11 bis 21.30 Uhr (Küche). Die Bar ist geöffnet Montag bis Donnerstag 10 bis 24, Freitag und Samstag bis 1, Sonntag bis 22 Uhr.