Jubel und Ärger

Felix’s Schreibe sei fällig, mahnt der Chefredakteur telefonisch an, bald sei Redaktionsschluss. Und so sitzt Felix vor einem blanken Bildschirm, denkt nach und hofft auf Inspiration. Worüber schrieb er denn letztes Mal, vorletztes Mal? Felix bemüht sein Archiv und wird fündig: Corona, Covid 19, Pandemie, Fallzahlen steigend, Fallzahlen sinkend, obrigkeitliche Verordnungen, Maskenpflicht, Impferei, Testungen, gründliches Händewaschen (dabei je zweimal das Vaterunser singen, Happy Birthday beten oder wars umgekehrt?) und dergleichen mehr. Bis zum Umfallen.
Gibt es denn keine erfreulicheren Themen, die Felix zu digitalem Papier bringen könnte, Sachbereiche, welche die geneigte Leserschaft optimistisch stimmen würden? Doch (Jubel, Jubel, Hurra, Trommelwirbel, Tusch!), die gibt es!
Denn seit kurzem dürfen wir wieder nach Lust und Laune gogen poschten (shoppen auf Neudeutsch). Vorbei die Zeiten, als ausschliesslich Brot, Wurst und Bier im Wägelchen Platz nehmen durften. Neu können auch wieder Dinge hinein, wovon die meisten von uns eh schon genügend besitzen: Schuhe, Kleider, Möbel, Handtaschen und dergleichen Wichtigem mehr. Freude scheint zu herrschen, wie es ein einstiger Landesvater einst frohgemut auszudrücken pflegte. Felix mag da nicht miteinstimmen – er zweifelt zuweilen am Frohlocken und der Hoffnung auf eine sogenannte «neue Normalität». Sein angeborener Optimismus scheint ihn diesbezüglich hin und wieder etwas im Stich zu lassen und er erinnert sich in diesem Zusammenhang an eine Geschichte, die ihm vor einigen Jahren in einem walisischen Pub bei sehr viel Ale zugetragen wurde.
Im alten England sollte ein Mann hingerichtet werden, zu Zeiten also, als Hinrichtungen bewusst so grausam wie möglich durchgeführt wurden. Nachdem er bereits gerädert, mit glühenden Eisen gebrandmarkt und allerlei anderen fürchterlichen Torturen unterworfen worden war, wurde er aufs Schafott geführt und man zeigte ihm die Axt und den Henkersblock. Da er während seinen Strapazen stets beharrlich schwieg und nun immer noch keinen Laut von sich gab, wurde ihm von seinen Schergen beschieden, dass ihm vor seiner Enthauptung noch sein Bauch aufgeschlitzt und ihm das Gedärm entnommen würde. Er sah sich seinen Scharfrichter an und seufzte. «Ach», sagte er leise, «noch mehr Ärger.»

Felix