«Surprise» am Strassenrand

Am Stadelhofen gammeln nicht nur Jugendliche mit und ohne Hund. Es stressen auch nicht nur herdenimmune eilige Passanten, die ihre S 12 nicht verpassen wollen. Das Zwinglistadt-Revier der tatkräftigen Nothelferin Schwester Arianes ist nicht der Stadelhofen, sondern die Langstrasse. Das «Tischlein deck dich» tischt im Café Yucca an der Häringstrasse auf.
Überall kümmern sich gute Menschen um sozial benachteiligte Mitmenschen, und die sind auch rund um den Sechseläutenplatz nicht inexistent. Am Stadelhofen kann man beispielsweise das Strassenmagazin «Surprise» kaufen, das früher einmal «Stempelkissen» hiess. Die Verkäuferin oder der Verkäufer trägt Maske, die fälligen sechs Franken oder etwas mehr landen in einem aufgestellten Behälter, ohne Händekontakt.
Das «Surprise», das alle zwei Wochen erscheint, ist seit 1998 ein professionelles Strassenmagazin (www.surprise.ngo). Der Verein, der dahintersteht, ist eines von über 100 Mitgliedern aus 35 Ländern im International Network of Street Papers (London boomt!). Er ist nicht gewinnorientiert, finanziert sich ohne staatliche Gelder. 65 Prozent der Einnahmen erwirtschaftet das Strassenmagazin, 35 Prozent kommen von Spenden, Sponsoren und Stiftungen. «Surprise» unterstützt Menschen in der Schweiz, die unter dem Existenzminimum leben müssen. Es sind rund 400 Personen aus aller Welt.
Die Standorte verhandelt jeweils das Unternehmen mit Hauptsitz in Basel mit den jeweiligen Hausherren, Migros oder Coop oder Buchhandlungen zum Beispiel. Die Verkäuferinnen und Verkäufer sind jedoch selbständige Unternehmer. Vom Heftpreis gehen Fr. 2.70 in ihre eigene Tasche, plus natürlich die Trinkgelder. Es ist sauer verdientes Geld! 2009 wurde der «Surprise»-Strassenchor gegründet. Der darf bis auf weiteres noch nicht wieder live proben und auftreten. Derzeit üben die Sängerinnen und Sänger via Zoom das «Surprise»-Lied für einen Online-Auftritt ein. Verboten ist vorderhand auch der Strassenfussball. Die «Sozialen Stadtrundgänge» – in Zürich seit 2014 im Programm – sind bis auf weiteres ebenfalls verboten. Der spendierte Gratiskaffee im Café Zähringer fällt derzeit ohnehin aus, da geschlossen. Das gastronomische Angebot «Café Surprise» wurde 2014 eingeführt, schweizweit machen bisher 86 Betriebe mit, in Zürich sind es ihrer zehn. Regula wird es sich nicht nehmen lassen, sobald als möglich einem Unbekannten anonym eine Tasse zu spendieren. Oder auch zwei, zusammen mit Felix! Die Kaffeepreise in Zürich haben es bekanntlich in sich.   

Regula