Einsparung klein – Schaden gross

Am 30. September informierte das Sozialdepartement der Stadt Zürich, dass im Rahmen einer Umstrukturierung der soziokulturellen Angebote das GZ Altstadthaus ab 2013 die Trägerschaft wechselt und direkt von den Sozialen Diensten des Sozialdepartements geführt wird.

Der Wechsel von den Zürcher Gemeinschaftszentren zur Stadt ist von einem markanten Abbau der Angebote begleitet. Es verbleibt das Kinderprogramm, alle übrigen Angebote werden gestrichen. Von den ursprünglich 170 Stellenprozent verbleiben deren 40. Dem Quartier steht das Haus weiterhin zur Verfügung, gefragt ist dazu Selbstorganisation, sprich Freiwilligenarbeit. Wie das im Detail funktionieren soll, ist noch völlig unklar.

Ein leeres Versprechen
Blättern wir in der Quartierchronik kurz zurück: Vor fast genau vier Jahren wurde das Quartier mit der Mitteilung überrumpelt, dass das GZ Altstadthaus ohne Betriebsmittel in die selbstorganisierte Nutzung überführt werde. Der Protest war gross, eine Petition mit rund 2000 Unterschriften setzte die Verantwortlichen unter Druck. In einem ersten Schritt wurde beim Kinderangebot eingelenkt, das man zu erhalten versprach. Und schliesslich war die Stadt bereit, dem GZ Altstadthaus unter der Trägerschaft der Zürcher Gemeinschaftszentren eine weitere Kontraktperiode zu gewähren. Die Stadt machte zwar klar, dass der ursprüngliche Entscheid prinzipiell weiter gelte. In einer Medienmitteilung wurde am 8. Mai 2008 aber versprochen: «Der Stadtrat anerkennt, dass für diesen Wandel … mehr Zeit benötigt wird…» Und weiter: «Während dieser Zeit (Red.: bis Ende Kontraktperiode 2012) soll eine lokal verankerte, gut funktionierende Trägerschaft gebildet werden. Dieser Veränderungsprozess … soll unter Mitwirkung aller relevanten Kräfte des Quartiers durchgeführt werden.» Also harrten wir, was da komme, und weil nichts kam, fragten wir Mal für Mal nach und wurden Mal für Mal vertröstet. Erstaunt musste das Quartier nun zur Kenntnis nehmen, dass der neue Entscheid wiederum unter Ausschluss des Quartiers getroffen wurde. Vom Stil her wurde diesmal durch den zuständigen Stadtrat Martin Waser zwar offener und konzilianter kommuniziert, in der Sache hat sich aber kaum etwas verändert.

Wohnquartier Altstadt
Die Altstadt ist Arbeitsort: auf einen Einwohner kommen zehn Arbeitsplätze! Die Altstadt ist vor allem auch eine Ausgeh- und Eventmeile. Zum Glück ist die Altstadt aber auch noch ein Wohnquartier. Ein Wohnquartier übrigens, das sozial recht gut durchmischt ist und in dem erfreulicherweise auch wieder Familien mit Kindern wohnen. Als Wohnquartier ist die Altstadt allerdings in einem äusserst labilen Gleichgewicht und kommt nicht selten in die Defensive. Bei den soziokulturellen Bedürfnissen gibt es einen subtilen Unterschied zu anderen Quartieren, den die Verantwortlichen im Sozialdepartement offenbar partout nicht verstehen wollen: Die Altstadt braucht das GZ Altstadthaus, gerade weil hier so wenig Einwohner wohnen. So wie andere Quartiere die Gemeinschaftszentren brauchen, weil dort so viele Bewohner ihre gerechtfertigten Ansprüche haben. Das GZ Altstadthaus erfüllt eine spezifische Funktion: es stärkt die Quartieridentität, indem es mit bescheidenem Mitteleinsatz die bereits sehr hohe Selbstorganisation unterstützt. Aufgrund der tiefen Einwohnerzahlen lastet diese Selbstorganisation jeweils auf recht wenigen Schultern, kleine Hilfestellungen sind daher wichtig und wirksam.
Ein Beispiel: Der jährliche und vielgepriesene Quartierbrunch auf dem Lindenhof wird von Freiwilligen getragen. Das GZ Altstadthaus bringt Tische, Bänke, Zelte, Kühlschrank und Kaffeemaschine, leistet jenes kleine Etwas, das die reine Eigeninitiative auf Dauer überfordert – und hält mit einem kleinen Quäntchen Restschub den Vogel während Jahren in der Luft. Weil das GZ Altstadthaus also grosse Effekte mit kleinem Aufwand erzielt, richtet die Stadt mit einer minimalen Einsparung einen maximalen Quartierschaden an. Ein anderes Bespiel: Das GZ Altstadthaus organisiert regelmässig Werkstattbesuche, der Altstadt Kurier berichtet jeweils darüber, die Anliegen des Gewerbes werden den Einwohnern bewusst (und umgekehrt). Für einen Kontraktmanager, der das Programm liest, klingelt die Warnlampe: unnötiger Schnickschnack! Wer im Quartier lebt, weiss: eine grossartige Sache!
Wir bleiben dabei: der Entscheid, dem GZ Altstadthaus die Betriebsmittel wegzusparen und das Angebot auf das Kinderprogramm zu beschränken, ist falsch. Und er kann nur in völliger Unkenntnis der Quartierkultur fallen. Das Finanzargument allein kann es kaum sein, wie ein einfacher Vergleich zeigt: Die Kosten der WC-Anlage am Central wiegen die Einsparungen, die man mit dem neuen Betriebsmodell erzielt, während vollen acht Jahren auf!

Herausforderung
Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern der Altstadt darf nicht das Gefühl entstehen, die Stadt Zürich gebe die Altstadt als Wohnquartier auf. Es ist daher nun an der Stadt, die 2008 angekündigten Verhandlungen mit den relevanten Kräften des Quartiers tatsächlich zu führen – und dabei zu beweisen, dass man die Sorgen des Wohnquartiers Altstadt ernst nimmt. Wir sind durchaus bereit, neue Wege zu gehen. Aber in einem Punkt sind wir standfest: Betriebsmittel – wie und von wem sie auch finanziert sein mögen – sind für das GZ Altstadthaus nötig. Denn die Funktion des hilfsbereiten Materialwarts und der erfahrenen Organisatorin muss das GZ Altstadthaus auch weiterhin wahrnehmen können!

Michael Schädelin