Hoffnungsvolle Adventszeit

Unsere diesjährige Weihnachtsgeschichte hat Niklaus Peter, Pfarrer am Fraumünster, verfasst. Es geht darin um die Bedeutung des Wortes Advent, um hohen Besuch, um Hoffnung und Vorfreude.

Weihnachtsbeleuchtungen sorgen schon seit einiger Zeit für feierliche Abendstimmung in der Stadt, und seit die Bahnhofstrasse von jenen kalt-technologischen Röhren befreit ist, glitzern auch dort wieder Tausende von winzig kleinen Lichtern um die Wette, ändern dabei still ihre Farben, und sagen auf Elektrisch, was viele Kerzen in ihrer wohlriechenden Sprache des Bienenwachses lispeln: «Es ist wieder Adventszeit, das Fest der Lichter naht!»
Für die einen das Signal, dass man nun definitiv ans Geschenkebesorgen denken sollte, für andere, dass diese Zeit auch eine Zeit der Besinnung ist, eine Zeit, in der man das Dunkle in dieser Welt genauso wahrnehmen sollte wie das helle Kinderglück der Lichter. Deshalb singen Gruppen der Heilsarmee und sammeln für ihre ­Arbeit zugunsten der Ärmsten dieser Stadt.
Und besinnlich geworden fragt man vielleicht: was bedeutet das Wort ­Advent? Irgendwie ahnt man, dass es mit Erwartung und Hoffnung zu tun hat, weil ja auch der Adventskranz mit seinen vier Kerzen eine heller werdende Hoffnung symbolisiert. Und auch wenn jeder sich seinen eigenen Reim machen und sich auf seine Hoffnungen besinnen wird, so gibt doch das Adventslied Paul Gerhardts einen Hinweis, um was es damals ging und heute noch gehen kann: «Wie soll ich dich empfangen, und wie begegn ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seele Zier». Und so könnte man sagen: Advent bedeutet, sich bereit zu machen für hohen Besuch, das Kommen Gottes zu feiern, diesen «Besuch» auch ganz persönlich vorzubereiten.

Hoher Besuch
Wie bereitet man sich vor, wenn man hohen Besuch erwartet? Ich erinnere mich, wie mein Vater immer seine Hausschuhe weglegte und seine schwarzen Schuhe anzog, wenn wir Besuch erwarteten, wie aufgeräumt wurde und der Tisch festlich gedeckt war – Zeichen freudiger Erwartung. Aber nun wird wohl das Weglegen der Hausschuhe nicht genügen, wenn man wirklich göttlichen Besuch erwartet – vielleicht bekommt man die beste Vorstellung, wenn man in der Bibel nachliest, wie dort vom Einzug des Jesus von Nazaret nach Jerusalem berichtet wird. Im Matthäusevangelium ist das eindrücklich beschrieben – nämlich genau so wie der Einzug ­eines Königs. Jesus kommt nicht zu Fuss, wie auf all seinen Wanderungen durch Galiläa, Dekapolis und Judäa – sondern er reitet auf einem sanften Eselsfüllen ein und wird bejubelt wie ein königlicher Herrscher. Uns fehlt heute die rechte Anschauung dafür, wie das zugegangen sein könnte, da niemand von uns solch öffentlich-­hohe Besuche noch aus eigenem Er­leben kennt. Und wenn am Fernsehen Staatsbesuche übertragen werden, dann sind das steife Zeremonien auf Flughäfen, wo Politiker Hände schütteln und dann ungelenk mit Marschmusik an strammen Militärformationen entlang gehen – nicht wirklich gutes Theater, wie ich finde.

Der König auf dem Münsterhof
Eine bessere Vorstellung hätte uns ­sicher der «Adventus», der Einzug und Empfang des Königs auf dem mittelalterlichen Münsterhof in Zürich verschafft, wie er in der bald erscheinenden Neujahrsschrift der Antiquarischen Gesellschaft «Das Fraumünster in Zürich» in einem Beitrag von Dölf Wild eindrücklich beschrieben ist: Damals ritt die ganze Bürgerschaft, bekränzt und Reli-quien tragend, dem ankommenden König mit seinem Tross entgegen, an der Spitze die Stadtherrin, nämlich die Fürstäbtissin des Fraumünsters. Unter Jubel und mit Glockengeläute wurde der hohe Herr vor den Stadt­toren begrüsst, dann in die Stadt auf den Münsterhof geleitet. Hier stieg der König vor der Menge der Zuschauer vom Pferd, feierlich und symbolisch wurde ihm das Fraumünster mit der Reichsvogtei übergeben, worauf er selbst der Fürstäbtissin symbolisch wiederum die Hoheitsrechte überbrachte und dann im Fraumünster ­gesegnet wurde. All das muss nun wirklich eindrückliches Theater gewesen sein. Hier wurde dargestellt und sichtbar gemacht, wer Macht, aber auch wer Verantwortung trägt. Bei uns ist das alles viel diffuser und undurchschaubarer geworden.

Öffnung zum Platz hin
Da in nicht allzu ferner Zeit der ­Münsterhof autofrei und dann die Schönheit dieses Platzes wieder ganz sichtbar und erlebbar werden wird, hat die Kirchenpflege der Gemeinde Fraumünster beschlossen, dass die historische Türe zum Platz hin wieder zum Haupteingang werden soll. Denn der jahrhundertealte Eingang war ja auch wegen der neuen Verkehrsachse und der Tramroute aufgehoben und durch den heutigen, limmatseitigen Eingang ersetzt worden, den man ­etwas gewaltsam durch den Turm brach.
So wird es auf dem Münsterhof also keine tote Front mehr geben. Die Kirche öffnet sich wieder auf den Platz hin, lädt Leute zum Verweilen, zur ­Besinnung, zur Besichtigung des Kirchenraumes mit den Giacometti- und Chagall-Fenstern ein. Und wer dann erfüllt wieder nach aussen tritt, wird sich am Anblick dieses herrlichen Platzes mit den beiden Zunfthäusern und den anderen schönen Häusern erfreuen. Also auch hier ganz konkret ein wenig Advent, nämlich freudige Erwartung…

Niklaus Peter