Leuenplätzli redlich geteilt

Für Aufregung gesorgt hat im Quartier ein fast das ganze Leuenplätzli einnehmendes Ensemble von Baucontainern für die nahe gelegene Grossbaustelle. Dank einem konstruktiven Dialog konnte in dieser Sache ein Kompromiss erzielt werden.

Erstaunt erkundigte sich Bettina Tillmann Kleiser nach Sinn und Zweck roter Linien, die sie nach dem Verlassen des Hauses am Donnerstag, 4. April, auf dem Leuenplätzli bemerkte. Der Bauarbeiter, der die Markierungen angebracht hatte, klärte sie auf: Das seien die Grundrisse der Baucontainer, die hier zu stehen kämen. Mit Schrecken stellte sie fest, dass solche Linien fast den ganzen Platz überzogen, nur um noch mehr zu erschrecken, als sie die Antwort auf die Frage nach der Dauer hörte: «Zwei Jahre.»

Ein belebter Quartierplatz
Dazu muss man wissen, dass das Leuenplätzli, wie der Platz ohne offiziellen Namen bei der Quartierbevölkerung genannt wird, vor allem in der wärmeren Jahreszeit rege genutzt wird. Zum einen spielen die Kinder hier Fussball und andere Spiele oder planschen an heissen Tagen im Brunnen. Andererseits halten sich auch Erwachsene gerne hier auf. Leute aus dem Quartier treffen sich auf einen Schwatz oder zum Picknick, manchmal wird Boule gespielt. Ein willkommener Freiraum ohne Konsumationszwang. Abgesehen davon finden hier Quartierveranstaltungen wie Grillabende statt.
Zudem verbringen auch Besucherinnen und Besucher der Altstadt gern eine Zeit der Musse auf dem lauschigen Platz, im Schatten der Bäume oder an der Sonne. Licht und Luft zu schaffen, das war seinerzeit auch der Beweggrund, das heutige Leuenplätzli überhaupt erst anzulegen. 1937/38 hat man zu diesem Zweck im Zuge der «Altstadtsanierung» mehrere Liegenschaften an der Leuengasse abgebrochen. – Das alles soll für zwei Jahre unterbunden werden?

Fait accompli
Nun war rasches Handeln angesagt, denn noch standen die Container nicht da. Mit Bettina Tillmann Kleiser, Michael Kleiser, Christoph Schaub und Daniel Schneider kristallisierte sich eine Kerngruppe heraus, die sich der Problematik annahm. Doch erste Bemühungen, Telefonate und E-Mails, konnten das Aufstellen der Installation am Montag, 8. April, nicht verhindern. Womit ein Fait accompli geschaffen war. Oder doch nicht?
Der Beharrlichkeit der Gruppe und dem Entgegenkommen diverser Ansprechpersonen war es zu verdanken, dass sich gleichentags etwa fünfzehn Personen zu einem Augenschein vor Ort trafen.
Mit dabei waren die Bauleitung, Mitarbeitende der städtischen Amtsstellen, welche für die Bewilligung der Installation zuständig waren (es lag eine gültige Bewilligung vor). Ebenso Jennifer Palmy von der Städtischen Liegenschaftenverwaltung, die vom Ganzen ebenso überrumpelt war und sich für ein nächstes Mal eine frühzeitige Information erbat, aber auch Vertretungen des Quartiervereins und des Elternvereins Altstadt rechts der Limmat.
Wer ebenfalls anwesend war, und das sollte letztlich «matchentscheidend» werden, war Beat Curti, der zusammen mit Hans Jecklin die Bauherrschaft bildet.

Verschiedene Möglichkeiten
So wurden Alternativen geprüft, nach denen nicht gerade fast der ganze Platz der Bevölkerung verloren ginge. Christoph Schaub stellte gleich zu Beginn klar, dass man einsehe, dass eine Baustelle entsprechende Infrastruktur brauche und dass es weder um Verhinderung gehe noch darum, das Übel von der eigenen Haustür zu verschieben vor die Haustüre des Nachbarn. Sondern dass es den Anwohnerinnen und Anwohnern wichtig sei, eine gute Lösung zu finden. Diese könnte darin bestehen, wenigstens eine Teilfläche freizuhalten. Das Gegenargument, der Platz werde sowieso stark beansprucht und der seitliche Fahrstreifen mit schweren Lastwagen befahren, womit man das Draussensein vergessen könne, überzeugte nur zum Teil. Denn gerade an Abenden und an Wochenenden ruht ja die Baustelle.
Beat Curti war es letztlich, der nicht nur Verständnis für die Anliegen des Quartiers äusserte, sondern erklärte, er wünsche, dass man hier zu einem Kompromiss finde.

Gute Lösung gefunden
Dass dies nicht so einfach würde, war leicht abzusehen. Denn erstens stand ja alles wie von der Bauleitung gewünscht bereits in optimaler Lage da. Zweitens wären Alternativstandorte weiter entfernt, also weniger praktisch. Zudem galt es, das machte der Vertreter von Grün Stadt Zürich unmissverständlich klar, die auf dem Platz stehenden Bäume unbedingt zu erhalten und zu schützen.
Die zündende Idee hatten Bettina und Michael Kleiser, als sie in ihrem (unter anderem für Klavierstunden genutzten) Arbeitsraum sassen und darüber nachdachten, wie man den für sie für die Dauer der lärmintensiven Bauerei unbrauchbar gewordenen Raum wohl weiter verwenden könnte – denn der Raum liegt unmittelbar neben dem Umschlagplatz für die Baustelle: Wer könnte ein Interesse haben an einem Raum an dieser Lage? Höchstens noch jemand von der Baustelle selbst! Heureka!
Nun, in der zweiten Maiwoche (teilweise nach Redaktionsschluss dieser Nummer) wurde nochmals Hand angelegt, nachdem die Behörden die neuen Vorschläge wohlwollend geprüft hatten.

Platz zur Hälfte frei
Zwei der unmittelbar an den Brunnen anschliessenden Container wurden verschoben und dicht an die im unteren Teil des Platzes stehenden Container angefügt. Ein grösserer Container wurde aufgehoben. Was möglich wurde, weil das Baubüro nunmehr im besagten Arbeitsraum eingerichtet werden kann, in Untermiete für die Dauer der Bauarbeiten. (Noch nicht ganz ausgestanden ist die Sache für Bettina und Michael Kleiser Tillmann, die noch nach einem Ersatzraum suchen.)
Somit konnte die Hälfte der zuvor belegten Fläche freigemacht werden, nämlich der obere Teil vom Brunnen bis über die Treppe hinaus, die von der Spiegelgasse zum Platz führt.
Ermöglicht hatte dies, da sind sich alle einig, der Bauherr Beat Curti. Er hat sich für die Anliegen der Bevölkerung stark gemacht – auch gegen die Argumente der Praktiker – und verlangt, hier eine Lösung zu suchen, und hat auch das nötige Budget gesprochen. Die Anwohnenden sind des Lobes voll: «Ohne ihn wäre dies nicht möglich gewesen.» In der Tat, so Beat Curti auf Anfrage, hätte man sich einfach im Recht sehen können: «Wir hatten die Bewilligungen, was gibt es Schöneres als den Segen der Stadt?» Doch damit wollte er sich nicht zufrieden geben: «Ein gutes Einvernehmen mit dem Quartier ist mir oberstes Gebot.» Und er reicht die von Quartiervertretern erhaltenen «Blumen» weiter: «Ein grosses Kompliment ans Quartier für den konstruktiven Dialog!»

Elmar Melliger

Das Bauprojekt
Das Bauprojekt umfasst zwei gegenüberliegende Liegenschaften an der Marktgasse.
Im Haus Nummer 14 waren bis anhin das Hotel Goldenes Schwert, der Club «T & M», die «Pigalle-Bar» und Läden. Das fünfzigjährige Haus wird ausgehöhlt, das Giebeldach um neunzig Grad gedreht.
Hier entstehen über der bestehenden Tiefgarage Läden, Büros und zwölf Wohnungen. – Im denkmalgeschützten Haus Nummer 17, bis anhin Restaurant und Hotel «Zic Zac», Restaurant «Khan’s» und «Barrique Weinstube», wird ein «Boutique-Hotel» im Dreisternebereich entstehen, im Erdgeschoss ein Restaurant «Molino».
Der auf Betonsockeln mitten über der Gasse errichtete Kran bedient beide Baustellen und sein Ausleger reicht bis zum Leuenplätzli.
EM