Ein neues Museum in der Altstadt

Mitten in der Altstadt entsteht ein neues Museum für Art Brut und Outsider Art. Am 21. November ab 18 Uhr findet am Predigerplatz die Eröffnung des kleinen, feinen Museums statt.

So klein wie es von aussen scheint ist das Museum nicht, die schmale Eingangspartie täuscht. Denn über den Entresol gelangt man in den Saal im Souterrain und von da in den Pavillon im Garten – was eine Ausstellungsfläche von gut zweihundert Quadratmetern ergibt. Alles hohe, grosszügige Räume, in den Siebzigerjahren von Trix und Robert Haussmann für die Galerie Maeght gebaut, die hier lange Jahre beheimatet war. Anschliessend zog die Galerie Lelong ein und zuletzt das Werbebüro GGK von Hermann Strittmatter, der jetzt noch ein Büro hier hat.

Art Brut
Nun also werden die Räumlichkeiten wieder der Kunst gewidmet, Art Brut oder Outsider Art, zuweilen auch verwandten Kunstformen wie beispielsweise der Street Art. Eigentlich war das Museum in den Räumen der Galerie Susi Brunner an der Spitalgasse 10 geplant, wie die Tochter Rea Furrer erklärte. Doch dann ergab sich unverhofft die Gelegenheit, sich am Predigerplatz 10 einzumieten, in diese herrlichen Räume.
Rea Furrer (32) hat einen Teil ihrer Kindheit in der Altstadt verbracht, hat an der Spitalgasse gewohnt. Durch die Tätigkeit ihrer Mutter schon immer mit Art Brut in Kontakt, hat sie sich dazu entschlossen, ihren Beruf als Juristin einstweilen hintan zu stellen und sich dem Projekt Museum anzunehmen. Susi Brunner (65) befasst sich nämlich seit einiger Zeit mit der Frage der Zukunft ihrer Kollektion. Nach vier Jahrzehnten Tätigkeit als Galeristin und Sammlerin verfügt sie über ein Ensemble von Werken renommierter, weniger bekannter und auch eigens entdeckter Künstler aus dem In- und Ausland. Verschiedene Varianten wurden geprüft und schliesslich die Idee eines temporären Museums gewählt. Es soll ein Ort geschaffen werden, welcher der Öffentlichkeit Gelegenheit gewährt, aktiv mitzuwirken. Das Rahmenprogramm wird sodann explizit übergeordnete Fragen aufwerfen, die mit der Thematik der Sammler- und Museumstätigkeit bzw. des Kulturbetriebes im Allgemeinen zu tun haben.
Das Museum wird vom Verein Musée Visionnaire betrieben. Um den Fortbestand zu gewährleisten werden Sponsoren gesucht und Stiftungen angegangen, auch Private können sich als Mitglied, Gönner oder freiwillige Mitarbeiter am Projekt beteiligen.

Erste Ausstellungen
Rea Furrer teilt sich die Museumsleitung mit Rémi Jaccard (32). Er hat Philosophie und Kunstgeschichte studiert und mit einer Dissertation abgeschlossen. Zurzeit arbeitet er mit einem Teilpensum als Kunstvermittler beim Kunsthaus. Sein Interesse liegt in der Art Brut und er möchte das Spektrum der Ausstellungen ausweiten auf Street Art und Graffiti.
Die erste Ausstellung unten im Saal heisst «All you need is passion» und präsentiert einen vielfältigen Einblick in die Kunst der Aussenseiter mit Werken aus der Sammlung von Susi Brunner. Leidenschaft bestimmt das Werk der Künstlerinnen und Künstler sowie das Wirken der langjährigen Sammlerin.
Im Pavillon werden unter dem Motto «Sagen, Mythen und Märchen» Werke von Roland Roure und von Max Raffler gezeigt. Im Zwischengeschoss hängen Bilder, aus der Sammlung ausgewählt und kommentiert durch Sekundarschülerinnen und -schüler aus dem Kreis 4.
Im Eingangsbereich gibt es einen Shop und lädt eine kleine Bibliothek zum Stöbern ein.

Innovativ
Die beiden Museumsleiter sind voller Enthusiasmus und freuen sich auf das Kommende. Im Vergleich zu einer kommerziell orientierten Galerie ist ihre Tätigkeit konzeptioneller, kreativer, bieten sie eine grössere Dienstleistung. Rea Furrer: «Wir hoffen, dass wir mit dem Museum auch Leute ansprechen können, die vielleicht Hemmungen haben, eine Galerie zu betreten, weil sie keine Kaufsabsicht hegen.» Mit dem Konzept der «Bilderwahl», wo Schülerinnen und Schüler sich sozusagen kuratorisch betätigen, möchten Rea Furrer und Rémi Jaccard zudem weiteren Kreisen die Art Brut zugänglich machen, die sonst vielleicht nicht unbedingt Museen besuchen. Alle zwei Monate kommt eine neue Bilderwahl zum Zug. Und für Mitglieder des Vereins besteht die Möglichkeit, in der «Artothek» Kunstwerke von über sechzig Künsterinnen und Künstlern für eine gewisse Zeit auszuleihen und bei sich zu Hause zu geniessen.
Die beiden jungen Museumsmacher sprudeln vor Ideen und Begeisterung und können die Eröffnung kaum erwarten. Und so ist dem Musée Visionnaire ein guter Start zu wünschen!

Elmar Melliger


Musée Visionnaire
Predigerplatz 10, Tel. 044 251 66 57, www.museevisionnaire.ch.
Offen Mittwoch bis Samstag 14 bis 18 Uhr, jeden 18. im Monat von 18 bis 22 Uhr.
Die Eröffnung ist am Donnerstag, 21. November, ab 18 Uhr. Um 19 Uhr Begrüssungsrede.