Ein Meister seines Faches

Man könnte an der Schlosserei und Kunstschmiede an der Predigergasse leicht vorbeigehen, ohne sie zu bemerken. Die Werke, die hier schon entstanden sind, lassen einen Meister seines Fachs erkennen, wie sie kaum zu finden sind. Hans Gautschi hat neben üblichen Schlosserarbeiten immer wieder Besonderes geschaffen.

Der Strukturwandel in der Altstadt hat auch vor seinem Gewerbe nicht halt gemacht: «Früher hat es hier reihenweise Schlosser gehabt, allein im Oberdorf drei oder vier», erzählt Hans Gautschi und erinnert sich an gleich zwei Schlossereien an der Weiten Gasse, eine an der Trittligasse, dann eine an der Leuengasse, an Menger (sein Vorgänger an der Predigergasse), eine an der Niederdorfstrasse 4 im Hinterhaus. Zudem hatte es eine Giesserei an der Frankengasse, von der noch der Kamin steht.
Seine Lehre hat er ab 1951 bei seinem Vater gemacht, dessen Schlosserei an der Oberdorfstrasse hinter dem «Weissen Wind» war. Er erinnert sich an die schwierigen Arbeitsbedingungen – es war eng und düster in der Werkstatt, einzig zwei Glühbirnen hingen von der Decke – unter denen man reihenweise Metallgestelle für Zeichentische anfertigte, für das damalige Geschäft Grab & Wildi am Seilergraben. Ansonsten wurde ja nach dem Zweiten Weltkrieg emsig gebaut, was zu vielen Bauschlosseraufträgen führte.
Hans Gautschi führte das Geschäft nach dem Tod seines Vaters weiter, bis er die Kündigung erhielt und 1966 seine jetzige Werkstatt an der Predigergasse übernehmen konnte. Seit 1896 wird hier geschmiedet. – Wie organisch gewachsen liegt der zur Gasse hin eingeschossige Bau da, der sich nach hinten zum Soussol erweitert. Betritt man die Werkstatt durch die metallene Tür, so öffnet sich diese haarscharf am schräg wachsenden Baum vorbei, dessen Stamm schon etwas angeschliffen werden musste. Im Innern ist es recht hell, Dachfenster ergänzen die übrigen Fenster und lassen Tageslicht herein. Linkerhand ist die Esse, davor ein Amboss, in der Mitte des Raums steht ein mächtiger Werkbank und an den Wänden hängen unzählige Werkzeuge.

Aufträge von Calatrava
Der Meister hat gerade ein golden glänzendes Stück Metall in Arbeit. «Das ist auch für Calatrava», verrät er schmunzelnd. Der Stararchitekt ist vor etwa dreissig Jahren einmal in seine Werkstatt gekommen und hat eine Bestellung aufgegeben. «Er hat mir damals etwas Schwieriges zugetraut.» Daraus ist eine bis heute andauernde Arbeitsbeziehung entstanden. Santiago Calatrava, dessen Bauwerke in aller Herren Länder stehen – in Zürich hat er den neuen Bahnhof Stadelhofen erbaut – hat seine Architekturmodelle jeweils beim Modellbauer Dumeng Raffainer von Zaborowski am Neumarkt 10 in Auftrag gegeben. (Seit dessen Tod lässt er seine Modelle intern bauen. In seinem Büro in Zürich arbeiten heute über sechzig Leute, seinen Zweitsitz hat er in New York.) Gautschi seinerseits hat Schlosserarbeiten ausgeführt. Wobei er mit Vorliebe für Calatravas Kunstobjekte hinzugezogen wird. «Manchmal kommt er mit einer rudimentären Skizze und erklärt mir, wie er sich das etwa vorstellt.» Aufgrund dessen zeichnet Gautschi dann komplexe Werkpläne und setzt das Ganze um. Das kann ein Gebilde mit beweglichen Teilen sein, dessen Antrieb einzubauen für das Multitalent Hans Gautschi einfach dazugehört, wobei er zugeben muss, dass Fachleute mit so breitem Können heute nicht so leicht zu finden sind. Calatrava hatte übrigens gerade eine Ausstellung im Vatikan und vor einem Jahr eine in der Eremitage in Sankt Petersburg.

Illustre Namen und Örtlichkeiten
Seine Zusammenarbeit mit dem berühmten Architekten ist in Fachkreisen kein Geheimnis geblieben und hat zu weiteren interessanten Aufträgen geführt. So hat Gautschi für Peter Zumthors Hotel Therme sowohl für das Bad wie für das Hotel viel gemacht und ist dafür etwa dreissig Mal nach Vals gefahren. Ausserdem hat er gearbeitet für das Architektenpaar Trix und Robert Haussmann (zum Beispiel für die «Kronenhalle»-Bar oder für Weinberg an der Bahnhofstrasse, vom Türgriff bis zur Vorhangstange). Für den Popstar Tina Turner konnte er ein schmiedeisernes Tor realisieren. Die Liste ist lang. Als Gedächtnisstütze helfen die Fotoalben, in denen Hans Gautschi einen Teil seiner Arbeiten dokumentiert hat. Zu den über normale Bauschlosserarbeiten wie Balkon- und Treppengeländer hinausgehenden Arbeiten gehören verzierte Geländer, Tore, Schilder, Beschläge, aber auch Grabkreuze.
Die Fotos entstanden in einer Pferdestallung, beim Bezirksgebäude, im Hauptsitz der UBS an der Bahnhofstrasse, im «Terrasse» am Bellevue, auf dem Dach des Parkhotels Weggis und auf demjenigen der Villa Patumbah und so fort. Malerarbeiten an seinen Werken gibt er mit Vorliebe an seinen fünf Jahre jüngeren Bruder Arthur, der ein Malergeschäft in Zollikerberg hat.
Als Hans das Bild eines uralt anmutenden metallenen Törleins zu einem historischen Panzerschrank zeigt, mit einem komplizierten Schliessmechanismus, das poröse Metall ist leicht verbeult und man sieht ihm die Jahrhunderte förmlich an, da kann er sich ein stolzes Lächeln nicht verkneifen, so bescheiden er auch ist: «Das habe ich neu angefertigt nach Abbildungen und es ist eingebaut im Hotel Widder.» Den Auftrag erhielt er damals durch Jack Heuberger vom Rindermarkt, der alle Schreinerarbeiten an diesem riesigen Projekt machen konnte.

Aushängeschilder
Werke wie dieses sind leider nicht so frei zugänglich. Was wir jedoch täglich sehen können, sind die metallenen Schilder, welche die Hausfassaden in der Altstadt zieren und von denen so manches von Hans Gautschi ist. Angefertigt hat er sie unter anderem für die Bäckerei Bertschi an der Marktgasse, für Betscharts Polsterstübli, El Tumi, Gügi an der Predigergasse, Restaurant «Zum Weissen Schwan» am Predigerplatz, Buchbinder-Atelier H. Bühler und KronenGalerie an der Froschaugasse, Travel Book Shop am Rindermarkt, Restaurant «Kantorei» und Haar-Schopf am Neumarkt und für viele mehr. Man merkt, einige der Geschäfte existieren nicht mehr oder sind weggezogen und die Schilder mit ihnen. Manche Schilder bleiben trotz Wegzug, etwa das von Bianchi an der Marktgasse. Einzelne verschwinden, obschon das Geschäft noch existiert; so wurde dasjenige vom Haar-Schopf gestohlen und heute hängt eine zweite Version. Was zur Folge hatte, dass Coiffeur Heinz Hofer sein Schild nun immer herunter holt, wenn er Feierabend macht: So sieht man auch von weitem, ob er da ist. Ein Prachtstück ist ein Dreimeter-Hecht für das Restaurant «Hecht» in Altendorf.
Die zwei kürzlich geschaffenen Schilder sind am Neumarkt 21 (Mary Jane) und an der Niederdorfstrasse 37 («Tasca Romero») zu finden. Entworfen hat sie der Grafiker Rolf Willi (der Schöpfer des Cartoons Beno in dieser Zeitung), bemalt wurden sie von Hans’ Bruder Arthur.
Wenn Gautschi sein Geschäft einmal aufgibt, haben die Hauseigentümer andere Pläne mit der Werkstatt. Noch ist es nicht so weit. Hans Gautschi ist bei guter Gesundheit, auch wenn ihn zurzeit der Ischias plagt und er nicht mehr so schwere Teile heben kann.
Er möchte gern noch weiterarbeiten. «Mit den Hauseigentümern hab ich mal abgemacht, bis ich achtzig bin. Aber das ist ja schon bald, in zwei Jahren. Am sympathischsten wäre es, wenn ich einfach so lange weitermachen könnte, wie ich will.»

Elmar Melliger