Musizieren in schönem Ambiente

Gross war die Betroffenheit, als vor acht Jahren das Restaurant «Alt Züri» für immer schliessen musste. Nun tritt im Niederdorf das «Neu Züri» dessen Nachfolge an, als Musiklokal, wo jeder mitmachen kann.

Immer am Freitagabend wird hier musiziert, treten Mutige ans Mikrofon und unterhalten die Gäste für eine Weile, um dann Platz zu machen für jemand anderes aus dem Publikum. Zum Saal gelangt man entweder von der Niederdorfstrasse her durch das Restaurant «Johanniter», in dessen Obergeschoss er sich befindet. Oder direkt von der Zähringerstrasse her.
Die frühere «Gartenlaube» hat sich gewandelt, präsentiert sich aufgefrischt: «Zuerst wollten wir nur etwas Kosmetik machen», erzählt Walter Schweiter, der das «Neu Züri» mitbegründet und mitgestaltet hat. Doch es zeigte sich rasch, dass es mehr brauchte. So wurden unter anderem die Wände vanillefarben gestrichen und mit aufgemalten Musikinstrumenten verziert.
Der Saal mit seinem schönen Ambiente hat eine reiche Tradition, war unter anderem das Stammlokal der Jazzformation Piccadilly Six. Später war hier ein Dancing für ein gesetzteres Publikum. In den Sechziger-, Siebzigerjahren standen unter dem Motto «Postillon d’Amour» Telefonapparate auf den Tischchen, mit denen man die gewünschte Tanzpartnerin anrufen konnte. – Die angrenzende «Caroussel-Bar», als Schwulen-Bar eine Zeit lang von aggressiv auftretenden osteuropäischen Strichern belagert, dient seit dem Rauchverbot als Fumoir von Restaurant und Saal, wie Walter Schweiter und René Plattner, Inhaber des «Johanniters» seit zwölf Jahren, erklären.

Tradition weiterführen
«Acht Jahre waren eine lange Durststrecke», sagt Alessandro Cipriano, der Initiant des «Neu Züri». Damals hatte er beim neuen Hauseigentümer ein Konzept zur Weiterführung des «Alt Züri» eingereicht, leider vergeblich: Das Haus an der Schoffelgasse wurde umgebaut, das Restaurant war Geschichte. An diese Geschichte anknüpfen will Alessandro Cipriano: «Im ‹Alt Züri› kannten wir einander, waren teils befreundet, es war wie eine grosse Familie.» Diese Zeiten will er neu aufleben lassen. So waren denn am Eröffnungsabend Ende September neben vielen anderen auch bekannte Gesichter von damals anzutreffen. Werner Tanner, der das «Alt Züri» mit seiner Schwester Irene zehn Jahre geführt hatte, war ebenfalls unter den Gästen.
Hier kann auftreten, wer Lust hat und es sich zutraut. Hier wird gesungen und musiziert, mit eigenen Instrumenten. Zur Verfügung stehen zudem ein Schlagzeug und ein Flügel, der jeweils vom Hauspianisten gespielt wird, und ein DJ-Pult. Dazu kann man essen und trinken zu moderaten Preisen, wie man es vom «Johanniter» kennt. Eine Person übernimmt jeweils die Moderation, sei das der Hauspianist, Alessandro Cipriano oder sonst jemand.

Professionelle Begleitung
Alessandro Cipriano, mit bürgerlichem Namen André Gloor, hat sich nach einer Kochlehre und der Hotelfachschule zum Tenor ausbilden lassen, in Zürich und in Wien. Heute arbeitet er einen Teil der Zeit in London, wo sich ihm als Profi-Tenor, als Solist mehr Möglichkeiten bieten.
Das «Neu Züri» ist ihm ein Herzensanliegen. Zwischendurch lässt er auch selbst seine Stimme ertönen. Und so wird klar: Es geht im «Neu Züri» nicht (nur) um ein Jeder-kann-Mitmachen, sondern die Auftritte sollen durchaus eine gewisse Klasse haben. Von der Stilrichtung her ist alles möglich. Ob Klassik, Jazz, Chanson oder Evergreens: die Bühne gehört allen. So darf man gespannt sein auf immer wieder einzigartige Abende, denn die Begeisterung von Alessandro Cipriano hat etwas Ansteckendes.

Elmar Melliger

«Neu Züri», Zähringerstrasse 33 oder über den «Johanniter», Niederdorfstrasse 70, Tel. 044 253 62 00, www.johanniter.com. Geöffnet jeden Freitag von 18 bis 24 Uhr (September bis Mai).