Gute Wohnungsbelegung gefragt

Eine neue Verordnung über die Grundsätze der Vermietung von städtischen Wohnungen soll eine bessere Kontrolle der Vermietungskriterien während der gesamten Mietdauer bringen. Was meint das Quartier?

Rund 25 Prozent der Wohnungen in der Altstadt sind im Besitz der Stadt Zürich. Mit Ihrer Vermietungspolitik prägt sie damit die soziale Struktur unseres Quartiers massgebend mit. Die neue Verordnung über die Vermietung städtischer Wohnungen, welche der Zürcher Stadtrat Ende Dezember zuhanden des Gemeinderats verabschiedet hat, ist für unser Quartier daher von einiger Bedeutung.

Öffentliche Debatte
Im Blätterwald tauchten in der jüngeren Vergangenheit regelmässig Vorwürfe auf, die städtischen Wohnungen seien unterbelegt, würden von zu finanzkräftigen Leuten bewohnt oder sogar als Zweitwohnungen missbraucht. Tatsächlich waren einige spektakuläre Fälle zu verzeichnen (man erinnere sich zum Beispiel an den Fall von Hedy Schlatter). In aller Regel erwiesen sich diese Fälle nicht als Verstoss der Vermietungsbedingungen bei Mietantritt, sondern ergaben sich aus den sich ändernden Lebensbedingungen der Mieterschaft. Dies hat den Stadtrat von Zürich nun veranlasst, die entsprechende Verordnung so zu revidieren, dass diese nicht allein die Vermietungskriterien definiert, sondern auch eine regelmässige Kontrolle darüber ermöglicht, ob die Vermietungskriterien noch eingehalten werden. Die Verordnung bezieht sich ausschliesslich auf nicht subventionierte Wohnungen.

Vermietungspraxis
In der Stadt Zürich gilt für die meisten Wohnungen, welche nicht subventioniert sind, die Kostenmiete. In der Regel liegen solche Wohnungen unter den teils sehr hohen Zürcher Marktpreisen. Daher ist es tatsächlich ärgerlich, wenn der relativ günstige Wohnraum unterbelegt ist oder sogar als Zweitwohnung genutzt wird. Hier galten seit eh und je klare Bedingungen, an denen die Verordnung wenig ändert: Die Wohnungsgrösse muss in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der Bewohner stehen (es gilt die Regel Anzahl Personen plus ein Zimmer). Die Vermietung als Zweitwohnung ist ausgeschlossen (Ausnahmen gelten allein für Personen in Ausbildung). Zudem muss der Mietzins in einem angemessenen Verhältnis zur finanziellen Situation der Mieter stehen. Während bisher allein das steuerbare Einkommen den Ausschlag gab, nennt die neue Verordnung hier neu zusätzlich auch das steuerrechtlich massgebende Vermögen.
Dem aufmerksamen Leser fällt eine weitere kleine Änderung auf. In der heutigen Verordnung wird im Falle von mehreren in Betracht kommenden Bewerbungen festgehalten: «Personen, die mit Kindern zusammenleben, geniessen Vorrang.» In der neuen Verordnung fehlt dieses Kriterium (vgl. nebenstehendes Interview mit Stadtrat Leupi). Da die detaillierten Vergabekriterien in einem ausführlichen Mietreglement festgehalten werden, dessen Erarbeitung erst nach der Genehmigung der Verordnung durch den Gemeinderat erfolgt, gilt es, zu einem späteren Zeitpunkt hier noch einmal genau hinzusehen.

Kontrolle
Die neue Verordnung ermöglicht neu die periodische Kontrolle der Vermietungskriterien. Dazu führt das neue Regelwerk zum einen eine Meldepflicht des Mieters bei einer sich verändernden Belegung oder bei einer Verlegung des Wohnsitzes ein. Zum andern sollen regelmässige Kontrollen stattfinden (voraussichtlich alle zwei Jahre). Auf eine regelmässige Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse hingegen wird verzichtet. Die Stadt geht einleuchtenderweise davon aus, dass sich diese Problematik aufgrund durchgesetzter Kriterien bei der Belegung in aller Regel von selbst löst: Mit der grösseren Finanzkraft einer Person steigt erfahrungsgemäss nämlich auch deren Platzbedarf an.
Für bestehende Mietverhältnisse gilt eine Übergangsfrist von fünf Jahren. Damit haben Mieterinnen und Mieter, die heute unterbelegten Wohnraum beanspruchen, genügend Zeit, sich auf die neue Situation einzustellen.

Akzeptanz im Quartier
Hört man sich im Quartier um, kann man einen recht breiten Konsens feststellen: die Zürcher Altstadt soll dicht bewohnt, belebt und sozial gut durchmischt sein. Das bedingt auch ein breites Angebot an günstigem Wohnraum. Ältere Bewohnerinnen und Bewohner erlebten den dramatischen Einwohnerschwund ab den 60er-Jahren und haben sich – zum Beispiel im Kampf um den Wohnanteilplan – dagegen gewehrt. Heute ist dieser Trend gestoppt und auch der Kinderanteil im Quartier konnte wieder leicht erhöht werden. Dazu hat nicht zuletzt die Vermietungspolitik der Liegenschaftenverwaltung beigetragen, die in dazu geeigneten Wohnungen Familien bevorzugte. Nun haben Familien die natürliche Angewohnheit, zu wachsen, um nach dem Flügge werden der Kinderschar wieder zu schrumpfen. Dass gegen die damit einhergehende Unterbelegung vorgegangen wird, ist richtig und – wenn umsichtig und mit einem Gespür für Härtefälle vorgegangen wird – auch zumutbar.
In diesem Sinn begrüsst auch der Quartierverein Zürich 1 rechts der Limmat die neuen Verordnung: «Für uns ist es wichtig, dass unsere Mitglieder in einem lebendigen, sozial gut durchmischten Quartier leben und arbeiten können. Der Quartierverein begrüsst deshalb die Bemühungen der Stadt, die Wohnungsvermietungspraxis sinnvoll zu reglementieren. Die im Erlass skizzierten Massnahmen sind unseres Erachtens die Richtigen. Insbesondere finden wir gut, dass vorgesehen ist, die Härtefälle würdig zu behandeln.»

Michael Schädelin


Nachgefragt bei Stadtrat Leupi
In der bis anhin geltenden Vermietungs-Verordnung wurde festgelegt, dass Personen, die mit Kindern zusammenleben, bei gleichwertigen Bewerbungen den Vorrang geniessen. Dieser Satz fehlt in der neuen Verordnung. Verbirgt sich dahinter eine Abkehr vom Willen, die Altstadt wieder mit Kindern zu beleben?

Daniel Leupi: Die neue Vermietungsverordnung regelt die Grundsätze der Vermietung. Das ergänzende Mietreglement des Stadtrats zur Umsetzung der Vermietungsgrundsätze soll erst nach dem Beschluss des Gemeinderats erlassen werden. Ganz grundsätzlich verfolgt der Stadtrat mit der neuen Vermietungsverordnung das Ziel, neben einer guten sozialen Durchmischung auch möglichst viele Wohnungen denjenigen Personen offen zu halten, die wirklich auch
Anspruch darauf haben. Dazu gehören natürlich auch Familien mit Kindern.
Zudem ist der Stadtrat im «Programm Wohnen» aktiv darum bemüht, gemeinnützige Wohnungen denjenigen Bevölkerungsteilen, unter anderen auch Familien, zur Verfügung zu stellen, die auf dem freien Markt schwierigeren Zugang zu Wohnungen haben.

Die Stadt Zürich ist unter hohem Finanzdruck. Bekennt sich die Stadt auch unter dieser neuen Voraussetzung zur Kostenmiete?

Daniel Leupi: Die Mietzinse sollen auch weiterhin auf der Kostenmiete beruhen. Die Stimmberechtigten der Stadt Zürich haben mit der Annahme von zwei Volksinitiativen zum Thema Wohnen in den letzten Jahren bekräftigt, dass die Wohnungen der Stadt Zürich nach dem Prinzip der Kostenmiete vermietet werden sollen. Eine willkürliche Anhebung des Mietzinses etwa wegen besserem Verdienst wäre damit nicht kompatibel.
Die Anpassung der Vermietungsverordnung geschieht nicht aus finanziellem Druck, sondern weil sich die Vorgaben der 1995 vom Gemeinderat beschlossenen Verordnung über die Grundsätze der Vermietung auf den Zeitpunkt der Vermietung beschränken. Eine Durchsetzung während des Mieterverhältnisses war nicht vorgesehen. Aus diesem Grund hat der Stadtrat die Kriterien für die Vermietung präzisiert und sieht neu eine regelmässige Kontrolle von Wohnungsbelegung und Wohnsitz im laufenden Mietverhältnis vor.