Einblicke in die Vergangenheit
Am Münsterhof wird emsig gearbeitet. Ein archäologisches Team des Amts für Städtebau der Stadt Zürich untersucht das Erdreich nach Spuren vergangener Zeiten. Die Zeit drängt, denn die Bauarbeiter folgen den Archäologen dicht auf den Fersen.
Der Münsterhof, so kann man sich vorstellen, war einst fast in seiner heutigen Ausdehnung von einem Gräberfeld eingenommen. Das war im Frühmittelalter, vom 8. bis 11. Jahrhundert. Dann wurde der Friedhof verkleinert und am Rand (Seite Büro Fürrer) wurden Häuser errichtet, von denen man bei früheren Grabungen Überreste fand. An der Nordfassade des Fraumünsters, zum Münsterhof hin, war ein Annexbau, ein Rundbau von dreizehn Meter Durchmesser, der wohl als Grab- und Reliquienkapelle genutzt wurde. Um 1300 wurde dieser Rundbau abgebrochen und der Friedhof verkleinert. Er erstreckte sich fortan nur noch als schmaler Streifen entlang dem Kirchenschiff, abgegrenzt durch eine hüfthohe Mauer, die unter anderem das Eindringen von Tieren verhinderte. Der Platz hatte damals fast die heutigen Ausmasse erreicht und wurde rege genutzt, wie auch die Darstellung auf dem Murerplan von 1576 zeigt. Er hatte seit jeher eine grosse Bedeutung für die Stadt. Hier wurde der König von der Äbtissin empfangen, hier fanden auch nach der Reformation und bis in die Gegenwart immer wieder wichtige Veranstaltungen statt. – Der Friedhof wurde Mitte des 19. Jahrhunderts aufgehoben.
Seit anfangs März sind hier archäologische Grabungen im Gang. Sie werden das Wissen um das damalige Leben in der Stadt Zürich wesentlich ergänzen.
Auf einem Rundgang gibt Jonathan Frey Einblick in die bisherigen Arbeiten. Er ist Projektleiter bei der Archäologie des Amts für Städtebau, insgesamt arbeiten rund zwanzig Personen am Projekt Münsterhof mit, vom Grabungsleiter bis zum Fotografen.
Bereits viele Funde
Vor der Münsterbrücke ist man auf eine Mauer gestossen, welche vermutlich die auf dem Murerplan sichtbare Schiffanlegestelle begrenzte. Von hier aus zieht sich der Werkleitungsgraben auf der ganzen Länge des Kirchenschiffs hin. Bereits haben die Mitarbeitenden die Friedhofmauer freigelegt, die in einigen Metern Abstand zur Kirche verläuft. Vor dem Nordportal der Kirche sind Sandsteinquader zum Vorschein gekommen, die als Treppenstufen vom Friedhof zum etwas tiefer liegenden Platz geführt haben. Ebenso ans Tageslicht gelangt sind – die Schicht mit den Tramgleisen aus dem 19. Jahrhundert ist bereits abgetragen – Bodenplatten aus Ton von Gebäuden vor der Kirche, die als Krämerläden und vermutlich auch als Werkstätten gedient haben. Bereits sind auch Reste der erwähnten Rundkapelle zum Vorschein gekommen.
Die Grabungsarbeiten der Archäologie des Amts für Städtebau sind den eigentlichen Bauarbeiten vorangestellt und müssen bis zum Baubeginn in einem bestimmten Abschnitt beendet sein. An wöchentlichen Koordinationssitzungen wird jeweils der Stand der Dinge erörtert.
Anspruchsvolle Auswertungen
Die archäologischen Rettungsgrabungen erstrecken sich über den ganzen Münsterhof und dauern bis Ende September.
Dabei wird man immer wieder auf Gräber stossen. Ebenso erhofft man sich Aufschluss über frühere Siedlungen, die bis in die römische Zeit zurückreichen könnten.
Die Grabungsarbeiten und das minutiöse Dokumentieren der Funde und Befunde gestalten sich aufwendig. Die Vielzahl der gewonnenen Informationen auszuwerten, verknüpft mit den Ergebnissen der Grabungen am Stadthausquai vom letzten Jahr, all die Puzzleteile zu einem Ganzen zu fügen, das wird die herausforderndste Aufgabe sein.
Elmar Melliger
Der neue Münsterhof
Der Münsterhof wird autofrei. Die 55 Parkplätze werden aufgehoben und in der Fraumünsterstrasse respektive im Parkhaus Opéra kompensiert. Ebenso wird ein Fahrverbot für den motorisierten Verkehr erlassen, die Zufahrt für die Anlieferung bleibt gestattet. Somit wird der Platz frei für andere Nutzungen.
Im Zuge der Neugestaltung werden Tiefbauarbeiten ausgeführt. So wird die Platzentwässerung neu organisiert, bestehende Werkleitungen werden erneuert, eine neue Brunnenstube wird erstellt, der Brunnen gesetzt und ein Unterflurcontainer platziert.
Die Platzgestaltung erfolgt zurückhaltend. Deren Hauptmerkmale sind ein Brunnen, Sitzgelegenheiten, eine neue Beleuchtung nach dem Plan Lumière sowie verschieden verlegte Pflastersteine aus dem ortsüblichen Guberstein, wodurch der Eindruck eines zentralen und eines peripheren Teils entsteht. Die Hauptarbeiten sollen bis Ende Oktober, die Oberflächengestaltung bis Ende November abgeschlossen sein.
Kulturelle Veranstaltungen sollen nicht mehr als an rund 110 Tagen im Jahr stattfinden. Über deren Bewilligung entscheidet der Stadtrat.
Im ehemaligen Eingang zum Fraumünster ist eine kleine Ausstellung zur Archäologie und zur Neugestaltung des Münsterhofs zu sehen.
AK