Die meistbesuchte Galerie

An der Fortunagasse, inmitten der Altstadt, direkt an der Lindenhofmauer, steht ein Holzschuppen, der es in sich hat. Davon kann man sich jederzeit selbst überzeugen. Der kreative Kopf dahinter ist Mark Ofner, ein Tüftler auf hohem Niveau.

Nach drei Jahren Nachbarschaft mit der Strassengalerie Ofart an der Fortunagasse bin ich eines Morgens mit frischen Gipfeli zum Künstler gegangen. Freudig hat er sich als Mark Ofner vorgestellt und mir im Gegenzug einen Kaffee angeboten, frisch in einer Mokka-Kaffeekanne aufgesetzt.
Die Galerie befindet sich in und an einem der früher als Holzlager dienenden Schuppen am Fusse der Befestigungsmauer des Lindenhofs, wo die Kaminfegergasse auf die Fortunagasse trifft. Die Schuppen gehören zu den angrenzenden Häusern, der Boden der Stadt. Der Besitzer des Holzschopfs, Martin Tschümperlin, hat Mark Ofner die Räumlichkeit für eine Dauerausstellung zur Verfügung gestellt.
Die Ofart-Galerie ist auf eigene, private Initiative, ohne öffentliche Gelder entstanden und wird auch so betrieben. Der Name Ofart kann vieles bedeuten und selbst Mark Ofner will sich nicht auf etwas festlegen. Von Of(ner)art, über of(f) art bis hin zu einer japanisch-englischen Wortkombination, in der das O das japanische Zeichen für gross ist, geht die Auswahl. – Eigentlich passt das Wort Galerie nicht zu dem, was man bei einem Besuch antrifft. Keine polierte Böden und weissen Wände, auf denen Kunstwerke präsentiert werden, vielmehr handelt es sich um eine Werkstatt, die sich dann gleichzeitig als Ausstellungsobjekt präsentiert. Durch den Platzmangel finden viele Arbeiten gezwungenermassen draussen auf der Gasse statt.
So auch meine Kaffeepause mit Mark Ofner. Wir sitzen gemütlich an einem Arbeitstisch aus Holz und geniessen die Morgensonne. Immer wieder werden wir gegrüsst und Mark Ofner stellt mir einen Nachbarn nach dem anderen vor, die ich bis anhin höchstens vom Sehen her kannte. Ist es das, was Mark Ofner auf seiner Homepage (www.markofner.ch) als interaktiv beschreibt?

Sich als Kapitän versuchen
Die Ofart-Galerie zeigt Werke von Zis­ka Laux, Sylvette Nick und Andi Hoffmann. Rund um diese Werke inszeniert, verknüpft und gestaltet Mark Ofner. Er sieht sich selbst nicht als Künstler, sondern als Elektroniker, als jemand, dem sein Handwerk unglaublich viel Spass zu machen scheint und der sein Können mit dem Erzählen von Geschichten zeigt. Zurzeit die Geschichte «Concordia n’existe pas». Aussen am Holzschopf ist ein Steuerruder angebracht, über diesem ein Schlitz, um in das Innere des Holzschopfs zu schauen. Dort befindet sich ein See, dessen Wasser von der Limmat durch das Gewicht des Hafenkrans durch ein Höhlensystem bis in die Gemäuer des Lindenhofs hochgedrückt wurde und von dort durch ein altes römisches Heizsystem in das Becken im Schopf gelangt. Auf dem See schwimmt ein Raddampfer, der mittels Betätigung des Steuerruders an verschiedenen Häfen anlegen kann. Durch geschicktes Drehen des Ruders nach links und nach rechts, mal langsam, mal schnell, können mit ziemlicher Präzision die Anlegestellen angesteuert werden. Mit dem Steuerruder bedient man sozusagen auch den Motor. Durch das Anlegen führt ein Impuls zu einer Videobotschaft auf einem Bildschirm über der Installation. Während man auf See ist, übermittelt der Bildschirm direkt die Sicht des Schiffes oder der Crew auf dem Schiff, was übrigens das Manövrieren des Schiffes um einiges leichter macht.
Betrachtet man die Ofart-Galerie als Gesamtwerk, bin ich persönlich auch ein bisschen irritiert. Es sieht zunächst etwas nach Flickwerk und konzeptloser Bastelei aus. Die Materialien sind fast ausschliesslich Recycling­stücke, die neu zusammengesetzt oder zweckendfremdet werden, so zum Beispiel Vinylschallplatten als Räder des Raddampfers. Oder ein ­ausrangiertes und umfunktioniertes Lichtsignal, eine Verkehrsampel, in der Achse der Kaminfegergasse montiert, welches manch einem Touristen die Entscheidung abnimmt, nach rechts zum Rennweg oder nach links zum Lindenhof zu gehen.

Komplexe Systeme
Was dieses Sammelsurium von Materialien und Objekten aber zusammenhält, sind Elektroimpulse und ausgeklügelte Programmierungen. Sei es die aus Rohren gebildete Figur, die den Strom vom Nachbarhaus in den Schuppen bringt oder das komplexe Steuerungssystem des Raddampfers, alles ist ähnlich dem menschlichen Nervensystem miteinander verbunden und macht so aus den vielen, der Schönheit oft nicht verpflichteten Einzelteilen ein Ganzes oder besser gesagt eine Maschine, die durchaus charmant ist.
Diese direkte und pragmatische Art zu gestalten reibt sich auch in angenehmer Weise mit dem allzu pitto­resken Altstadt-Postkarten-Bild, welches jahrein, jahraus Tausende von Besuchern in unsere Stadt lockt.
Ob dies nun Kunst ist oder nicht, sei hier offen gelassen, auch deshalb, weil diese Frage Mark Ofner überhaupt nicht interessiert. Fakt ist jedenfalls, dass, ob gross oder klein, jung oder alt, Polizist oder Tourist, fast niemand, der die Fortunagasse herunter- oder heraufschlendert, an der Ofart-Galerie vorbeigeht, ohne zu schauen, zu staunen oder zu steuern. Dies macht sie wahrscheinlich zur meistbesuchten Galerie in Zürich.

Andri Gartmann