«Äs Dach, öppis z’Ässe, en Mänsch…»

Am 24. Oktober feiert die Heilsarmee Zürich Altstadt ihr 100-jähriges Bestehen. Heute ist das Begegnungscafé «Gelber Stern» an der Schoffelgasse längst fester Bestandteil des Quartiers.

Bis die Heilsarmee in Zürich Fuss fassen konnte, hatte sie einiges an Widerstand zu überwinden. Argwohn und Feindseligkeit schlugen den ersten Salutisten in unserer Stadt entgegen, die Medien berichteten über sie in ähnlichem Tonfall wie über die Plage der Reblaus, die damals ganz Europa heimsuchte. 1885 fand eine erste Versammlung der Heilsarmee in einem Saal beim Klusplatz statt, der Zulauf war enorm, draussen machten die Gegner Radau. Erst später erkannte man die sinnvolle Tätigkeit der Heilsarmee auf sozialem Gebiet, was zu einem Umschwung der öffentlichen Meinung führte.

Im Dezember 1904 eröffnete die Heilsarmee in der Altstadt ihr viertes Lokal, «Zürich IV». Dieses befand sich an der Froschaugasse 8. Hier sollten die Leute einen gemütlichen Abend verbringen können, anstatt in der schlechten Luft der Wirtschaften schlechten Einflüssen ausgesetzt zu sein. Die Träger der Uniform bekennen sich zum christlichen Glauben und verzichten auf Suchtmittel, also auf Alkohol und Tabak.

Später dislozierte man an die Spiegelgasse 29, in den Grimmenturm, wo im Parterre ein Saal Platz für 150 Personen bot, 90 Mitglieder waren registriert. In diesem Raum befindet sich gegenwärtig «Miroir des Modes», in der Wohnung darüber wohnt die Familie Leiser. Leisers sind zuständig für die Heilsarmee Zürich Altstadt.

Der «Gelbe Stern»
In den Sechzigerjahren erfolgte der Umzug an die Schoffelgasse 13, wo das Begegnungscafé «Gelber Stern» bis heute nach seinem Motto existiert: «Äs Dach, öppis z’Ässe, en Mänsch wo dr zuelost.» Gottesdienste werden hier keine mehr angeboten. Hingegen findet man Montag, Donnerstag, Freitag und Samstag von 19 bis 22 Uhr offene Türen und ein offenes Ohr. Am Sonntag ist das gemütliche Lokal von 18 bis 22 Uhr geöffnet.
Hans-Peter und Monika Leiser sind seit zehn Jahren hier, für die Heilsarmee wirken die beiden Offiziere im Majorsrang seit 1988. Zu ihren Aufgaben gehört die Gassenarbeit und das Unterhalten des «Gelben Sterns», einer Art Gassenküche. Hier ist jedermann willkommen, hier finden auch Suchtkranke, psychisch Kranke und einsame Seniorinnen und Senioren Zuflucht. «Jegliche Art von Leuten, die am Rand der Gesellschaft leben», sagt Monika Leiser. Wenn es angezeigt erscheint, weisen Leisers auch mal jemanden weiter, an eine geeignete Institution. Daneben sucht Monika Leiser Prostituierte auf der Gasse auf und bietet ihnen Unterstützung an. Auch im «Gelben Stern» macht die Beratung einen grossen Teil der Arbeit aus. Einmal pro Monat am Sonntag veranstaltet Hans-Peter Leiser eine Andacht, einfach während des Essens, so ungezwungen wie möglich.

Breit abgestützt
Hans-Peter Leiser bereitet jeweils eine warme Mahlzeit zu, die für drei oder sechs Franken (vegetarisch oder mit Fleisch) angeboten wird: «Eine Suppe und ein Getränk ist immer umsonst zu bekommen, und wenn wir haben, auch Sandwiches und Früchte.» Die Speisen bezieht man von der «Schweizer Tafel» oder erhält sie von Betrieben aus dem Quartier geschenkt. Überhaupt ist die Heilsarmee für ihre Tätigkeit auf Spenden angewiesen. Diese stammen aus der Jahressammlung, aus Topfkollekten, aus Vortragstätigkeit, von Kirchgemeinden, auch kommt Geld vom Kuchenstand am Martinimarkt, vom Weihnachtsmarkt und vom Singen in Restaurants. Eine grosszügige Spende ermöglichte vor einem Jahr den Umbau von Küche und Toilette, auch ein neuer Boden wurde verlegt.

Durchschnittlich 15 bis 40 Personen pro Tag kehren hier ein, am Sonntag sind es bis zu 50 Personen. Eine Zusammenarbeit pflegt man mit dem Café Yucca der Zürcher Stadtmission
an der Häringstrasse.

Monika und Hans-Peter Leiser und ihre Familie sind im Quartier gut verankert und nicht mehr wegzudenken. Wenn sie auch eines Tages zu einer anderen Aufgabe abberufen werden könnten. Hoffen wir, dass das noch lange nicht der Fall sein wird!

Elmar Melliger