«Musik ist mein Leben»

Der Altstadtbewohner Düde Dürst wird demnächst 70. Er lehnt sich nicht in den Sessel zurück, sondern er gibt Gas, mit seinem Soloprojekt «Back to the Groove», eine Tournee mit neun Konzerten. Der Altstadt Kurier hat ihn besucht.

Nicht dass Düde Dürst den «Groove» je verlassen hätte, wenn er sein Projekt «Back to the Groove» nennt. Der musikalische Weltenbummler aus der Altstadt ist bis heute ein Vollblut-Schlagzeuger geblieben. Und er ist nach wie vor der Drummer der Kult-Band «Les Sauterelles» sowie bei den «Smile!», einem seit fünfzehn Jahren bestehenden Trio, das Jimmy Hendrix und «Cream» im Repertoire hat.
Angefangen hat das ja vor Jahrzehnten. – Wir sitzen in Düde Dürsts Atelier an der Spiegelgasse, gleich neben seiner Wohnung. Auf dem Tisch ein Computer mit grossem Bildschirm. An den Wänden Gestelle, von oben bis unten mit CDs und LPs gefüllt, jeweils nach Musikstil geordnet, dazwischen hängen Plakate. – «Ich war ein Schlüsselkind», beginnt Düde zu erzählen. Die Eltern hatten eine Bodenreinigungsfirma, das heisst, dass sie nach Betriebsschluss die Böden von Postgebäuden und in der Nacht die von Gastlokalen mit der Maschine gereinigt haben. Tagsüber mussten sie ruhen. Womit wir beim Thema wären: «So war ich früh selbständig. Allerdings habe ich nie Hausaufgaben gemacht, hatte Probleme in der Schule.» Er ist mit Jazz aufgewachsen, den seine beiden älteren Geschwister immer hörten. Nach der Schulzeit hat Düde im Grafikatelier seines Bruders die Lehre begonnen, einen Tag die Woche war er an der Kunstgewerbeschule, wo er oft den Unterricht geschwänzt hat.

Profi-Musiker
Für Musik hat er sich schon immer interessiert, zuerst hat er Posaune gelernt. 1963, als Schulfreunde für die Band «Starlights» einen Schlagzeuger suchten, hat er eine Woche geübt und dann gings los: Beat-Musik war angesagt. «Ich war immer Autodidakt, habe nie eine Stunde genommen.» Anfangs viertes Lehrjahr, er spielte bei den «Counts», kam es zu einer schicksalsschweren Entscheidung. Ihm drohte an der Kunstgewerbeschule der Rauswurf. Gleichzeitig, seine Band probte wie «Les Sauterelles» im Gemeinschaftszentrum Heuried, wurde deren Leader Toni Vescoli auf Düde aufmerksam und bot ihm an, bei den «Sauterelles» einzusteigen: «Aber Achtung, das wäre dann profimässig, keine Zeit für anderes!» Die Familie unterstützte Düdes Entscheid, sich ganz der Musik zu widmen. Düde war achtzehn, die «Sauterelles» existierten seit zwei Jahren und waren bereits die populärste Schweizer Beat-Band. «Von da an ist für mich die Welt aufgegangen!», schwärmt Düde mit leuchtenden Augen, «Musik ist mein Leben.» Es folgte eine intensive Zeit. «Von 1965 bis 1967 sind wir jeden Tag aufgetreten!» Das heisst, kaum zu glauben, 365 Tage im Jahr, um die Festtage herum bis zu drei Auftritte an einem Tag. Anderthalb Jahre waren sie in Milano stationiert, gingen auf Tournee, als Vorgruppe von Adamo, Antoine, Adriano Celentano, in Italien, Frankreich, der Tschechoslowakei und so fort. 1967, als die Rolling Stones zum ersten Mal in der Schweiz auftraten, bei dem legendären Konzert im Hallenstadion, bei dem alles demoliert wurde, da hiess die Vorgruppe: «Les Sauterelles»! Düde: «Da wurde stark übertrieben in der Presse von wegen demoliertem Mobiliar: Das waren Klappstühle und mit einem Fusstritt lagen die am Boden. Zudem hat die Polizei provoziert mit ihren Schäferhunden, und so hat es einen kleinen Tumult gegeben…» 1968 waren die «Sauterelles» mit ihrer Platte «Heavenly Club» acht Wochen die Nummer 1 in der Schweiz, haben die Beatles und die Rolling Stones verdrängt. In dieser Zeit wohnte Düde sporadisch in der WG 1 am Hechtplatz. Da, auf der Spitze des Erfolgs, ist Düde bei den «Sauterelles» ausgestiegen, er wollte seine eigene Musik machen.

Musik und Grafik
Mit Hardy Hepp hat er anfangs 1969 die Gruppe «Krokodil» gegründet: Underground, Psychedelic Rock, Progressive Rock. «Das war die Zeit, als LSD aufkam, das haben wir ausprobiert.» Bei dieser Band waren achtzig Prozent Eigenkompositionen und die restlichen zwanzig Prozent neu gestaltete Covers, wogegen die «Sauterelles» achtzig Prozent coverten, unter anderem die Beatles nachspielten. Nach einem Jahr stieg Hardy Hepp aus (und machte als Solokünstler weiter) und Düde wurde Bandleader, ­Manager, hat Verträge abgeschlossen, Gigs abgemacht: «Da habe ich viel gelernt.» Das war in den Jahren 1969 bis 1975. «Krokodil» war die Vorband von Pink Floyd, Uriah Heep, an Open-Air-Festivals. «1975 hab ichs aufgelöst, weil die Discowelle losgegangen ist, mit DJs, die anstelle einer Band den Laden füllten.» Er gründete noch das Duo «Feelin’ Good» und beendete seine Profilaufbahn 1976.
Als zweites Standbein hat er immer die Grafik behalten. Er hat alle Plattenhüllen und Plakate der eigenen Band sowie für andere gemacht, was ihm viele Connections zu Plattenfirmen brachte. Das war sein Glück und das zweite Bein wurde zum ersten, und er grinst: «Ich habe Hüllen und Plakate gemacht für Klassik, Rock, Ländlerkapellen…» Daneben spielte er immer Schlagzeug in diversen Formationen.
Bereits 1974 hat er seine Frau Regula kennengelernt, und 1979/1980 mit ihr eine neunmonatige Reise durch Amerika unternommen. – 1981 stiess er zu «Jo Geilo and the Heartbreakers», eine Soul-Funk-Band, deren ­Leader er wurde. Damit wurde er für zehn Jahre wieder Halbprofi, wobei das Haupteinkommen von der Grafik kam, denn als frischgebackener Fa­milienvater hatte er nun zusätzliche Verantwortung zu tragen.

Dinosaurier-Band
Mit den «Sauterelles» (deren erster Manager übrigens Fredy Burger war) hat es einzelne Revivals gegeben, bis es 1993 zur Reunion in alter Formation kam. Seither spielen die vier ­Musiker durchschnittlich zwei Gigs pro Monat: «Wir sind eine Dinosaurier-Band!» Freddy Mancili ist mit 75 Jahren der Älteste, gefolgt von Toni ­Vescoli (72) und Düde (70). «Peter Glanzmann ist unser Youngster, mit 65 Jahren, unser Bub.» Spitzbübisches Grinsen.
Alle zwei Jahre wird in Liverpool eine Beatleweek veranstaltet, an der 350 Bands aus der ganzen Welt teilnehmen, um die Musik der Beatles zu spielen. So auch die «Sauterelles», die schon drei Mal mit Fans aus der Schweiz anreisten. Zuerst spielen sie – als mit 54 Jahren älteste Originalformation – jeweils im «Cavern Club», in dem die Beatles aufgekommen sind, sodann täglich in einem anderen Club. Zur ersten Beatleweek kamen 60, dann 90, zuletzt 120 Fans aus der Schweiz. «Für 2017 hat es bereits so viele Anmeldungen, dass wir ein eigenes Flugzeug chartern!» (Es gibt keine Direktflüge nach Liverpool.)

«Back to the Groove»
Düde, der noch wie ein Junger sein Schlagzeug bearbeitet, spürt das ­Alter schon auch. Doch er sagt: «Ich habe es in meinem Leben siebzig Jahre eigentlich ‹uh huere guet› gehabt! Solange ich trommeln kann, bin ich glücklich.»
Seit fünfzig Jahren wohnt Düde in der Altstadt, seit 1974 zusammen mit seiner Frau Regula, an der Ankengasse, Predigergasse und seit 33 Jahren an der Spiegelgasse. Hier sind auch ihre drei Töchter aufgewachsen.
Vor sieben Jahren hat Düde sein ers­tes «Back to the Groove»-Soloprojekt auf die Beine gestellt. Die Musik ­gespielt, die ihm gefällt, mit super Musikern.
In wenigen Tagen startet die Tournee zu «Back to the Groove 2». Düde hat ­dafür die Musik komponiert, arrangiert, produziert. Er hat die Band zusammengestellt, Musiker für sein Projekt gewinnen können. Hat die Grafik gemacht, die Tournee geplant. Er hat viel Zeit investiert und lacht: «Das Glück dabei ist, dass ich das gern mache! Es ist mein Geschenk an meinen 70. Geburtstag.»

Elmar Melliger

«Back to the Groove», das sind neun Konzerte in der Deutschschweiz, am 3. und am 21. November (Geburtstag!) in Zürich, mit bekannten Schweizer Musikern. Dazu ist eine CD erschienen. Siehe auch Inserat auf Seite 7 und www.back-to-the-groove.ch.