Ein Fenster zur Nacht

Am Samstag, 29. April, veranstaltet die Bar- und Club-Kommission (BCK) einen Tag der offenen Bar- und Club-Tür in der Altstadt, mit ­einem vielfältigen Programm und einer Podiumsdiskussion am Abend. Der Altstadt Kurier hat mit Alexander Bücheli, Generalsekretär der BCK, gesprochen.

Wer ist die BCK und was bezweckt sie?
Alexander Bücheli: Die BCK ist ein 2011 gegründeter Verein, eine Interessengemeinschaft von Nachtkulturunternehmungen, also Betrieben mit verlängerten Öffnungszeiten, auch Nachtcafés genannt. Die BCK ist ­Verhandlungspartner gegenüber den Behörden und setzt sich für gelebte Ko­existenz, etwa im Umgang mit Nachbarschaftskonflikten, ein.

Sie planen einen Tag der offenen Tür, wozu?
Wir möchten die Leute einladen, bei Tageslicht einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Besonders Nachbarn, aber auch Eltern von Jugendlichen. Wir möchten die Leute ein­laden zum Austausch und zeigen, was alles dahintersteckt. Es reicht nicht mehr, zwei Boxen in den Raum zu stellen und Club an die Eingangstür zu schreiben.

Womit befassen Sie sich in der Altstadt?
Wir möchten das Nachtleben attraktiv machen. Bis 22, 23 Uhr ist hier viel los, danach ziehen die Jungen weiter an die Langstrasse. Wobei das Kleinräumliche sowohl Reiz als auch Problem ist: enge Gassen, alte Häuser, teure Wohnungen. Die Gentrifizierung spielt eine wichtige Rolle.

Inwiefern?
Die Lärmtoleranz von jemand, der 5000 Franken Miete zahlt, ist anders als wenn man eine günstige Wohnung hat. Teilweise auch deshalb, weil dort eher Jüngere wohnen, die weniger ­lärmempfindlich sind. Wobei es in einem grossen Teil der Altstadt nachts ruhig ist und Nachtlärm oft durch den Verkehr verursacht wird. Trotzdem wird das Nachtleben zunehmend als Lärmverursacher verdrängt. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns aktiv mit der Stadt über Reglementierungen und Vorschriften auseinandersetzen, damit Nachtleben weiterhin auch im Dörfli existieren kann.

Wie hat sich das Nachtleben in Zürich, in der Altstadt in den letzten Jahren verändert?
In der Altstadt ist das Angebot leicht rückläufig, wobei es grosse Umbrüche gab bis vor etwa zehn Jahren: ­Seither ist es relativ stabil. Wir merken aber, dass das Niederdorf eine gewisse Nachtattraktivität ein­gebüsst hat. Man kommt hierher zum Essen und Trinken. Nach 23 Uhr wird es für die Bars und Clubs dann schwieriger.

Wie hat sich das Publikum verändert?
Das Niederdorf war immer attraktiv für auswärtige Gäste aus der ganzen Schweiz und ist es immer noch. Spätabends geht man eher an die Langstrasse oder nach Zürich West. Einheimische trifft man leider weniger an. Früher hat man mal am Central abgemacht und ist dann durchs Niederdorf gezogen.

Zum Thema Lärm: Welchen Anteil ­daran sehen Sie bei den Bars und Clubs?
Grundsätzlich ist zu sagen, dass ein ruhiges Nachtleben eine Illusion ist. Wo gelebt wird, gibt es Lärm. Selten aber ist dies das Problem eines einzelnen Betriebs, weil die Musik zu laut ist. Sondern es sind die Gäste, die rausgehen, um zu rauchen, oder die sonst auf den Gassen unterwegs sind. In der Schweiz haben wir eine relativ kleine Nachtlärmbelastung verglichen beispielsweise mit Spanien, wo alles viel lauter ist. Aber wenn man selber betroffen ist, ist dies natürlich eine belastende Situation.

Wie gehen Sie bei der BCK um mit der Problematik?
Wir empfehlen den Betrieben, pro­aktiv zu sein. Also den Kontakt mit den Nachbarn zu suchen, Ansprechpersonen zu definieren und eine Telefonnummer anzugeben. Die Erfahrung zeigt, dass gemeinsam erarbeitete ­Lösungen nachhaltiger sind als zum Beispiel Lärmklagen bei der ­Polizei.

Was sagen Sie zu den liberalisierten Öffnungszeiten, dazu, dass immer Betrieb ist?
Es ist ein Bedürfnis des Menschen, auch in der Nacht zu leben. Würde man um 24 Uhr Polizeistunde machen, würde das einfach im Untergrund oder im öffentlichen Raum stattfinden. In Paris gibt es sogar einen Nachtbürgermeister als Teil der offiziellen Regierung, als Ansprechperson für Anliegen in der Nacht.

Welche Rolle spielt der öffentliche Verkehr?
Neben der Liberalisierung des Gastgewerbegesetzes hatte die Einführung des Nachtnetzes die grössten Auswirkungen auf das Nachtleben. Heute sind es 50 000 bis 60 000 Leute, die in Zürich in einer Wochenendnacht in den Ausgang gehen.

Probleme machen tatsächlich oft Nachtschwärmer im öffentlichen Raum.
Das ist Vor- und Nachteil in der Altstadt: Es gibt hier malerische Ecken und Plätzchen wo man sich dann niederlässt. An den «Kiosken» kann man sich ja gut mit Alkohol einde­cken. Das ist in Bezug auf den Nachtlärm wohl das grösste Übel. Dennoch finden wir, dass Einschränkungen, etwa ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot, nicht der richtige Weg ist.

Unabhängig davon kann man ja trotzdem Verbesserungen anstreben.
Ja, zur Good Practice sollte gehören, dass man sich auch ums Umfeld kümmert, zum Beispiel am Morgen kurz aufräumt und dass die Sicherheitsleute in der Nacht auch draussen präsent sind. An der Langstrasse haben wir mit allen Betrieben letztes Jahr ­eine Kampagne gemacht mit Slogans wie «Vor der Bar ist vor dem Nachbar». Dabei ist es um Lärm, Littering oder Wild-Pinkeln gegangen. Wir finden, man sollte statt über Regulierungen über das gemeinsame Zusammen­leben, den Dialog und die gegenseitige Rücksichtnahme Verbesserungen anstreben. Dazu gehört auch, dass wer ins Niederdorf zieht, sich auseinandersetzen sollte damit, was ihn erwartet. Es macht uns Mühe, wenn ein Neuzuzüger sich über Nachtlärm im Niederdorf beschwert oder über einen Betrieb, der lange schon ohne Probleme existiert.

Was würden Sie sich wünschen für die Zukunft, in der Altstadt?
Dass die liberale Haltung und Gesetzgebung bezüglich Nachtleben beibehalten wird. Dass es keine fixe Schliessungsstunde gibt. Damit nicht um 4 Uhr plötzlich alle auf der Strasse stehen, das gäbe Lärm und Konflikte. Diese Praxis hat sich bewährt. – Für das Niederdorf hoffe ich, dass auch einheimische Partygänger wieder vermehrt den Weg in die Altstadt finden, weil es auch hier attraktive Angebote gibt.

Nochmals zum Aktionstag: Wen wollen Sie damit ansprechen?
Der Tag der offenen Tür richtet sich an alle, die ein Interesse am Nachtleben und an der Thematik haben. Alle sind willkommen, insbesondere hoffen wir, dass Nachbarn den Weg finden und sich am Austausch beteiligen. Es gibt ja am Abend auch ein Podiums­gespräch.

Was erwartet die Besucherinnen und Besucher?
Ein einmaliger Blick hinter die Kulissen. Es gibt eine Vielzahl von speziellen Angeboten, von Vorträgen, musikalischen Darbietungen über politisch-kulturelle Diskussionen bis hin zu Degustationen. – Es ist eine Ein­ladung, bei Tageslicht in die Magie der Nacht einzutauchen.

Interview: Elmar Melliger


Tag der offenen Tür
Der (gesamtschweizerisch durchgeführte) Tag der offenen Bar- und Club-Tür findet statt am Samstag, 29. April. Von 14 bis 18 Uhr gibt es Besichtigungen, Führungen, Degus­tationen, Performances und Work­shops. Von 18 bis 21 Uhr finden im Cabaret Voltaire Referate und (um 19.30 Uhr) eine Podiumsdiskussion unter dem Titel «Gute Nacht, Niederdorf?» statt. Nähere Angaben zum umfangreichen Programm finden sich unter www.bckzh.ch.