Häuser mit Geschichte

Das Alterszentrum Bürgerasyl-Pfrundhaus hat seine Wurzeln im 19. Jahrhundert. Genauer gesagt wurde das Pfrundhaus 1842, das Bürgerasyl 1877 eröffnet. Wobei die Geschichte eigentlich noch viel weiter zurückgeht.

Im Jahr 1221 findet sich der Ursprung des Pfrundhauses. Das alte Pfrundhaus St. Jakob an der Sihl stand beim Stauffacher, war also sozusagen der Vorgängerbau des heutigen Pfrundhauses. Bis zuletzt war es indessen kein reines Altersheim, denn die jüngsten Bewohner waren keine dreissig Jahre alt. Vielmehr war das Gebäude als Siechenhaus (für Aussätzige) erbaut worden. Man unterschied je nach eingebrachtem Besitz (Pfründe) zwischen Herrenpfündern, die ein eigenes Gemach hatten, Mittel- und Siechenpfründern. Letztere waren in Gemeinschaftsräumen untergebracht und mussten arbeiten für ihre Kost und Logis. Überhaupt war man auf die Mitarbeit der Bewohnerinnen und Bewohner angewiesen, die im Haus in der Küche, beim Wäschewaschen etc. mithalfen. Ein Pfleger, fünf Bedienstete und ein Pfarrer bildeten das Personal des alten Pfrundhauses. Als die Gebäude in einem immer schlechteren Zustand waren, entschieden die Stadtbehörden, einen grosszügigen Neubau zu erstellen. Dieser war damals über der Stadt gelegen, die erst 40 000 Einwohner zählte.

Das neue Pfrundhaus
Nach dreijähriger Bauzeit konnte 1842 die Pfrundanstalt St. Leonhard eingeweiht werden, erbaut vom bedeutenden Zürcher Architekten Leonhard Zeugheer (1812-1866), der auch das Kantonsspital (zusammen mit Gustav Albert Wegmann), die Villen Schönberg und Wesendonck (heute Museum Rietberg), das Gesellschaftshaus zum Schneggen am Limmatquai («Gran Café»), das Hotel Bellevue und anderes mehr erbaut hat. Wer hier eintreten wollte, hatte seine Pfründe einzubringen, sein Hab und Gut, und erhielt im Gegenzug lebenslange Pension. Damals zählte das Pfrundhaus 100 Bewohner und acht bis zehn Angestellte. (Heute leben hier 50 Personen und ebenso viele im benachbarten Bürgerasyl mit total 85 Angestellten.)

Strenge Hausordnung
Eher ärmere Leute kamen hierher, etwa Bedienstete wohlhabender Zürcher. Sie hatten mitzuarbeiten in Küche und Haushalt, ebenso im grossen Garten und im unterhalb des Pfrundhauses und entlang der heutigen Weinbergstrasse gelegenen Weinberg.
Damals hatte jeder Bewohner pro Tag vier, jede Bewohnerin zwei Deziliter Wein zugut. Es herrschte eine strenge Hausordnung. Bis 1929 war es verboten, das Haus nach 21 Uhr ohne Erlaubnis zu verlassen, um 22 Uhr war Lichterlöschen. Zuwiderhandlungen gegen die Hausordnung wurden bestraft etwa mit der Streichung der Weinration über eine bestimmte Zeit oder mit «dem Entzug des Wochenfrankens». Seit 1965 sind alle Bewohnerinnen und Bewohner frei im Kommen und Gehen, heute haben alle einen eigenen Schlüssel. Im Garten wurden Gemüse und Blumen angepflanzt und auf dem Markt verkauft. Durch die Verbreiterung der Leonhardstrasse 1934 wurde der Vorgarten verkleinert. Im Jahr 1961 wurden die Zimmer mit Kalt- und Warmwasser ausgerüstet.
1971 wurde der letzte Pfrundvertrag unterschrieben, mit dem der ganze Besitz abgetreten werden musste. Dabei war jeweils darauf geachtet worden, dass jemand nicht kurz davor noch Familienangehörigen grosse Geschenke zukommen liess. Dafür erhielt man wie erwähnt lebenslange Kost und Logis. 1981 übernahm das Sozialamt der Stadt Zürich die Altersheime, die heute beim Gesundheits- und Umweltdepartement angesiedelt sind.

Weniger Regeln
Waren früher Haustiere verboten, darf man heute durchaus ein Haustier halten, sofern man selber dafür sorgen kann. (Es wird vereinbart, was zu geschehen hat, wenn man dazu nicht mehr in der Lage ist.) Immer wieder hat es daher Katzen im Haus, Vögel, eine Schildkröte, wie die Zentrumsleiterin Rosmarie A. Meier sagt. Die Hühner im Garten indessen gehören zum Haus. «Das Leben hat sich verändert, es gibt weniger Regeln als früher, die Leute sind viel freier.» Dass die Menschen heute in immer höherem Alter ins Alterszentrum eintreten, findet Rosmarie Meier schade: «Oft sind sie davor lange allein daheim, einsam. Teils sind sie dann sehr gebrechlich, wenn sie kommen. Man kann sich besser umgewöhnen, anpassen, wenn man etwas früher kommt.»

Gesamtsanierung
Vor 25 Jahren wurden im Zuge einer Gesamtsanierung die beiden klassizistischen Häuser, das Pfrundhaus und das 35 Jahre jüngere Bürgerasyl, zu einer Einheit zusammengefügt, baulich und betrieblich. Davor waren es unabhängig voneinander funktionierende Häuser mit eigener Heimleitung. Das Bürgerasyl hatte die Stadt übrigens erbaut, um auch den wohlhabenderen Bürgerinnen und Bürgern etwas Geeignetes anbieten zu können. In ebenso prächtiger Lage wurde es in direkter Nachbarschaft des Pfrundhauses errichtet. Architektin der Gesamtsanierung war Tilla Theus. In den 1970er-Jahren drohte den beiden Häusern übrigens der Abbruch, der durch Widerstand aus der Bevölkerung und des Denkmalschutzes verhindert werden konnte.

Anstehende Bauarbeiten
In fünfzehn Jahren ist bereits die nächste Gesamtsanierung geplant, so schnell vergeht die Zeit. Bereits früher, im nächsten Jahr, müssen einige bauliche Arbeiten vorgenommen werden, wie die Zentrumsleiterin Rosmarie Meier erklärt. So müssen die Heizung und Lüftung saniert, ein kleiner Balkon ausgebessert werden. Zwischen den beiden Häusern werden Schiebetüren eingebaut, was das Zirkulieren sehr erleichtert, ebenso soll beim Durchgang ein Regendach angebracht werden. Darüber hinaus ist im Garten ein Pavillon geplant, der vor Regen schützen und als Schattenspender dienen wird. Der Pavillon soll mit Pflanzen überwuchert werden. Bei diesen anstehenden Arbeiten können die Bewohnerinnen und Bewohner im Haus wohnen bleiben. Die Gesamtsanierung in fünfzehn Jahren wird dann einen temporären Umzug mit sich ziehen.

Elmar Melliger