Eine turbulente Zeit durchlebt

Im Quartier war es ein offenes Geheimnis: Der Haussegen in der reformierten Kirchgemeinde zu Predigern hängt schief. Das Verhältnis zwischen der Kirchenpflege einerseits und der Pfarrerin und eines Teils des Teams andererseits war zunehmend belastet und hat schliesslich zum Rücktritt der ganzen Kirchenpflege geführt.

Dass das Verhältnis zwischen der Kirchenpflege auf der einen und der Pfarrerin sowie eines Teils des Teams auf der anderen Seite nicht das Beste war, konnte im Quartier nicht verborgen bleiben. Offensichtlich wurde es, als der katholische Seelsorger Meinrad Furrer, der bei der Predigerkirche zur Pflege der Ökumene war (angestellt vom katholischen Stadtverband), vor einem Jahr die Kündigung einreichte. Und dies in einem Gottesdienst mit dem zerrütteten Verhältnis zur Pfarrerin Renate von Ballmoos und einem Teil des Teams begründete. Damals war die erste Mediationsrunde gerade gescheitert. Zwei weitere sollten folgten, die letztlich auch nicht zu einer markanten Verbesserung der Situation geführt haben.
Die Atmosphäre blieb gespannt, darüber auch nur zu reden heikel. Man war bemüht, nicht (noch mehr) Geschirr zu zerschlagen. Deshalb blieben die an die Öffentlichkeit dringenden Informationen spärlich, auch als es für ein Zusammenraufen der Beteiligten zu spät war.

Rücktritt in corpore
Die Kirchenpflege hat nämlich im August beschlossen, in corpore zurückzutreten. Dies nur etwas über ein Jahr bevor das Gremium ohnehin aufgelöst wird. Im Zug der städtischen Kirchenreform nämlich werden die 34 Kirchgemeinden zum Kirchenkreis Zürich zusammengeführt.
So fanden sich am 22. Oktober 22 Mitglieder der 600 Seelen zählenden Kirchgemeinde zur ordentlichen Kirchgemeindeversammlung in der Predigerkirche ein, dazu 55 Gäste. Eine ungewöhnlich hohe Zahl, die sich durch die Brisanz der Traktanden erklären lässt. «Schön, mal so viele Gäste hier zu sehen», scherzte die Kirchenpflege-Präsidentin Lisbeth Rüegg zu Beginn der Versammlung, obschon ihr gar nicht zum Scherzen zumute war. Denn sie hatte den Rücktritt der Kirchenpflege zu verkünden, was ihr nicht leicht fiel. – So verlas sie denn einen mit den Beteiligten abgesprochenen Text, der sich über die Gründe des Gesamtrücktritts nicht weiter ausliess: «Das gegenseitige Vertrauen zwischen Team und Kirchenpflege ist erschüttert», hiess es da, um auf die erfolglosen Mediationsanlässe zu sprechen zu kommen. Weiter sagte sie: «Die gespannte Atmosphäre und die hohe Personalfluktuation (dreizehn Abgänge in den letzten sechs Jahren) mit entsprechendem Arbeitsaufwand wurden zu einer zu grossen Belastung für die ehrenamtlichen Kirchenpfleger. Die Freude an der Arbeit ist inzwischen allen vergangen.» Es sei wichtig zu betonen, fuhr sie fort, dass die Kirchenreform absolut kein Grund für den Rücktritt sei und dass man die laufenden Anstrengungen in Bezug auf die Reform in keiner Weise behindern wolle.

Kirchenpflege mit Sachwalter
Im Hinblick auf die nötige Ersatzwahl in die Kirchenpflege konnten drei Kandidatinnen gefunden werden: Barbara Dinten-Schmid, Elizabeth Zollinger und Elke Mittendorf. Die drei wurden denn auch gewählt. Mit Elke Mittendorf konnte jemand gewonnen werden, der sich in Kirchenbelangen auskennt, war sie doch bereits von 2006 bis 2014 Mitglied der Kirchenpflege. Überdies engagiert sie sich im laufenden Reformprozess.
Jürg Hürlimann, der Visitator von der Bezirkskirchenpflege, erklärte im Folgenden, dass es bei einem ordentlichen Bestand der Kirchenpflege von sieben Mitgliedern mindestens derer vier brauche, um beschlussfähig zu sein. Demzufolge werde ein Sachwalter eingesetzt, der so lange als Präsident ad interim der Kirchenpflege waltet, bis die Kirchgemeinde eine vierte Person gewählt hat. Beim Sachwalter handelt es sich um Ralph Kühne, Mitglied der Zentralkirchenpflege und aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen und als ehemaliger Präsident der Kirchgemeinde Fluntern bestens qualifiziert für das Amt.

Abschied und Neuanfang
Lisbeth Rüegg war es immer ein grosses Anliegen, so sagte sie im Anschluss an die Versammlung, die Verbindung mit dem Quartier zu suchen. Das hat begonnen mit dem durch das Altstadthaus organisierten Quartier-Flohmarkt, der seit sieben Jahren jeweils im Frühling auf dem Predigerplatz abgehalten wird. Sie hat mit einigen Helferinnen und Helfern jeweils in der Kirche den Zmittag gekocht. Oder man hat beim Lichterfest mitgemacht, Buchstabensuppe ausgeschenkt nach dem Motto: Am Anfang war das Wort. Sichtbar zu werden und Menschen in die Kirche zu bringen, die sonst den Schritt nicht wagen, das war ihr wichtig.
Lisbeth Rüegg war zwanzig Jahre in der Kirchenpflege, wovon siebenhalb als Präsidentin. Noch länger im Amt war Regula Keller, nämlich siebenundzwanzig Jahre. Sie hat noch mit den Vorgängern der jetzigen Pfarrerin, mit Ulrich Knellwolf und mit Peter Wittwer, gearbeitet. Ebenfalls nach etlichen Jahren sind jetzt zurückgetreten: Verena Jezler (sieben Jahre), Henk La Roi (sechs Jahre) und Alberto Niederer (fünf Jahre). Bereits etwas früher zurückgetreten ist Jennifer Mandzjuk. Jürg Hürlimann sprach den Zurücktretenden für ihre Arbeit einen «grossen Dank und Anerkennung» aus, wenn er auch dem Wunsch von Lisbeth Rüegg nachkam und auf eine eingehende Würdigung der Leistungen der Zurücktretenden verzichtete.
Weil alle Beteiligten nun nach vorne schauen wollen und ein neues Gremium seine Arbeit aufnimmt, soll der Wunsch von Lisbeth Rüegg, keine schmutzige Wäsche zu waschen und jener von Renate von Ballmoos, die Geschichte nicht weiter in den Medien breit zu verhandeln, auch hier respektiert werden.
Abschliessend soll hier – beim Rücktritt eines ganzen Gremiums bleibt niemand, der ein Abschiedsgeschenk organisieren könnte – den Zurückgetretenen als Dank für ihre über all die Jahre geleistete Arbeit symbolisch ein Blumenstrauss überreicht werden. Und ebenso den neu Gewählten, mit den besten Wünschen für ihre anspruchsvolle Aufgabe.

Elmar Melliger