Die Kirchen bleiben im Dorf
Am 1. Januar 2019 wird aus 32 Evangelisch-reformierten Kirchgemeinden eine einzige: die Kirchgemeinde Zürich, die sich aus zehn Kirchenkreisen zusammensetzt. Der Kirchenkreis Altstadt wird präsidiert von Stefan Thurnherr. Der Altstadt Kurier hat mit ihm gesprochen.
Der Entstehung der Kirchgemeinde Zürich steht nach der Abstimmung vom 25. November nun nichts mehr im Weg. Das wird eine grosse Sache.
Stefan Thurnherr: Ja, grundsätzlich wurde dies bereits an einer Abstimmung im Jahr 2014 beschlossen. Diese Reorganisation hat sich aufgedrängt, weil die Zahl der Mitglieder der reformierten Kirche in Zürich in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen hat und nunmehr bei 85 000 (ohne Hirzenbach und Witikon bei 83 000) liegt. Somit nahmen auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer ab und es gab Handlungsbedarf. Mit diesen 83 000 Mitgliedern wird die neue Kirchgemeinde die grösste der Schweiz.
Diese Grösse bedingt neue Strukturen, um handlungsfähig zu bleiben.
Es wird als Legislative ein Parlament mit 45 Abgeordneten geben, das erstmals im November 2019 an einer Urnenabstimmung gewählt wird. Eine Kirchenpflege mit sieben Mitgliedern bildet die Exekutive. Alle vier Jahre sind dann Wahlen. Wie das Wahlgremium funktionieren soll, wie die Zusammensetzung des Parlaments aussehen soll, das muss erst noch festgelegt werden. Denn die Kirchgemeinde ist unterteilt in zehn Kreise, die nicht deckungsgleich sind mit den (zwölf) Stadtkreisen, was die Sache verkompliziert: Wie kann man die Kirchenkreise abbilden?
Die Exekutive, die Kirchenpflege, hat sich bereits formiert?
Ja, und es hat sich ergeben, dass drei der Personen in der Altstadt leben. Es sind dies Claudia Bretscher (die bereits dem Vorgängergremium, dem Vorstand des Stadtverbandes, angehörte), sodann Henner Kisker und Mireille Schnyder. Das ist auch gut so, angesichts der Besonderheit der Altstadtkirchen.
Die Altstadt bildet einen der Kirchenkreise. Was gehört dazu?
Da sind die vier Kirchen Grossmünster, Fraumünster, St. Peter und Prediger plus die Wasserkirche und die Helferei an der Kirchgasse, die bisher als selbständige Organisation direkt dem Stadtverband angehängt war, einem seit 109 Jahren existierenden Zweckverband.
Wie ist der Kirchenkreis aufgebaut?
Nun, die Kirchen funktionieren weiter wie bisher, das ist mal das Wichtigste. Dass die Kirche am Ort, sozusagen im Dorf bleibt. Geleitet wird der Kirchenkreis durch die Kreiskommission, die aus fünf bis neun Mitgliedern zu bestehen hat. In der Altstadt hat man sich darauf geeinigt, dass für den Start die vier Kirchen mit je zwei Personen vertreten sein sollen.
Weiss man denn schon, wer das sein wird?
Ja, denn die Kommission hat bereits im Juni 2018 die Arbeit aufgenommen – um den Übergang vorzubereiten und hat parallel zu den Kirchenpflegen gewirkt – und wird diese weiterführen bis Ende 2019. Die Mitglieder werden sich dann allenfalls wieder zur Wahl stellen. Es sind dies: Michael Bitar, Ulrich Gerster (Grossmünster), Hans-Hinrich Dölle, Elvira Merz Krapf (Fraumünster), Barbara Dinten-Schmid, Elke Mittendorf (Prediger), David Guggenbühl sowie ich als Präsident (St. Peter). Dazu kommen Renate von Ballmoos und Niklaus Peter als Pfarrpersonen, die an den Sitzungen teilnehmen, ohne Stimmrecht. Ebenso nimmt der Betriebsleiter an den Sitzungen teil.
Was sind die Aufgaben dieses Gremiums?
Es geht um strategische Aufgaben, während die Mitarbeitenden und die Pfarrpersonen operativ tätig sind. Zu den Aufgaben zählt das Programm vor Ort, die Aufsicht über die Amtsführung der Pfarrpersonen, die Durchführung der Kirchenkreisversammlungen, die wie die bisherigen Kirchgemeindeversammlungen zweimal jährlich stattfinden werden. Die Kommissionsmitglieder werden künftig vorgeschlagen durch die Kirchenkreisversammlung und bestätigt durch die Kirchenpflege.
Was ist speziell am Kirchenkreis Altstadt?
Einerseits ist es der bedeutendste Kreis von den Kirchen und den Aktivitäten her gesehen. Wir haben am meisten Aktivitäten, eigene und Vermietungen. Dazu kommt die touristische Bedeutung der Kirchen. So zählt das Grossmünster 600 000 Besucher im Jahr, das Fraumünster kam auch auf eine halbe Million, seit der Einführung der Besucherlenkung sind es weniger.
Andererseits ist es der Kreis mit den wenigsten ansässigen Mitgliedern. Während die anderen Kreise zwischen 5000 und 10 000 Mitglieder zählen, sind es im Kreis Altstadt 2500: Grossmünster 1000, Prediger 800 bis 1000, St. Peter 500, Fraumünster gar nur 100, weil in der Gegend wenige Menschen wohnen.
Neu wird ein Wechsel der Mitgliedschaft zum Kirchenkreis, zur Kirche seiner Wahl innerhalb der Kirchgemeinde Zürich möglich. Was ist da zu erwarten?
Nun, diese Leute sind schon da, die besuchen bereits die Gottesdienste etc. So haben die Kirchen Vereine, deren Mitglieder sich der jeweiligen Kirche verbunden fühlen. Das Grossmünster hat einen grossen «Freundeskreis», die Vereine von St. Peter und von Predigern zählen je 300 Mitglieder und der des Fraumünsters sogar 1000. Also 5000 bis 7000 Mitglieder werden es wohl schon werden im Kreis Altstadt.
Was ändert sich an der Betriebsstruktur gegenüber heute?
Neu wird ein Betriebsleiter, eine Art kaufmännischer Leiter oder Geschäftsführer, zuständig sein für das Personal, das immerhin 30 Personen umfasst. – Er ist bereits bestimmt: Patrick Hess, 38-jährig, wird seinen Arbeitsort im Lavaterhaus haben. Mit dieser Änderung wollte man eine Professionalisierung der Geschäftsführung und eine optimalere Begleitung des Personals erreichen. – Zudem sollen die Abläufe optimiert, besser koordiniert werden. Es wird beispielsweise darüber nachgedacht, die Vermietungen zentral, von einem Ort aus, vorzunehmen. Damit wäre eine bessere zeitliche Abdeckung erreicht gegenüber heute, wo die einzelnen Sekretariate nur zeitweilig besetzt sind. Auch bei den Sigristen ist eine intensivere Zusammenarbeit vorgesehen. Personell ändert sich einstweilen nichts, alle Angestellten werden übernommen.
Ein wichtiges Geschäft waren bisher die Liegenschaften. Wie sieht es damit aus?
Die Kirchen, Kirchgemeindehäuser und Pfarrhäuser stehen uns zur Nutzung und Vermietung zur Verfügung. Die Unterhalts- und Bauverantwortung haben wir abgegeben an die Liegenschaftenverwaltung der Kirchgemeinde Zürich. Das Lavaterhaus wurde soeben für 3,2 Millionen Franken renoviert und wird das Kirchenkreishaus.
Was sonst ändert sich in der Altstadt? Was ändert sich für die einzelnen Menschen?
Wir wollen viel Bisheriges und Bewährtes beibehalten, die bestehende Zusammenarbeit mit den einzelnen Akteuren in der Altstadt weiterführen. – Grundsätzlich soll wie gesagt die Kirche am Ort bleiben, bei den Menschen, mit den Menschen. Wir wollen die Menschen ins Zentrum stellen und nicht Strukturen. Das ist uns ganz wichtig.
Ein Fazit?
Wir werden vermehrt und intensiver zusammenarbeiten. Das ist ein Gewinn für die Altstadt. – Ich stelle eine positive Aufbruchsstimmung fest. Ich selber bin froh, dass es nun umgesetzt werden kann, nach acht Jahren Vorbereitung.
Interview: Elmar Melliger
Am Sonntag, 13. Januar um 10 Uhr ist ein Gottesdienst für die ganze Altstadt im Grossmünster, mit allen Pfarrern, mit anschliessendem Apéro in der Helferei.
Zur Person
Stefan Thurnherr (54) war acht Jahre Präsident der Kirchgemeinde St. Peter und wird Präsident des Kirchenkreises Altstadt. Seit 25 Jahren ist er Partner beim Vermögenszentrum. Er ist verheiratet, Vater zweier Kinder (19- und 17-jährig) und wohnt seit 20 Jahren an der St. Peterhofstatt 5.
Zum Kontext
Die reformierten Stimmberechtigten haben in der Abstimmung vom 25. November mit einem Ja-Anteil von 91,5 Prozent der neuen Kirchgemeindeordnung zugestimmt. Damit ist die Fusion von 32 städtischen Kirchgemeinden (und Oberengstringen) zur evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Zürich definitiv und erfolgt auf den 1. Januar 2019. Einzig Witikon und Hirzenbach werden der neuen Kirchgemeinde nicht angehören. Die Kirchgemeinde ist unterteilt in zehn Kirchenkreise, wovon einer der Kirchenkreis Altstadt ist. Diese werden geleitet durch Kirchenkreiskommissionen.
EM