Sollen Parkplätze abgebaut werden?

Der Plan des Stadtrats, die Parkplatzzahl in Zürich zu reduzieren, erhitzt die Gemüter. Der Altstadt Kurier hat eine Politikerin und einen Politiker gebeten, ihren Standpunkt darzulegen.

Nach jahrelang in Grabenkämpfen blockierter Verkehrspolitik konnte 1996 der sogenannte «Historische Kompromiss» erzielt werden. Dieser besagt, dass die Zahl der Parkplätze in der Innenstadt auf dem Stand von 1990 bleiben muss und oberirdisch abgebaute Parkplätze durch solche in Parkhäusern kompensiert werden. Diese Zahl will der Stadtrat um zehn Prozent reduzieren, wie er unlängst bekannt gab. Er begründet dies mit veränderten Bedingungen, mit dem Nutzungsdruck auf die öffentlichen Flächen.
Somit würden in der Innenstadt – Kreis 1 und angrenzende Gebiete – 770 der 7700 Parkplätze wegfallen. Im Gemeinderat wird das Vorhaben von links-grüner Seite begrüsst als Schritt in die richtige Richtung, der eher noch zu wenig weit geht. Gefordert wird mehr Platz für Grünflächen und für den Veloverkehr – ohne Zahlenkorsett. Demgegenüber bekämpft die rechte Seite die geplante Aufhebung von Parkplätzen. Diese Parkplätze brauche es gerade auch für das Gewerbe, für den durch Online-Handel und Frankenstärke ohnehin in Bedrängnis geratenen Detailhandel. Als besonderer Zankapfel hat sich der Zähringer- und Predigerplatz herausgestellt. – Wir haben eine Politikerin und einen Politiker gebeten, ihren Standpunkt darzulegen.

EM

 

Pro
Den Platz besser nutzen

In Anbetracht der wachsenden Stadt, dem daraus resultierenden Nutzungsdruck, dem geänderten Mobilitätsverhalten der Stadtbevölkerung und dem Stadtklima wird der sorgfältige Umgang mit öffentlichen Flächen immer wichtiger.
Seit den 1990er-Jahren hat sich die Zürcher Innenstadt ebenso wie die Verkehrsbedürfnisse und der Platzbedarf radikal verändert. Mit der S-Bahn werden täglich rund drei Mal mehr Personen in die Zürcher Innenstadt transportiert als noch 1990. Auch hat sich der Anteil des Veloverkehrs in der Stadt Zürich verdoppelt. Der Bund hat kürzlich eine «Statistik der Schweizer Städte» publiziert. Diese zeigt, dass die Stadtzürcher immer weniger Autos besitzen, dafür umso fleissiger den öffentlichen Verkehr nutzen oder mit dem Velo unterwegs sind. Die Stadt wächst und der Nutzungsdruck auf die Aussenräume steigt. Der wertvolle öffentliche Raum in der Innenstadt kann nicht mehr dem ineffizientesten und raumfressendsten Verkehrsmittel, dem Auto, exklusiv zugeordnet werden.
Nur wenn Parkplätze reduziert werden, kann der dringende Bedarf an öffentlichem Raum für andere Nutzungen freigespielt werden. Nur so entsteht in der Zürcher Innenstadt mehr Raum für die Bewohnerschaft, Fussgängerinnen und Fussgänger. Plätze wie Zähringer- und Predigerplatz mit seinen grossen Platanen könnten sich zu Freiräumen mit innerstädtischer Qualität wandeln. Für die wachsende Zahl an Velofahrenden stünde mehr Raum zur Verfügung. Dem Wunsch nach mehr Entflechtung von Fuss- und Veloverkehr könnte nachgekommen werden. Vermehrt wären Baumpflanzungen möglich, welche als schattenspendende Inseln die Bevölkerung erfrischen und die aufgeheizte Stadt kühlen.
Neben den platzfressenden Parkplätzen ist der nächtliche Lärm in der Innenstadt ein reales Problem. Öde Parkfelder sind aber kein Garant für ruhigere Nächte. Die Hoffnung, es fände wenigstens keine andere Nutzung statt, wenn der öffentliche Raum mit Autos belegt sei, ist trügerisch. Vielmehr gilt es den Fokus auf die Durchsetzung der zustehenden Nachtruhe zu legen, ohne dass auf wertvolle Aussenräume verzichtet werden muss. Was den Lärm in den frühen Morgenstunden angeht, gäbe es natürlich auch von Seiten des Gewerbes Verbesserungsmöglichkeiten.
So könnte mit einem koordinierten Zulieferungsregime die Kadenz der Zufahrten reduziert und die Gassen von Motorenlärm oder Störungen durch Aus- und Einladeaktionen entlastet werden. – Sicher ist bei der Aufhebung der innerstädtischen Parkplätze darauf zu achten, dass für das ansässige Gewerbe auch weiterhin und unkompliziert Abstellplätze zur Verfügung stehen.
Nun schlägt der Stadtrat vor, dass das Parkplatzangebot in der Innenstadt um zehn Prozent reduziert werden soll. Wir Grünen freuen uns zwar über diesen ersten Schritt, in der Innenstadt wieder über öffentlichen Raum diskutieren zu dürfen. Allerdings erscheint uns der Historische Kompromiss schon lange zu einer historischen Altlast verkommen zu sein. Wir wollen, dass man bei konkreten Bedürfnissen an bestimmten Orten auch über Parkplätze reden darf, ohne durch fixe Zahlen eingeschränkt zu sein.

Gabi Kisker, Gemeinderätin Grüne, Kreis 1+2

 

Kontra
Der City Sorge tragen

Schon die unehrliche Wortwahl ist verräterisch: Der Stadtrat will den sogenannten Historischen Parkplatzkompromiss «weiterentwickeln». Tatsächlich geht es um eine Aufkündigung, welche für die Mobilität in Zürich im Allgemeinen, aber ganz besonders für die City fatal wäre.
Peinlich ist, dass die Stadtverwaltung den Inhalt des nach jahrelangen Grabenkämpfen ausgehandelten, in der Praxis erfolgreichen Kompromisses entweder nicht verstanden hatte oder die Abbaupläne absichtlich verschleiern wollte. So verbreitete das zuständige Departement vor wenigen Wochen eine Medienmitteilung, worin behauptet wurde, in der City und den citynahen Gebieten sollten künftig maximal zehn Prozent der oberirdischen Parkplätze aufgehoben werden. Tatsächlich schlägt der Stadtrat dem Gemeinderat aber vor, die Gesamtzahl der öffentlich zugänglichen Parkplätze – also sowohl oberirdisch wie in Parkhäusern – um zehn Prozent zu reduzieren.
Es braucht eigentlich nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was dies für Läden, Restaurants und kulturelle Veranstaltungsorte in der Altstadt bedeuten würde.
Ganz abgesehen vom zwangsläufigen wirtschaftlichen Schaden wundere ich mich auch, mit welcher Selbstverständlichkeit ausgerechnet Vertreterinnen und Vertreter angeblich weltoffener und sozialer Parteien einem Teil der Bevölkerung den Besuch in der City erschweren oder verunmöglichen wollen.
Dabei ist die gute Erreichbarkeit mit einer Vielzahl von Verkehrsmitteln eigentlich genau das, was ein Zentrum wie Zürich ausmacht. Im Fall der Zürcher Altstadt ist das seit Jahrhunderten so. Die aktuelle Verkehrsbehinderungspolitik ist im Grunde genommen eine zutiefst antiurbane Politik.
Die Aufkündigung des Parkplatzkompromisses ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Statt das gesamte Verkehrssystem zu optimieren, arbeitet die rot-grüne Stadtratsmehrheit intensiv daran, die einen Verkehrsmittel unerbittlich gegen die anderen auszuspielen.
Eine grosse Stärke des Historischen Parkplatzkompromisses war und bleibt es, dass er nicht einfach den Status quo zementiert. Oberirdische Parkplätze können durch Parkiermöglichkeiten in Parkhäusern ersetzt werden, wenn dadurch ein Mehrwert entsteht. Sei es bezüglich Fussgänger-, Velo- oder Grünbereichen oder allgemein in städtebaulicher Hinsicht. Der Kompromiss verhindert also keinen einzigen Veloweg. Im Gegenteil, er setzt einen bewährten Rahmen für eine ganzheitliche Planung.
Statt mit der Aufkündigung des Historischen Parkplatzkompromisses ideologische Auseinandersetzungen anzuheizen, sollte der Stadtrat vielmehr den Dialog mit der Bevölkerung bei der konkreten Planung intensivieren. Beispielsweise beim Zähringer- und Predigerplatz, wo noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist, dass eine Aufhebung der oberirdischen Parkplätze tatsächlich einen Mehrwert bringt. Ideologische Grundsatzdebatten mögen da bequemer sein als ganz konkrete Chancen- und Risiko-Diskussionen mit allen Betroffenen. Also sollten wir letzteres umso konsequenter einfordern.

Michael Schmid, Gemeinderat
Kreis 1+2, Fraktionspräsident FDP