Klingendes Wahrzeichen

Die Sanierung des Turmdachs und des Dachreiters auf dem Grimmenturm ist abgeschlossen. Nach dem Abbau des Gerüsts gibt am Neumarkt wieder die Uhr mit dem markanten Zifferblatt die Zeit an. Und als erfreuliche Zugabe wird auch das «Glöcklein» reaktiviert.

Nun ist es offiziell und von allen zuständigen Stellen bewilligt: «Der Grimmenturm hat nicht nur eine Glocke, sie wird auch wieder läuten», wie Beat Schnidrig, Projektleiter beim Amt für Hochbauten und für die Sanierungsarbeiten am Grimmenturm verantwortlich, freudig sagte. Das mag zwar selbstverständlich klingen, ist es aber nicht.

Mittelalterlicher Wohnturm
Der Grimmenturm, der mittelalterliche Wohnturm aus dem 13. Jahrhundert, hat eine lange Tradition als Zeitglockenturm für das Quartier, wurden doch Glocke (1482) und Uhr (1541, an der Südfassade) im 15./16. Jahrhundert angebracht. Diese Tradition wurde jedoch unterbrochen, als im 19. Jahrhundert Uhr und Glocke entfernt wurden. 1873 nämlich erwarb der Schreinermeister Martin Merzlufft den Grimmenturm. Es folgte ein Umbau des Turms im Inneren und Äusseren, die Uhren an der Süd- und an der Ostfassade (zum Neumarkt hin) wurden entfernt und das Turmdach gekappt. Stattdessen baute der neue Eigentümer anstelle des Schrägdachs eine Dachzinne.
Nachdem die Stadt Zürich den Turm 1962 gekauft hatte, wurde 1966 nach alten Bildern der heutige Dachstuhl gezimmert und auch der Dachreiter rekonstruiert. Aus dieser Zeit stammt das markante Zifferblatt der Uhr zum Neumarkt hin und auch die Glocke, von der fortan von 7 bis 19 Uhr halbstündlich der Stundenschlag zu vernehmen war.

Die Glöckner vom Neumarkt
Darüber hinaus liess man nach einer Sanierung des Dachreiters 1990 auch das «Elfi-Lüüte» erklingen. Während der Hammer jeweils automatisch den Zeitschlag ausführte, war das Läuten keineswegs ein Automatismus. Die Mieter der obersten Wohnung nämlich, das Ehepaar Anton und Pia Maria Schärli, legte dafür Tag für Tag Hand an, um ganz traditionell mittels Ziehen an einem Strick die Glocke in Schwingung zu versetzen. Sie selbst hatten das Läuten der Glocke angeregt und sich anerboten, als Glöckner zu wirken.
Das ging so lange, bis eines Tages, so erinnern sich manche Quartierbewohnerinnen und -bewohner, durch die Schwingungen gelockerte Dachziegel herunterfielen und am Boden aufschlugen. Glücklicherweise kam dabei niemand zu Schaden, auf das Läuten allerdings wurde seit dem Ziegelsturz verzichtet und das Glöcklein blieb stumm.
Mit den aktuellen Sanierungsarbeiten wurde der Dachstuhl ertüchtigt und die Ziegel am Dachfirst wurden einzeln verschraubt. Der Reiter, das Glockentürmchen, wurde frisch geschindelt, wobei die Schindeln angenagelt werden. Im Dachreiter hängt auch wieder das 1965 gegossene aufgefrischte «Glöcklein», das doch immerhin rund 350 Kilogramm auf die Waage bringt. Der Grimmenturm nimmt seine Funktion als stolzes Wahrzeichen des Neumarkts wieder auf.
Am 16. November 2020 wird die Glocke in Betrieb genommen und als weltliche Glocke – nunmehr automatisiert – von Montag bis Freitag von 12.01 bis 12.03 Uhr sozusagen die Mittagspause einläuten. Eine schöne Aufgabe, profan, aber wichtig und allseitig geschätzt.

Elmar Melliger