Wichtiger Zeuge des Barock

Das Haus «Oberer Schönenberg» an der Schönberggasse 15, direkt neben der Universität Zürich gelegen, wird gegenwärtig umfassend renoviert. Die auch als Bodmerhaus bekannte Liegenschaft ist ein wichtiger Bauzeuge aus dem 17. Jahrhundert.

Dass das markante Haus neben der Universität überhaupt steht, kann als Glücksfall bezeichnet werden.
Als nämlich die Stadt Zürich nach Ausbruch des 30-jährigen Krieges (1618) die Planung des äusseren Befestigungsrings – die Schanze, von welcher der Schanzengraben und das Bauschänzli übrig geblieben sind – in Angriff nahm, kaufte sie zwecks Abbruchs das «Hartmanns Gut». Dieses hätte dem Bau der Schanze weichen sollen. Ein Mitglied der Schanzenkommission jedoch, der Zunftmeister Hans Heinrich Heidegger, liebäugelte mit diesem Grundstück. Er erreichte, dass ihm die Stadt dieses zu einem guten Preis abtrat und die Schanze so legte, dass das Haus stehen bleiben konnte.

An bester Lage
1643/45 anstelle des früheren «Hartmanns Gut» von Hans Heinrich Heidegger als Holzbau (Fachwerk) auf Steinsockel erbaut, thront das Haus «Oberer Schönenberg» in bester Lage über der Altstadt, mit Blick über den See auf die Berge, seit dem 17. Jahrhundert in Nachbarschaft zur Stadt hin mit dem Haus zur Krone (Palais Rechberg) und dessen Park und seit jüngerer Zeit seitlich zur Universität.
Noch im 17. Jahrhundert wurde das Erdgeschoss auf alle vier Seiten «versteinert», die Schaufassade gegen Westen (Richtung Stadt) auf allen drei Geschossen. Die Innenräume erhielten eine barocke Ausmalung. Dabei handelt es sich um Beschlagwerkmalerei an den Sichtbalkendecken, farbig gefasste Fachwerkwände und bemalte Fensterleibungen und -stürze.

Gang durch das Haus
Felix Wyss von der Firma ABKW begleitet die Bauuntersuchungen im Auftrag der Archäologie Stadt Zürich (Amt für Städtebau). Er führt durch das Haus, in dem Handwerker an der Arbeit sind.
Das nach seinem (im 18. Jahrhundert) langjährigen Besitzer Johann Heinrich Bodmer heute «Bodmerhaus» genannte Haus besteht aus dem Hauptgebäude und zwei Anbauten in nördlicher Richtung – wobei der zweite Anbau, das Waschhäuschen, gerade abgerissen wurde, um dem Bau eines Fluchttreppenhauses Platz zu machen. Man betritt das Haus bergseitig und findet sich in einer reich ausgemalten Halle mit Blick auf den Garten und über die Stadt. Die Fensternischen sind ausgemalt mit Früchtegehängen und Begleitmalerei. An den Wänden sind Psalmensprüche angebracht, darunter Beschlagwerkmalerei. Die Decke ist ganzflächig bunt bemalt. Was für ein Anblick! Die Treppe im Haupthaus wurde um 1800 in den Anbau verlegt.
Beim Betreten des 1. Obergeschosses erstaunt, dass dieses weniger hoch ist als das Erdgeschoss, also scheinbar nicht als «Beletage», als nobles Obergeschoss genutzt wurde, wie das sonst häufig der Fall war. Auch die stubenartigen Räume sind hier kleiner als im Erdgeschoss, aber mit analoger Deckenbemalung mit Kreismotiven. Hier und im 2. Obergeschoss stand (derzeit wegen der Bauarbeiten abgebaut) je ein Empire-Ofen. Im 2. Obergeschoss befand sich über 50 Jahre das Thomas-Mann-Archiv. Hier hat es Stuckdecken mit einfachem Rahmenprofil – in einem Raum mit filigranem Rähmchen – und Wandtäfer. – Der Dachstuhl wartet mit einer Überraschung auf. Er weist ein Kehlgeschoss aus der Errichtungszeit 1643/45 auf, ein Aufbau in der Hausmitte mit Quergiebel, der den Dachfirst übersteigt. Dieses «Männerstübli» – auch mit Malereien – war einer der Gründe für die statischen Probleme des Hauses.
Es wird «Goethe-Stübli» genannt. Dies wohl in Anspielung auf die illustren Gäste Johann Jakob Bodmers wie Goethe, Friedrich-Gottfried Klopstock oder Herzog Karl August III. von Sachsen-Weimar-Eisenach.

Elmar Melliger

Zum Projekt
Das rund 350-jährige dreigeschossige Haus erfuhr letztmals vor 60 Jahren eine Auffrischung, vor 50 Jahren wurde die Fassade erneuert, es ist renovationsbedürftig. Auslöser für den Zeitpunkt der Renovation war der Umstand, dass das Thomas-Mann-Archiv der ETH auszog, das hier seit 1966 beheimatet war. (Es befindet sich derzeit provisorisch an der ETH Hönggerberg.)
Die Universität Zürich hat das kantonale Hochbauamt mit der Renovation beauftragt. Diese umfasst in erster Linie die Statik. Beim Gebäude handelt es sich um eine Fachwerk-Holzkonstruktion mit steinernen Grundmauern und teilweise reich bemalten Holzdecken. Zur Mitte hin sind die Böden um 10 bis 20 Zentimeter abgesackt und müssen nivelliert werden. Das Tragwerk war überlastet. Somit gilt es in erster Linie das Gebäude zu entlasten. Das Dachgeschoss, das als Lagerraum diente, wird künftig ungenutzt bleiben. Zu aufwendig wäre die Erfüllung der feuerpolizeilichen Auflagen. Zur Verbesserung der Statik werden mehrere Balken saniert oder ausgetauscht.
Zweitens erfordern die Brandschutzbestimmungen umfangreiche Massnahmen. So wurde das alte Waschhäuschen abgebrochen; anstelle dessen wird ein Anbau für eine Fluchttreppe errichtet. Ausserdem wird das Gebäude barrierefrei ausgebaut, was den Einbau eines Liftes erfordert. Zudem werden Elektroinstallationen sowie die Heizung erneuert und neue Toiletten eingebaut. Darüber hinaus werden Dach und Fassade saniert und das Haus erhält neue Fenster.
Die im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss gut erhalten gebliebenen barocken Malereien bleiben sichtbar. Die Einbauten im 2. OG aus dem 19. Jahrhundert werden belassen, womit das Haus als Konglomerat aus verschiedenen Zeiten erlebbar bleibt.
Mit dem Projekt wurde das Architekturbüro Ernst Niklaus Fausch Partner beauftragt. Es wird ein sorgfältiger Umgang gepflegt mit diesem wichtigen historischen Bauzeugen, unter Federführung der Denkmalpflege Stadt Zürich. Die Arbeiten sind seit Frühling 2020 im Gang und dauern bis Herbst 2022. Die Gesamtkosten wurden mit 9,8 Millionen Franken veranschlagt. Das Haus gehört seit 1911 dem Kanton und wird auch künftig durch die Universität genutzt. Es sind Arbeitsplätze vorgesehen, im Erdgeschoss erlauben zwei Säle kleinere Veranstaltungen.

Elmar Melliger