Beharrliches Engagement

Nach fünfzehn Jahren hat Gabi Kisker ihren Rücktritt aus dem Gemeinderat auf den 22. April 2021 eingereicht. Sie hat im Wahlkreis 1+2 für die Grünen politisiert. Der Altstadt Kurier hat sie getroffen.

Gabi Kisker (1961) wohnt in der Altstadt links der Limmat und hat immer ein offenes Ohr für die Anliegen der Altstadtbevölkerung gehabt. Begonnen hat sie ihr Engagement für das Quartier mit dem Lili-Träff, einem Treff für Familien in der Altstadt links der Limmat. Sodann war sie in der Schulpflege aktiv. Auch war sie 23 Jahre in der Kirchenpflege St. Peter, bis zu deren Auflösung anlässlich der Gründung der Kirchgemeinde Zürich im Jahr 2018. Sie engagiert sich beim Verein Pro Uetliberg sowie beim Wildnispark Zürich und ist Ersatzrichterin beim Baurekursgericht mit drei bis vier Fällen pro Monat.
In den Gemeinderat gewählt wurde sie 2006. Davor hatte der Kreis 1 entsprechend der Bevölkerungszahl Anspruch auf nur zwei der 125 Sitze, die jeweils SP und FDP gerecht unter sich aufteilen konnten. Ungerecht, fand der Grünen-Politiker und heutige Statthalter Mathis Kläntschi, und hat die Neuorganisation der Wahlkreise in der Stadt Zürich gefordert, mit Erfolg. Seither bilden die Kreise 1 und 2 zusammen den Wahlkreis 1+2, dem fünf Sitze zustehen, was die Wahl von Kandidierenden aus Parteien mit kleinerem Wähleranteil wahrscheinlicher macht.

Verkehrs- und Baufragen
Seit sie also die Hürde genommen hat, galt ihr Augenmerk hauptsächlich Verkehrs- und Baufragen. Dafür ist die Architektin mit ETH-Diplom geradezu prädestiniert. Und weil die vierfache Mutter keiner Erwerbstätigkeit nachgehen musste, blieb ihr genügend Zeit für das Studium der umfangreichen Akten, was den grössten Teil der Arbeit der Gemeinderatsmitglieder ausmacht, neben Rats-, Fraktions- und Kommissionssitzungen. «Ganze Stösse von Papier waren das», erinnert sie sich, bevor nun alles digital vorliegt – was den Arbeitsaufwand natürlich nicht mindert. Alles in allem ergibt das eine beachtliche wöchentliche Stundenzahl, die es zu investieren gilt, wenn man die Sache recht machen will. Und das will sie: «Entweder ich mache etwas voll und ganz oder ich lasse es bleiben.» Mitgewirkt hat sie insbesondere in der Spezialkommission des Hochbaudepartements, wo es um Stadtentwicklung und um den Richtplan geht.  Wichtige Anliegen waren ihr, den Hitzestau in der Stadt zu reduzieren mittels Begrünung (auch von Fassaden), die Mobilität in den Griff zu bekommen, Velowege zu fördern, überhaupt den Velo-, Fuss- und öffentlichen Verkehr gegenüber dem motorisierten Individualverkehr zu stärken.

Quartieranliegen
Auch für den Kreis 1, für die Altstadt hat sie sich vor und hinter den Kulissen eingesetzt. Gefreut hat sie etwa, dass die Trittligasse weiterhin einen Wohnanteil von achtzig Prozent aufweisen muss. Dieser hätte auf sechzig Prozent reduziert werden sollen, was mit Immissionen für die Bevölkerung dieser Wohngegend verbunden gewesen wäre und den Charakter des Quartiers verändert hätte. Auch der Kampf um die Zukunft der «Villa Winkelwiese» im Oberdorf (2008) war eine intensive Sache. Weiter hat sie sich befasst mit der geplanten Entwicklung des Hochschulgebiets. Bereits Jahre früher hat sie sich eingesetzt für den autofreien Münsterhof. Auch für einen autofreien Zähringerplatz hat sie sich ins Zeug gelegt, mit einem Postulat im Jahr 2014.

Ausdauer und Erfahrung
Beharrlich an einer Sache dranzubleiben ist für Gabi Kisker essenziell wichtig. Das hat ihr auch einige Erfolge gebracht und Höhepunkte in ihrer politischen Arbeit. Beispielsweise hat sie 2012 ein Postulat eingereicht zur Klimaanalyse, in dem sie einen Masterplan zur Umsetzung der vorliegenden Vorschläge zur Verbesserung des städtischen Klimas forderte. Heute gibt es einen entsprechenden Umsetzungsplan, die Fachplanung Hitzeminderung in der Stadt Zürich. Acht Jahre später also. «Es war für mich zunehmend ein Vorteil, die Politik vieler Jahre überblicken zu können. Ich habe mir diesbezüglich einiges Wissen angeeignet, auf das ich zurückgreifen kann.» Es gelte, ein Ziel – wie etwa mehr Grünräume – nicht aus den Augen zu verlieren, beharrlich zu verfolgen. «Es gibt mir eine Genugtuung, ein Anliegen von A bis Z zu begleiten, bis zum Eintrag in die Gemeindeordnung», sagt sie, «wenn man sieht, dass der Einsatz sich lohnt.» Beim kommunalen Richtplan hat sie beispielsweise ein neues Thema eingebracht: Das Regenwasser soll wenn möglich nicht einfach in die Kanalisation abfliessen, sondern im Boden versickern, zum Bewässern von Bäumen und zur Kühlung der Umgebung genutzt werden.
Die Grünen kennen im Gemeinderat keine Altersguillotine, keine Amtszeitbeschränkung. So ist Markus Knauss über zwanzig Jahre im Gemeinderat, seit 1998, Matthias Probst gleich lang wie Gabi Kisker. Gleichzeitig kam übrigens Karin Rykart, die heutige Stadträtin, während Stadtrat Daniel Leupi vier Jahre vor ihr angefangen hat. Ambitionen auf einen Sitz im Stadtrat, nein, das war für sie nie ein Thema.

Hochhaus-Manie
Angesprochen auf die heute festzustellende Hochhaus-Manie gerät Gabi Kisker in Fahrt: «Hochhäuser bilden keinen Garant für günstigen Wohnraum», sagt sie, «und Verdichtung lässt sich mit Blockrandbebauungen mit viel Grün genauso erreichen, wie in Berlin zu sehen ist.» Hochhäuser werden über die Stadt als Gestaltungselemente verstreut, gewinnt man den Eindruck. Da und dort eine neue Wohnsiedlung und als Abschluss jeweils gern noch ein Hochhaus. Kisker: «Das sieht von weit aus wie Bartstoppeln, die aufragen, die Kulisse wird kaputt gemacht und es entstehen sterile Quartiere, die die Bodenhaftung verloren haben!»
Wer sie sich ins Feuer reden hört, erkennt, dass hier keine Amtsmüdigkeit Anlass zum Aufhören sein kann. Noch immer ist viel Herzblut und Energie spürbar. Vielmehr ist es für Gabi Kisker nun an der Zeit, sich etwas anderem, Neuem zuzuwenden.
Dieses Neue hat mehrere Namen: Mal keine Termine haben, Zeit für sich finden, dem Leben frönen, stricken, kochen, gärtnern, Aita (sechs-) und Daria (dreijährig)… Die beiden letzteren sind die Namen ihrer Enkelkinder, die etwas mehr Zeit mit ihrer coolen Grossmutter gut gebrauchen können.
Auf die zwei Bäume auf dem Münsterhof – sie hat Ende 2019 mittels Postulat Bäume auf dem heissen Platz gefordert, die demnächst gepflanzt werden sollen – freut sie sich übrigens besonders.

Elmar Melliger

Die Nachfolge von Gabi Kisker im Gemeinderat tritt Sibylle Kauer (Grüne, Wahlkreis 1+2) an. Sie ist für den Rest der Amtsdauer, bis April 2022, gewählt. Sibylle Kauer (1968) ist Dipl. Ing. Agronomin ETH und wohnt im Kreis 1.