Veränderungen im Angebot
Welche Spuren hat die Pandemie bei Gastronomiebetrieben und Läden hinterlassen? Wo ist es zu Änderungen im Angebot gekommen? – Ein Rundgang im Ober- und Niederdorf mit einigen Beispielen.
Vom Bellevue her kommend, steht man an der Torgasse 3 vor dem früheren Café «Cakefriends»; ein Blick in das Lokal zeigt gähnende Leere, seit Jahr und Tag.
An der Torgasse 5 zieht der «Barber Shop» aus und wird ab 1. Juni 2021 an der Stüssihofstatt 7 im Hofgebäude zu finden sein.
Links um die Ecke, an der Oberdorfstrasse 9, werden per 1. September 370 Quadratmeter Fläche neu vermietet. Ein Opfer der Pandemie? Keineswegs: Nicht etwa die Coronakrise ist der Anlass für den Auszug von «Camp David & Soccx» (Damen- und Herrenbekleidung sowie Accessoires). Im Gegenteil braucht das Geschäft mehr Platz, wie dort zu erfahren war. Denn dieses ist auf mehreren Etagen, was das Auffinden der Produkte für den Online-Handel beschwerlich macht. Nun ist man auf der Suche nach einer grösseren Fläche auf einer einzigen Etage fündig geworden, in Glattbrugg. Bis August bleibt man jedoch noch im Oberdorf.
Limmatquai
Wieder unten, an der Schifflände 5, reihen sich junge Frauen, vorwiegend Teenager, in die Warteschlange, die an gewissen Samstagen um den ganzen Platz reicht, vor dem Modegeschäft «Brandy Melville», das hier vor einigen Monaten eröffnet wurde. «One size fits all», lautet die Devise. Hier findet Kleider, wer Schaufensterpuppenmasse aufweist.
An der Schifflände 22 gleich dahinter bietet «Subdued» Mode für «Teenage Girls», die hier ebenfalls gern lange Schlange stehen. Das Anstehen gehört zum Samstagnachmittagsprogramm mit Freundinnen, der Weg ist Teil des Ziels.
Etwas weiter Richtung Central, am Limmatquai 20, war das Damenbekleidungsgeschäft «Tally Weijl», die Räume stehen leer.
Daneben preist «Hair & Skin» seit einiger Zeit Haartransplantate an, ab 290 Franken pro Monat. Das wäre ja vielleicht eine Überlegung wert.
Die Gunst der Stunde und der optimalen Platzverhältnisse im Freien zu nutzen weiss zweifellos das Zunfthaus zur Zimmerleuten am Limmatquai 40. Unter den Bögen nicht nur direkt vor dem Lokal, sondern nach Ladenschluss bis zum Ende der Bögen reiht sich Tisch an Tisch. Bei kühler oder feuchter Witterung trifft man sich unter Dach zum «Open Air Fondue», an lauen Abenden auf dem Trottoir an der Sonne zum Aperol Spritz. Die Kellnerinnen und Kellner haben alle Hände voll zu tun und am Feierabend ihre der Gesundheit zuträgliche Tagesmindestschrittzahl um ein Mehrfaches übertroffen. – Von allen Freiluftgastrobetrieben, abgesehen von denjenigen von Michel Péclard, würde man wohl am liebsten diesen sein eigen nennen.
Das Restaurant «Haus zum Rüden» am Limmatquai 42 heizt an schönen Tagen den Grill ein, der sofort bestürmt wird von hungrigen Gästen. Und wer voll überzeugt war von dem Gebotenen, kann den dazugehörigen Luxusgrill «Big Green Egg» gleich mit kaufen, von dem diverse Modelle ausgestellt sind.
Das Restaurant «Zur Haue» am Limmatquai 52 ist zurzeit geschlossen. Hier steht ein Wirtewechsel an.
Gleich nebenan, im Zunfthaus zur Saffran am Limmatquai 54, bleibt wegen der BAG-Massnahmen das Restaurant «So Pizza» vorläufig noch geschlossen, denn «wer möchte schon eine kalte Pizza», wie im Aushang steht. Im verdeckten Innern findet scheinbar gerade eine Pinselrenovation statt.
Am Limmatquai 80, früher «Geox»-Schuhe, stand eine beachtliche Ladenfläche viele Monate leer, was natürlich keinen guten Eindruck hinterliess für die Attraktivität des Limmatquais. Dieser Tage nun beginnt sich etwas zu regen.
Am Limmatquai 94, der Eckliegenschaft vor der Kreuzung zur Mühlegasse/ Rudolf-Brun-Brücke, steht «Green Gorilla» angeschrieben und «Opening Autumn 2020»: Der Herbst ist ja bereits länger vorbei, doch noch immer harrt das Café mit Take Away mit Smoothies und Salaten im Angebot der Eröffnung. Gleich nebenan, bis anhin der «Ecco»-Schuhladen, hat ein weiteres Geschäft mit Kindermode eröffnet, das «Zurich Kids». Die Erwachsenen haben nun alle etwas anzuziehen, jetzt kommen die Kinder dran. Wie bei der Impfung.
In der gleichen Liegenschaft, früher Mosse-Haus genannt, das der Swiss Life gehört, hat es einen Wechsel gegeben, auf der Seite Niederdorfstrasse. Das ist gegenüber des früheren «McDonalds», heute Restaurant «Enzian», das vor einigen Monaten umgestellt hat auf rein vegane Kost.
Direkt gegenüber also ist der «Salt Store» ausgezogen (und nun zu finden am Bahnhofplatz 3). Hier haben nach kurzer Umbauzeit fleissige Hände den geräumigen Laden neu eingerichtet: eine weitere Filiale des dänischen Unternehmens «Flying Tiger Copenhagen» bietet hier seit anfangs Mai «Dinge, die du brauchst» und «Dinge, von denen du nicht wusstest, dass es sie gibt». Also von allem etwas. Mit junger Ausstrahlung, was wohl Frequenz in die Gasse bringen wird.
Hirschenplatz und Stüssihofstatt
Wendet man sich Richtung Hirschenplatz, steht man an der Niederdorfstrasse 20 vor «Giahi», dem Tattoo- und Piercing-Studio mit 300 Quadratmeter Fläche, die zur Neuvermietung ausgeschrieben ist. Hier stehen nicht etwa finanzielle Probleme oder die Pandemie als Grund für den Auszug, wie bei «Giahi» zu erfahren war. Das Unternehmen mit Zweigstellen in drei anderen Städten führt an der Löwenstrasse 22 ein weiteres Studio. Vielmehr wolle man stattdessen etwas Neues, Grösseres, das aber noch nicht spruchreif sei.
Geht man etwas weiter, gelangt man an die Stüssihofstatt 11, wo «Lolipop» mit dem Gummibärchen-Schlaraffenland Erfolge feierte und anfangs 2020 im Konkurs endete. Hier wurde sodann der Laden «Heimat» eingerichtet, ausgerichtet auf die vielen Touristen, die sich zur Zeit der Planung durch die Altstadt wälzten und dann ausblieben: Souvenirs aus der Schweiz. Neu zieht in diese städtische Lokalität «Kokoté» mit seinen Taschen und Accessoires ein, seit September 2020 am Neumarkt 20 eingenistet und bald danach auf der Suche nach einem etwas grösseren Laden, wenn möglich an besserer Passantenlage. Beides ist hier gegeben.
Ebenfalls geschlossen wegen ausbleibender Touristen wurde das Souvenirgeschäft an der Marktgasse 11.
Bindella-Restaurants
Das Restaurant «Bianchi» am Limmatquai 82 empfängt nach einem Umbau wieder Gäste zum Fischessen mit Blick aufs Wasser. Während die Pizzeria «Santa Lucia» an der Marktgasse 21 ebenso wie das «Vallocaia» am Hirschenplatz noch immer geschlossen ist, bietet die dazwischen liegende «Spaghetti Factory» an der Niederdorfstrasse 5 im Rosenhof hinter dem Haus Take Away und Gartensitzplätze an. Das Restaurant «Pulcino» im Nachbargebäude, ebenfalls beim Hirschenplatz, hat sich in der Lockdown-Zeit verpuppt und wurde in diesen Tagen «Trattoria Sempre» neu eröffnet. Der Hirschenplatz ist an milden Tagen belebt wie zu den besten Zeiten, hat man den Eindruck. Tisch an Tisch lässt man es sich hier gut gehen. Mit Abstand.
Unten am Fluss
Doch wieder hinunter zum Fluss. Am Limmatquai 98, gleich nach der Brücke, vor vielen Jahren Blumen Kölliker, hat das «Marea», Café und Cocktailbar, im letzten Jahr eröffnet, für zwei Wochen. Dann kam der Lockdown respektive Shutdown. Nun bietet es seinen Kaffee aus ökologischer und fairer Produktion aus Kolumbien oder einen Cocktail zum Mitnehmen an oder zum Geniessen auf einem der wenigen Stühle vor dem Haus.
Das «Grande» wird um den «Kleiner» grösser. Denn die zunächst «Canale Grande» genannte Café-Bar am Limmatquai 118 erfreut sich grosser Beliebtheit und kann die zusätzliche Fläche gut gebrauchen, die durch den Wegzug der benachbarten Filiale der Bäckerei Kleiner frei wurde.
Am Central vorn, am Seilergraben 69, ist das Hotel Du Théâtre by Fassbind derzeit wegen Umbau geschlossen. Man nutzt die ruhige Zeit für eine Renovation des Hauses. Die Wiedereröffnung ist auf Juni 2021 geplant.
Die Pandemie trifft uns alle. Einzelne Branchen leiden darunter besonders stark, wie der Kultursektor, die Tourismusbranche und Gastronomiebetriebe, die durch das Ausbleiben der Touristen, der Gäste und durch (teilweise) Zwangsschliessungen doppelt getroffen werden. Andere wollen sich nicht beklagen und haben gar Ressourcen, die ruhigere Zeit für Optimierungen im Betrieb zu nutzen oder zu expandieren. Noch bleiben die Folgen der Pandemie schwer abzusehen, wenn die staatliche Unterstützung einmal endet. – Immerhin gibt es auch Zeichen der Hoffnung.
Elmar Melliger