Wie weiter mit dem Wohnen?

Wir sind etwa in der Halbzeit zwischen Inkrafttreten der neuen Vermietungsverordnung sowie des neuen Mietreglements für städtische Wohnungen und dem Ablauf der Übergangsfrist für ältere Mietverhältnisse am 1. Januar 2024. Der Altstadt Kurier hat Kuno Gurtner, dem Kommunikationsbeauftragten von Liegenschaften Stadt Zürich, einige Fragen dazu gestellt. (Sie wurden schriftlich beantwortet.)

Viele Quartierbewohnerinnen und -bewohner sind verunsichert und in Sorge: Erfüllen sie noch die Bedingungen, in ihrer Wohnung bleiben zu können? Was geschieht in gut zwei Jahren, wie soll es weitergehen? Hausgemeinschaften, bewährte Netzwerke drohen auseinanderdividiert zu werden, ist zu befürchten.

Im November 2017 hat der Gemeinderat die per 1.1.2019 in Kraft gesetzte Vermietungsverordnung einstimmig angenommen, auf der das detaillierte Mietreglement basiert. Änderungen oder Nachbesserungen müssten entsprechend auf politischem Weg erreicht werden. Der Quartierverein Zürich 1 rechts der Limmat hat sich der Thematik angenommen und will prüfen, was politisch machbar ist.

Doch worum geht es bei den neuen Bestimmungen konkret? Wie stellt sich die Situation dar? Nachfolgend die Antworten auf einige Fragen.

 

Wie viele freitragende Wohnungen (Kostenmiete) von Liegenschaften Stadt Zürich (LSZ) gibt es im Kreis 1/ Altstadt, absolut und in Prozent aller Wohnungen?

Kuno Gurtner: Im Kreis 1 vermietet LSZ 842 Wohnungen. Diese Zahl umfasst auch die 64 Wohnungen der Siedlung Selnau, von denen einige subventioniert sind. Das macht 22 Prozent der insgesamt 3880 Wohnungen im Kreis 1.


Am 1.1.2024 endet die Übergangsfrist der neuen Vorschriften betreffend Belegung und finanziellen Verhältnisse der Mieterschaft einer Wohnung für ältere Mietverhältnisse. (Belegungsvorschriften gibt es seit ca. 13 Jahren, die wirtschaftlichen Bedingungen müssen in seit dem 1.1.2019 abgeschlossenen Mietverträgen erfüllt sein.) Gibt es Schätzungen, wie viele der Mietverhältnisse die Belegungsvorschriften (Zimmerzahl minus eins = Personenmindestzahl) am 1.1.2024 nicht erfüllen werden?

Nein, solche Schätzungen gibt es nicht. Aktuelle Zahlen liegen erst vor, wenn die Erhebungen betreffend Einhaltung der Vorgaben erstmalig gemacht werden. Die letzten vorhandenen Zahlen sind diejenigen in der Antwort auf eine Anfrage aus dem Gemeinderat: Download PDF. Diese Zahlen sind allerdings nicht nach Stadtkreisen aufgeschlüsselt.

(In einer Erhebung von Ende 2016 wiesen 16,8 Prozent der Wohnungen eine Unterbelegung aus. (Anm. der Red.))

 

Betreffend der Einkommen gilt eine Pufferzone von 15 Prozent der Mietverhältnisse, welche die wirtschaftlichen Bedingungen (siehe unten) nicht erfüllen müssen, die «Ausnahmeklausel». Gibt es dazu eine Schätzung, per 1.1.2024?

Auch dazu gilt die obige Antwort.

(In derselben Erhebung von Ende 2016 haben 17,9 Prozent der Haushalte die wirtschaftlichen Bedingungen nicht erfüllt. Seither hat es viele Neuvermietungen gegeben, von denen alle die Bedingungen erfüllen. Der Prozentsatz dürfte heute also einiges tiefer liegen. (Anm. der Red.))

 

Wer die Belegungsvorschriften nicht mehr erfüllt, etwa weil die Kinder ausgezogen sind, kann sich bei LSZ melden für einen Wohnungstausch. Wie geht das vonstatten?

Wer in eine kleinere städtische Wohnung wechseln will, muss ein schriftliches Tauschgesuch stellen. Ein Vergabegremium, in dem neben der Bewirtschaftung auch der Sozialdienst vertreten ist, prüft die Gesuche sowie die Verfügbarkeit von Wohnungen und entscheidet über einen Wechsel.

 

Wie viele solche Tauschgesuche hat es schon gegeben seit dem Inkrafttreten der Vermietungsverordnung am 1.1.2019?

Im Kreis 1 wurden seither 15 Tauschgesuche für einen Wechsel in eine kleinere Wohnung eingereicht. In sechs Fällen konnte eine andere städtische Wohnung im Kreis 1 vermittelt werden, neun Gesuche sind pendent. Bei fünf dieser neun Gesuche wurden Ersatzangebote gemacht, die aber begründet (wie es das Mietreglement vorschreibt) abgelehnt wurden. Dass in der Altstadt die Wohnungen sehr verschieden sind etwa bezüglich Grösse, erschwert Wechsel – die Fläche von Zweizimmerwohnungen zum Beispiel kann sehr unterschiedlich sein.

 

Wer sich für eine Ersatzwohnung meldet: Hat diese Person später Nachteile zu gewärtigen gegenüber solchen, die sich nicht melden, sollte sie die Ersatzangebote ablehnen?

Nein.

 

Gilt bei einem Wohnungswechsel das Verhältnis von eins zu vier oder von eins zu sechs für die Finanzen? Darf das angerechnete steuerbare Einkommen also nur vier- oder kann es sechsmal grösser sein als die Miete?

Wenn das massgebliche Haushalteinkommen über 70 000 Franken liegt, darf es höchstens das Sechsfache des Bruttomietzinses betragen.

 

Ist der Mieter, die Mieterin über achtzig Jahre alt, wird ein Umzug nicht mehr zugemutet. Welche weiteren Ausnahmen gibt es?

«Härtefälle», in denen auf einen Wohnungswechsel oder eine Kündigung verzichtet wird, sind in Art. 9 und Art. 17 des Mietreglements beschrieben. Über Ausnahmen in Einzelfällen entscheidet, auf schriftlich begründeten Antrag hin, die Direktion von LSZ.

 

Gibt es auch Ausnahmen bei sozialer Indikation, beispielsweise für alleinstehende Personen, die seit Jahrzehnten im Quartier wohnen und bei einem Wegzug entwurzelt und isoliert würden?

Wenn ein Wohnungswechsel wegen Unterbelegung (zum Beispiel nach dem Tod des Partners, der Partnerin) nötig wird, unterbreitet LSZ über 70-jährigen Mietenden «auf Wunsch und nach Möglichkeit Ersatzangebote in den bisher bewohnten oder benachbarten Stadtkreisen» (Zitat Mietreglement).

 

Ersatzangebote gibt es bei zu grossen Wohnungen, nicht aber bei zu kleinen, etwa wenn es Nachwuchs gibt. Man muss sich in diesem Fall normal bewerben wie alle anderen und allenfalls wegziehen aus dem Quartier. Weshalb ist das so?

LSZ kann kein lebenslanges Wohnen in städtischen Wohnungen bieten – nur schon deshalb, weil sich im Portfolio deutlich mehr kleine als grosse Wohnungen befinden. Das gilt auch für die Altstadt. Würde das Mietreglement dahingehend geändert, dass in bestimmten Fällen (Familienzuwachs) ein direkter Wohnungstausch möglich würde, hätten Bewerbende, die nicht schon bei LSZ wohnen, kaum noch Chancen, sich für eine Familienwohnung in der Altstadt zu bewerben. Eine Familie, die mehr Wohnraum braucht, kann sich aber für eine ausgeschriebene Wohnung bewerben. Wird sie vom Zufallsgenerator für die Teilnahme an der Besichtigung ausgewählt, hat sie reelle Chancen, die Wohnung mieten zu können. Das Mietreglement sieht unter dem Stichwort «Vergabeprioritäten und Zuschlagskriterien» den «Vorrang von Personen» vor, «die mit minderjährigen Kindern zusammenwohnen».

Seit Mai 2019 gab es aus dem Kreis 1 insgesamt zwei Gesuche für einen Wechsel in eine grössere städtische Wohnung.

 

Weshalb ist ein Wohnungstausch etwa im gleichen Haus nicht möglich? Es gab das Beispiel einer zu grossen und einer zu kleinen Wohnung unter einem Dach. Die Familie mit Nachwuchs musste wegziehen aus dem Quartier.

Auch für diesen Fall gilt die obige Antwort.

 

Wie viele Personen melden sich normalerweise an für eine Wohnungsbesichtigung in der Altstadt? Wie ist die Nachfrage für grosse resp. für kleine Wohnungen (Zimmerzahl)?

Da wir die Bewerberinnen und Bewerber nicht speichern, die der Zufallsgenerator nicht als Teilnehmende an einer Besichtigung ausgewählt hat, kann diese Frage nicht beantwortet werden. In der Regel erheben wir nur bei Erstvermietungen (während der Ausschreibungszeit), wie viele Personen an Besichtigungen teilnehmen möchten.

 

Der Zufallsgenerator wählt die Personen, die zur Besichtigung zugelassen werden. Wie viele sind das?

50 Personen werden zur Besichtigung eingeladen.

(Ursprünglich wurden 30 Personen eingeladen, diese Zahl wurde nach oben angepasst. (Anm. der Red.))

 

Im Tagblatt vom 15. September 2021 waren in der Altstadt vier Zwei- und zwei Vierzimmerwohnungen (eine in der Selnau) ausgeschrieben. Warum lässt man diese Wohnungen nicht in einem Pool für Ersatzangebote?

Liegen durch Unterbelegung begründete Tauschgesuche für kleinere Wohnungen vor, hat deren Bereinigung durch Ersatzangebote Priorität. Es gibt keine Vorgabe, einen gewissen Minimalanteil der frei werdenden Wohnungen öffentlich auszuschreiben. LSZ prüft bei jeder Kündigung, ob passende akzeptierte Tauschgesuche vorliegen. Erst wenn das nicht der Fall ist, wird ausgeschrieben. – Wohnungen können aber nicht «auf Vorrat» freigehalten werden.

 

Was genau passiert am 1.1.2024? Erhalten dann alle die Kündigung, die in einer zu grossen Wohnung leben? Wie sind die Fristen?

Bei bereits vor dem 1.1.2019 bestehenden Mietverhältnissen, die eine Unterbelegung aufweisen, beginnt am 1.1.2024 eine einjährige Duldungsfrist zu laufen (Art. 6 Mietreglement). Nach Ablauf der Duldungsfrist macht LSZ Mietenden in unterbelegten Wohnungen nach Möglichkeit zwei zumutbare Ersatzangebote. Lehnen die MieterInnen diese ohne wichtige Gründe ab, wird LSZ ihnen mit einer Frist von zwölf Monaten kündigen.

 

Interview: Elmar Melliger