Fulminante Abschiedsfeier

Nach bald vierzigjährigem Bestehen hat sich die Feuerwehrmusik Altstadt aufgelöst. Viele weinende und lachende Augen (und Ohren) verfolgten das Abschiedskonzert am 2. Oktober 2021 beim Limmat-Club an der Limmat. – Ein Blick zurück.

«Tatüü, tatüü…» – Nach diesen zwei Takten war jedermann klar: «Das Stück ‹Probealarm›! Hier musiziert die Feuerwehrmusik Altstadt!» Doch unter uns: Das konnte man schon vorher merken. Unter anderem am Gewand konnte man das sehen. Ausnahmslos waren die Musizierenden nämlich gekleidet in historische Feuerwehruniformen. Und auf dem Kopf trugen sie prähistorische Stahlhelme.

Eine Bieridee
Das mit der Feuerwehrmusik kam so: Nach einer Übung der Feuerwehr Kompanie 1 Altstadt (Fw Kp 1 Altstadt) im Herbst 1981 steckten zwei der Feuerwehrmänner, Peter Baur und Andres Bolliger, beim Durstlöschen mit dem Bier die Köpfe zusammen und fassten den Beschluss, eine Musikgruppe aufzustellen, damit es auch mal nach etwas tönt. Im Feuerwehrblatt wurde ein entsprechender Aufruf abgedruckt mit der Aufforderung, sich zu melden, wenn man von Tuten und Blasen eine Ahnung hat. Zuerst zu viert, mit Walter Grob und Jakob Weber, begann man zu proben. Damals war das beim Zoologischen Institut der Universität Zürich, noble Adresse also. Hier war Jack Weber als Hauswart tätig. Im Proberaum allerdings wurden tagsüber Tiere präpariert und so konnte es schon mal etwas streng riechen.
Später probte man im Amtshaus 4 in einem zu später Stunde verlassenen Aufenthaltsraum, ermöglicht durch den Hauswart, das Mitglied Noldi Hohl. Mit dabei war übrigens seine Frau Elsbeth und an den Konzerten über Jahre als Maskottchen die beiden Dackel, in Uniform notabene. (Elsi Hohl und Zineb Benkhelifa blieben über all die Jahre die einzigen Frauen.) Danach fand man ein Probelokal an der Stüssihofstatt, oberhalb der heutigen «Edis Weinstube», dank Peter Preissle. Als es hier eine Änderung gab, war die Musik kurze Zeit zu Gast in der Werktstatt von Walti Grob in Wipkingen, die sich aber als zu «ringhörig» erwies. Schliesslich konnte man sich einmieten beim Schuldepartement am Parkring.

Eingeklemmte Töne
Es gesellten sich weitere Musikanten dazu, die einen mit solider musikalischer Ausbildung und etwa Mitglied beim Armeespiel oder bei der Stadtmusik. Andere der Tuter und Bläser kamen mehr von der Strassenfasnacht, von einer Gugge, etwa den «Disharmonisten».
Wer die Formation in den Anfängen gehört hat, kann bestätigen, dass es durchaus mal einen Ton eingeklemmt hat und Gugge-Feeling aufkommen konnte. Verbrieft ist Folgendes: Als die damalige Kleinformation am Proben war, wollte sich einfach nicht so recht eine schöne Harmonie einstellen, bis der angestrengt korrekt spielende Jack Weber zum allseitigen Gelächter nach etwa einer Stunde bemerkte, dass er den falschen Marsch blies.

Viele Auftritte
Immerhin kam es bereits im ersten Jahr, 1982, zu ersten Auftritten, und das Niveau der Truppe war in steilem Steigflug. Dafür besorgt war Peter Baur, vom ersten bis zum letzten Ton der Leiter der Formation. Er war es, der nach Absprache des Repertoirs die Noten besorgte, die Proben leitete, die Auftritte organisierte.
Und von diesen gab es über die Jahre eine lange, stolze Reihe. Einmal in Fahrt, war die Truppe nicht zu bremsen. Sie spielte an Geburtstagen, Hochzeiten und anderen festlichen Anlässen. Sie war die Altstadtmusik schlechthin, spielte an Quartierfesten am Neumarkt, an Jubiläen des Altstadt Kuriers, am 125-Jahr-Jubiläum des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat, an Generalversammlungen und an Schiffstaufen beim Limmat-Club, alljährlich am Lichterfest im November, jeweils am Eiertütschen am Ostermontag, selbstverständlich beim jährlichen Depotfest der Feuerwehr an der Zähringerstrasse. Etliche Male konnte die Feuerwehrmusik im Muraltengut spielen, der früheren Villa, die für repräsentative Anlässe der Stadt Zürich genutzt wird, was eine besondere Ehre war. Unvergesslich blieb auch die Teilnahme am Internationalen Feuerwehrfest in Interlaken 1995, als man mit dem Oldtimer-Landi-Löschzug über den Brünig anreiste.

Eigene CD, eigener Marsch
Ein Höhepunkt war sicher die CD-Taufe im Rahmen des Neumarktfests vom 24. August 1996. Zugegen war die damalige Stadträtin und Quartierbewohnerin Ursula Koch. Auf der CD zu hören ist «Lexington», der «Marsch Nr. 7», der bereits erwähnte «Probealarm» und der «Dr. Dieter Henne-Marsch». Letzteres kam so: Der im Quartier lebende Komponist Martin Wehrli komponierte den Marsch eigens für die Feuerwehrmusik und Dieter Fips Henne hat das Werk gesponsert, das in der Folge seinen Namen trug. Fips Henne wurde übrigens bereits 1988 zum Fähnrich auf Lebenszeit ernannt, ein Amt, das er in Würde trug. Ausgerechnet beim Abschiedskonzert jedoch konnte der Fähnrich nicht zugegen sein, weil er irgendwo auf dem Mittelmeer auf einem Segeltörn weilte. Das durfte nicht sein, beschloss Walti Grob, vergrösserte eine Fotografie auf Lebensgrösse und zog sie auf Sperrholz auf. Und so war Fips Henne dann doch zugegen. Und als seine Abwesenheit in der Spielpause an einem der Tische angesprochen wurde, meinte einer: «Wieso abwesend, er steht doch da vorn!»

Abschied
In den knapp vierzig Jahren ihres Bestehens hat die Feuerwehrmusik fast vierhundert Auftritte gehabt, wie der Aktuar Walti Grob erklärte. Grund zu Stolz für den Kapellmeister Peter Baur: «Wir haben es von einer besseren Gugge zu einer stattlichen Blechmusik gebracht. Wichtig war immer der Humor, wir waren an der Grenze zum Satirischen.»
Der letzte Auftritt war ein emotionaler. Auf Antrag des Leiters Peter Baur nämlich hat die Feuerwehrmusik vor einiger Zeit ihre Auflösung beschlossen. Er selber hält sich vermehrt im Tessin auf, zudem sind einige der langjährigen Mitglieder in die Jahre gekommen. «Besser auf dem Höhepunkt aufhören, wenn es am schönsten ist», lautet die Devise des Kapellmeisters. Und nach einem letzten Proben-Effort traten die Mitglieder der Feuerwehrmusik Altstadt am Samstagmittag, 2. Oktober 2021 bei schönstem Sonnenschein auf dem Plätzchen beim Limmat-Club direkt am Wasser vor die zahlreichen geladenen Gäste und gaben ein Konzert, das kein Auge trocken liess. Es gab weinende und zuletzt ganz viele lachende Augen. Zum Abschluss folgte wie immer der Sechseläutenmarsch. Es war wiederum einfach schön, das Konzert unserer schrägen, geliebten Feuerwehrmusik! Dazwischen gab es kurze Abschiedsreden, eine Liebeserklärung durch Elsa Feurer an die Feuerwehrmusik und einen herrlichen Apéro, offeriert vom Limmat-Club.
Herzlichen Dank der Feuerwehrmusik für all die frohen Stunden, die sie dem Quartier geschenkt hat!

Elmar Melliger