Detailhandel unter Druck

Die Schliessung gleich mehrerer Läden im Quartier innert kürzester Zeit ist beunruhigend. Von der Metzgerei über die Apotheke zum Reformhaus ist alles dabei. – Immerhin gibt es auch Erfreuliches zu berichten.

Gross war die Enttäuschung, als eine Erfolgsgeschichte vor einem Jahr ein jähes Ende fand. Othmar Zgraggen konnte vor über 40 Jahren als junger Mann die Metzgerei am Hirschenplatz übernehmen. Als ein Umzug nötig wurde, bot die städtische Liegenschaftenverwaltung Hand und die Metzgerei Zgraggen zog an die Stüssihofstatt. Als Sohn Fabio, gelernter Metzger, 2010 in den Familienbetrieb einstieg, schien die Zukunft des Geschäfts gesichert, die Nachfolgeregelung schien gelungen. Doch dann, Ende Februar 2022, folgte die Nachricht der Schliessung, die Arbeitsbelastung war zu gross geworden.
Liegenschaften Stadt Zürich akzeptierte den vorgeschlagenen Nachmieter und im Mai 2022 eröffnete die «Wursterei by Hinz & Kunz», sozusagen als Filiale der Metzgerei Würmli aus Elgg/Gundetswil. Es war die Absicht, das Bewährte weiterzuführen und das Sortiment etwas zu straffen. Gestrichen aus dem Angebot wurden Fisch und Käse.
Bald zeigte sich, dass der vordere Bereich mit warmen Speisen zum Mitnehmen oder Konsumieren vor Ort gut lief. Sorgen bereitete jedoch der hintere Teil, der Fleischverkauf. Das Personal wurde reduziert und nicht mehr nur am Montag blieb das Geschäft nun geschlosssen, auch die Öffnungszeiten wurden massiv eingeschränkt. Statt wie beim Vorgänger von 7 bis 19 Uhr war der Laden die letzten Monate von 10 bis 16 Uhr, Freitag und Samstag von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Wie ein Anwohner sagte: «Immer wenn ich an dem Laden vorbeigehe, ist er geschlossen.»
Definitiv geschlossen wurde das Geschäft am 24. Dezember 2022 um 16 Uhr. Die Stammkundschaft hat es im Lauf der Woche durch Nachfragen bestätigt bekommen. Eine Ankündigung oder Information dazu gab es nicht. Im Quartier bedauert man die Schliessung der letzten Metzgerei. Ebenso bei Liegenschaften Stadt Zürich, wie der Sprecher Kornel Ringli auf Anfrage erklärte und ergänzte: «Wir hätten noch Hand geboten für eine Mietzinsreduktion. Aber dazu ist es nicht mehr gekommen.» Man werde in Kürze über das weitere Vorgehen entscheiden. – Zu hoffen ist, dass es wieder eine Metzgerei gibt.

Rosen-Apotheke
Die Mitteilung, dass die Apotheke am Hirschenplatz geschlossen werde, hat im Quartier ebenso Bedauern ausgelöst. Die Geschichte der Apotheke reicht zurück bis 1785. Im Jahr 2010 wurde sie in die Topwell-Gruppe integriert, die 2019 ihrerseits von Medbase übernommen wurde, einem Unternehmen der Migros. Dieses hat nun entschieden, den Standort per Ende 2022 aufzugeben, infolge seit Jahren stetig rückläufiger Umsatzzahlen, wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilte (Altstadt Kurier, Dezemberausgabe).
Die Rosen-Apotheke würde fehlen im Quartier. Die nächste Apotheke befindet sich am Bellevue resp. beim Central. Ob die Apotheke wohl zu retten wäre, fragen sich manche im Quartier. Der Hauseigentümer, die Liegenschaft ist seit Jahrzehnten in Familienbesitz, wäre erfreut, wenn es eine Möglichkeit gäbe. Eine Option – so die Einschätzung eines Apothekers – wäre vielleicht die Gründung einer Genossenschaft, welche die Apotheke führt und nicht gewinnorientiert arbeitet. Im Moment ist das allerdings eine vage Zukunftsmusik.

Reformhaus
Die Nachricht der Schliessung von Reformhaus Müller hat eingeschlagen. Ebenfalls zum Jahreswechsel 2022/2023 hat das Unternehmen Konkurs angemeldet. Betroffen sind alle 37 Filialen landesweit und 298 Mitarbeitende, wie man aus den Tagesmedien erfahren konnte. Im Kreis 1 betrifft es das Stammhaus am Rennweg 15 sowie die Filialen an der Löwenstrasse 30 und im Hauptbahnhof. Damit geht eine über 100-jährige Firmengeschichte zu Ende. Unter anderem die zunehmende Konkurrenz der Grossverteiler hat dem Unternehmen zugesetzt.
Es besteht die Hoffnung, dass einige der Läden übernommen und bald schon wiedereröffnet werden. Interessenten, so hiess es, gebe es mehrere.
«Chäs Chäller»
Der «Urban Food Store – Chäs Chäller» an der Niederdorfstrasse 46 sollte per Ende März 2023 schliessen, so der Plan (Altstadt Kurier, Dezemberausgabe 2022).
Doch Dany Michaels, die den Laden seit fünf Jahren führt, hat sich zusammen mit Susanne Wohnlich und Joni Mosimann dazu entschlossen, das Geschäft zu übernehmen. Liegenschaften Stadt Zürich hat der Übertragung des Mietverhältnisses zugestimmt.
Um das Vorhaben finanzieren zu können, hat Dany Michaels ein Crowdfunding gestartet. Dieses wurde Ende Dezember erfolgreich abgeschlossen. «Es sind 22 013 Franken zusammengekommen», erklärte Dany Michaels. Damit kann sie das Inventar übernehmen und den Betrieb wie vorgesehen am 1. April starten. «Dieses Resultat zeigt mir, dass die Leute wollen, dass der Laden erhalten bleibt, dass er ihnen etwas bedeutet. Ich liebe den Laden sowieso! – Es ist gewaltig, ich bin überglücklich!»

 

Elmar Melliger