Das Malatelier im Hofgebäude

In einem Hof am Neumarkt befindet sich seit zehn Jahren ein Malatelier, das Kursteilnehmende von nah und fern anzieht. Geleitet wird es von Serge Pinkus.

Von zwei Seiten her erreichbar ist das Malatelier. Entweder man wählt den schmalen Durchgang zur Gartenwirtschaft des Restaurants «Neumarkt» vom Neumarkt her, geht an deren Eingang vorbei und steht vor der Tür. Oder man gelangt von der Froschaugasse her durch die hier ebenso schmale Synagogengasse zum Hofgebäude Neumarkt 5a.
Im Obergeschoss befindet sich das Atelier von Serge Pinkus, das er seit zehn Jahren in Untermiete von seiner Mutter Helen hat, die hier als Grafikerin tätig war und im Quartier wohnt. Auf der gleichen Etage befindet sich die Antikschreiner-Werkstatt von Christian Schwarz, der im Erdgeschoss sein Fotostudio hat und das Theater Neumarkt Lagerräume.
Der Gebäudekomplex hiess früher «Zur Eintracht» und war Versammlungslokal von Kommunisten und Gewerkschaftern, die das Haus in der Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren der Stadt verkauften. Heute beherbergt das Haus die Wirtschaft «Neumarkt» und wird als Zunfthaus genutzt, im zweiten Obergeschoss ist das Theater Neumarkt. Im heutigen Malatelier war anfangs 20. Jahrhundert die Redaktion der Zeitung der Kommunisten, danach war hier ein Fotograf eingemietet, bis 1966 Helen Pinkus ihr Grafikatelier einrichtete.

Illustre Familie
Serges Grosseltern waren übrigens Theo und Amalie Pinkus, er Publizist, Verleger und Buchhändler, sie Frauenrechtlerin und Buchhändlerin. Sein Vater André wirkt als Filmtechniker in Altstetten, sein verstorbener Onkel Marco führte das Buchantiquariat an der Zähringerstrasse, sein Onkel Felix hat seit vielen Jahren einen Stand am Rosenhofmarkt. Serge Pinkus (1969) ist in Egg aufgewachsen, wo seine Familie an der Kulturbeiz «Sonne» beteiligt war. Sein Bruder  Pablo ist Erfinder geworden und lebt in Amsterdam, seine Schwester Ona ist Fotografin in Zürich. Er stammt aus einer politischen Familie, seine Eltern haben sich gegen das Bürgerliche abgegrenzt, in der Hochkonjunktur, er ist in Kommunen aufgewachsen. «Ich habe nicht auch noch politisieren müssen», sagt er, «dazu bin ich erst später gekommen.» Er sei eher der «Entrepreneur», das liege ihm näher als Kommune und Kollektiv.
Nach dem Vorkurs an der Kunstgewerbeschule hat er fünf Jahre in New York gelebt, hat ein Kunststudium absolviert, hat geschrieben. Zurück in Zürich, konnte er von Rosina Kuhn Kurse übernehmen an der Kunstgewerbeschule. Da habe er gemerkt, dass ihm das Unterrichten liege. Er lebe weniger in einer «Bubble» als seine Eltern, er könne es mit allen gut.

Schule und Atelier
Als die Kunstgewerbeschule zur Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) mutierte, wurden die öffentlichen Kurse, welche durchaus Niveau hatten, abgeschafft. Zusammen mit anderen Dozierenden gründetete er 2012 den Verein Dranbleiben (www.dranbleiben.ch), mit dem Ziel, die Kurse weiterzuführen. Dezentral in Zürich und Umgebung, je im Atelier der betreffenden Kunstschaffenden. So bieten die Dozierenden rund vierzig Kurse an, die gut besucht werden.
Ausserhalb seines Ateliers bietet Serge Pinkus monatlich einen Aktzeichenkurs an, in der Wohnsiedlung Tiefenbrunnen und ausserdem Malkurse im Piemont.
Darüber hinaus ist Serge Pinkus tätig als Dozent an der ZHdK, er betreut das Propädeutikum (früher Vorkurs) und ist angestellt im Departement Design, wo er Zeichnen für Game-Designer unterrichtet. Und er engagiert sich als Dozierendenvertreter in Entwicklungsgremien der ZHdK.
Damit hat er zwei Standbeine, was der Vater von vier Kindern (und bereits Grossvater) als Segen empfindet. Neben der Tätigkeit an der ZHdK schätzt er es, mit seinem Atelier selbständig tätig zu sein.

Malatelier
In seinem Malatelier malt er natürlich selber, meist in Öl, während die Kursteilnehmenden mit Acryl oder Gouache arbeiten, weil für das Trocknen von Ölgemälden zu wenig Platz vorhanden ist. Kurse à drei Stunden bietet er an drei Tagen die Woche an, einen oder zwei pro Tag. Ideal ist eine Gruppe von sieben Personen. Der Raum ist ja nicht allzu gross, etwa dreissig Quadratmeter, und das Modell und die Staffeleien brauchen Platz. Zeichnen und Malen ab Modellen bietet er an, Porträt-Malerei, Aktzeichnen, figürliches Zeichnen. Von seinem Vater hat er viel über Licht und Beleuchtung lernen können, was ihm hier zugute kommt.
In seinem Malatelier haben schon Ausstellungen und Lesungen stattgefunden, es wird rege genutzt. Beispielsweise war hier die Buchvernissage der Poesiebände der (verstorbenen) Altstadtbewohnerin Christina Profos-Meienberger, deren Bücher Serge Pinkus illustriert hat.
Der Blick aus dem Fenster zeigt einen verträumten Altstadtgarten. Eine baumbestandene Gartenwirtschaft vor der Saisoneröffnung, die bald belebt sein wird. Ein schöner Ort für ein Malatelier. Was Serge Pinkus und die Kursteilnehmenden durchaus zu schätzen wissen.

Elmar Melliger


Serge Pinkus, www.kunststoff-sergepinkus.ch, www.dranbleiben.ch.