Wie weiter mit dem Wohnen?

Viele der seit Jahren in einer städtischen, selbsttragenden Wohnung lebenden Personen blicken mit Sorge in die Zukunft. Was ändert sich im nächsten Jahr, womit muss man rechnen? Der Altstadt Kurier hat einige Fakten zusammengestellt.

Warum ist das Wohnen in städtischen Liegenschaften speziell in der Altstadt ein Thema?
In der Altstadt sind gut ein Fünftel der Wohnungen, rund 820, in städtischen Liegenschaften. Das liegt daran, dass die Stadt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts viele Häuser erworben hat, an deren Stelle sie Amtshäuser oder Strassen bauen wollte. Was nie geschehen ist.

Weshalb machen sich viele hier wohnende Personen Sorgen?
Am 10. Januar 2018 hat der Gemeinderat einstimmig eine neue Vermietungsverordnung erlassen. Die neue Vermietungsverordnung betrifft die von der Stadt zur Kostenmiete vermieteten, also selbsttragenden Wohnungen (im Unterschied zu subventionierten Wohnungen). Sie hält die Grundsätze für Vermietungen fest. Der Stadtrat hat sie per 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt und dazu ein Mietreglement erlassen. Der städtischen Liegenschaftenverwaltung, der Ligi, heute Liegenschaften Stadt Zürich (LSZ) genannt, oblag die Ausarbeitung dieses Reglements.

Was ändert sich gegenüber früher?
Bereits seit etwa fünfzehn Jahren achtet LSZ darauf, dass die Wohnungen gut belegt sind und schon immer, dass das Einkommen und die Höhe der Miete in einem angemessenen Verhältnis stehen, zum Zeitpunkt der Vermietung. Neu ist, dass diese Grundsätze detaillierter geregelt sind, auch ältere Mietverhältnisse betreffen und dass deren Einhaltung regelmässig überprüft wird.

Wie lauten die Belegungsvorschriften?
Diese besagen, dass in einer Wohnung mindestens so viele Personen leben sollen wie die Zimmerzahl, minus eins. In einer Drei- bis Dreieinhalbzimmerwohnung also mindestens zwei Personen etc. Ändern sich die Verhältnisse, so hat das Konsequenzen auch für ältere Mietverhältnisse, die bei Inkraftsetzung der neuen Vermietungsverordnung schon bestanden haben.

Und die finanziellen Vorgaben?
Bei Mietbeginn soll das steuerbare Haushaltseinkommen gemäss Steuerrechnung nicht grösser sein als das Vierfache der Bruttowohnungsmiete.  Und im Lauf der Mietdauer soll es das Sechsfache nicht überschreiten. Das war ein Kompromiss im Gemeinderat. Damit wollte man eine Einkommensentwicklung ermöglichen und Drehtürvermietungen vermeiden, nicht dass bei der ersten Lohnerhöhung eine neue Wohnung gesucht werden muss.

Was also, wenn die Kinder ausziehen?
Wenn weniger Personen in einer Wohnung leben, erfüllt man die Belegungsvorschrift nicht mehr. Dann muss eine kleinere Wohnung bezogen werden.

Warum steigt die Nervosität im Quartier, was passiert am 1. Januar 2024?
Nichts. Bei der Inkraftsetzung des neuen Mietreglements per 1. Januar 2019 wurde für laufende Mietverhältnisse eine Übergangsfrist von fünf Jahren gewährt. Diese endet am 31. Dezember 2023. Im Lauf des Jahres 2024 beginnt LSZ damit, die aktuelle Belegung und die wirtschaftlichen Verhältnisse zu erheben. Das ist ein aufwendiges Vorhaben, das Zeit beansprucht.

Wie funktioniert das mit den wirtschaftlichen Verhältnissen?
Teil des Kompromisses im Gemeinderat war, dass bei fünfzehn Prozent der Mietverhältnisse die wirtschaftlichen Bedingungen nicht eingehalten werden müssen. Diese fünfzehn Prozent werden über anonyme sozioökonomische Daten erhoben. Die wenigen Haushalte mit wirklich sehr hohen Einkommen wären als erste betroffen, wenn Kündigungen nötig würden.

Bei wie vielen Mietverhältnissen dürfte das der Fall sein?
Bei einer Ende 2016 durchgeführten Erhebung lag diese Quote gesamtstädtisch bei 17,9 Prozent. Wie das heute aussehen würde, lässt sich nicht sagen. Wobei seit einigen Jahren bei Mietbeginn die Einhaltung der Bedingungen genau geprüft wird. Ausserdem wurden zahlreiche neue Wohnungen in städtischen Siedlungen gebaut, zudem gibt es eine natürliche Fluktuation. Womit sich diese Quote vermutlich eher verkleinert hat.

Wie setzt sich der massgebliche Einkommensbetrag zusammen?
Die steuerbaren Einkommen der im Haushalt lebenden Personen, also das Haushaltseinkommen, darf das Sechsfache des Bruttomietzinses nicht überschreiten. (Bei Einkommen unter 70 000 Franken gilt das nicht.) Das 200 000 Franken übersteigende Vermögen wird zu zehn Prozent zum steuerbaren Einkommen dazugerechnet. Bei einem Vermögen von 300 000 Franken würden also 10 000 Franken zum Jahreseinkommen dazugezählt.

Wie ist es mit den Belegungsvorgaben?
Hier gibt es keine Fünfzehn-Prozent-Pufferzone. Wer die Vorgaben nicht erfüllt, muss die Wohnung aufgeben. Die Vorgaben werden mindestens alle zwei Jahre kontrolliert.

Was geschieht in einem solchen Fall?
Die Ligi wird nach Möglichkeit (bis zu einem Haushaltseinkommen von 230 000 Franken) zwei zumutbare Ersatzwohnungen anbieten, wobei diese nicht unbedingt im eigenen Quartier sein müssen, sondern irgendwo in der Stadt liegen können. Lehnt man ab, erfolgt die Kündigung, mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr.

Gibt es Ausnahmen?
Wer wegen eines Todesfalls in der Familie in einer zu grossen Wohnung ist, erhält eine Frist von maximal zwei Jahren. Personen über 80 Jahren wird in der Regel ein Umzug nicht mehr zugemutet. Wenn jemand krank ist, wenn soziale Not im Spiel ist oder eine spezielle Wohnsituation von den Räumen her (gefangene Zimmer, kleine Räume), wird man das berücksichtigen. (Weitere Ausnahmen sind im Mietreglement zu finden.)

Muss man wegen Unterbelegung eine neue Wohnung suchen, was gilt dann betreffend der wirtschaftlichen Vorgaben?
Das Haushaltseinkommen soll das Sechsfache der Miete nicht übersteigen.

Müssen alle in der Wohnung lebenden Personen Familienmitglieder sein?
Grundsätzlich sind auch Wohngemeinschaften erlaubt. Allerdings verschärft sich dann der Aspekt der wirtschaftlichen Vorgaben.

Wenn die Kinder ausziehen und die Mindestbelegung unterschritten wird, wie soll man sich verhalten?
Sobald sich eine Unterbelegung abzeichnet, kann man bei der Ligi ein Tauschformular verlangen. Während der Übergangsfrist ist es vermutlich einfacher, eine Ersatzwohnung zu finden. Wird die Wohnung dagegen zu klein und will man sich vergrössern, muss die Ligi nicht Hand bieten für einen Wechsel.

Wann erfolgen die Erhebungen betreffend Belegung und wirtschaftlichen Verhältnisse?
Die Überprüfung der Belegungsvorschriften wird spätestens per Ende 2024, die erste anonymisierte Auswertung zur Kontrolle der wirtschaftlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der 15-Prozent-Vorgabe spätestens im Lauf des Jahres 2025 erfolgen. Die erste Veröffentlichung der anonymisierten Auswertung der erhobenen Vorgaben erfolgt spätestens Ende 2025.

Wie dürfte sich das Quartier verändern, die Bevölkerungsstruktur, durch die neuen Bestimmungen?
Der Gemeinderat hat die Vermietungsverordnung erlassen, die Ligi muss sie umsetzen. Grundsätzlich ist die Stadt gemäss Gemeindeordnung dazu verpflichtet, die soziale Durchmischung in allen Quartieren zu erhalten und Familienwohnungen anzubieten. Im Kreis 1 sind 22 Prozent der Wohnungen in städtischen Liegenschaften. Das ist ein grosser Prozentsatz, und anderweitig eine zahlbare Wohnung zu finden, ist nicht einfach.

Wo erhält man Antworten zu weiteren Fragen?
Unter www.stadt-zuerich.ch/wohnungen ist die Vermietungsverordnung sowie das Mietreglement zu finden, ebenso Fragen und Antworten zum neuen Mietreglement.

Elmar Melliger