Es erstrahlt in voller Pracht

Im Mai letzten Jahres berichtete der Altstadt Kurier über die Bauarbeiten am «Haus zum Kiel» am Hirschengraben 20. – Nun ist die Sanierung des denkmalgeschützten Hauses erfolgreich abgeschlossen, wie ein Rundgang Ende August 2023 zeigte.

Der Einblick in die Baustelle im Mai 2022 führte eindrücklich vor Augen, welche Schwierigkeiten bei der notwendig gewordenen umfassenden Sanierung des um 1718 erbauten denkmalgeschützten, seit 1932 im Besitz der Stadt befindlichen Hauses zu bewältigen waren. Frühere Renovationen hatten nur der Erneuerung der Fenster, der Auffrischung des prunkvollen Musiksaals und der Ausbesserung der Fassade gegolten.
Den seit langem bekannten baulichen Mängeln war man bisher aber nicht zu Leibe gerückt. Tatsächlich sind die Jahrhunderte nicht spurlos am Gebäude vorübergegangen: Aus der zunehmenden Überlastung des Tragwerks ergaben sich statische Probleme, die zu sichtbaren Schäden und sogar zu teilweiser Einsturzgefahr führten (sodass aus Sicherheitsgründen Stützen angebracht wurden), zudem entsprach die gesamte Haustechnik – elektrische Installationen, Kücheneinbauten und sanitäre Anlagen – nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen.
Beträchtliche Absenkungen der Böden in den oberen Stockwerken, die in der Mitte der Geschosse bis zu 43 Zentimeter betrugen, mussten ausgeebnet werden. Dabei legte man Wert auf die Erhaltung der alten Bodenbeläge: Sorgfältig wurden die originalen Parkett- und Tonplattenböden Stück für Stück ausgebaut, um sie im restaurierten Zustand möglichst an den ursprünglichen Orten wieder auf die neuen Tragstrukturen zurückzulegen. Das Beibehalten möglichst vieler Bauteile gehörte auch sonst zum Grundsatz der von der Denkmalpflege aufmerksam begleiteten Renovation. So blieben die alten eingebauten Wandschränke, in den Massen den neuen Verhältnissen angepasst, an ihrem Platz in den Korridoren und Zimmern stehen, einige noch funktionierende Radiatoren der ersten Zentralheizung wurden übernommen, und sogar die durch den Umbau der Stockwerke überflüssig gewordenen ursprünglichen Wohnungstüren aus Nussbaum mit barockem Beschlagwerk und kleinem Spionenfensterchen konnten innerhalb der neu konzipierten Wohnungen als Zimmertüren wiederverwendet werden.

Grosszügige Wohnungen
Ein Hauptanliegen der Instandsetzung des Hauses «zum Kiel» bestand im Umbau der drei grossen 6-Zimmerwohnungen in den oberen Etagen, die bisher die ganze Geschossfläche einnahmen. Die Unterteilung der Stockwerke ergab sich aus dem dezentral angelegten Treppenhaus, so dass nun jeder Stock mit einer 2,5- und einer 3,5-Zimmer-Wohnung von je rund 85 bzw. 145 Quadratmetern belegt ist, die in den einzelnen Geschossen jeweils den gleichen Grundriss aufweisen. Die Wohnungen dieser besonderen Liegenschaft sind übrigens durch Liegenschaften Stadt Zürich bereits alle zu Marktmietpreisen vermietet worden.
Den heutigen Lärmvorschriften entsprechend orientieren sich die Wohnräume und die Küchen nach dem verkehrsreichen Hirschengraben, während die Schlaf- und Badezimmer auf den ruhigen rückseitigen Innenhof ausgerichtet sind. Die modern ausgerüsteten und hochwertig materialisierten Küchen (unter anderem Abdeckungen mit grünem Andeer) sind jeweils mit breiten Flügeltüren mit dem daneben liegenden Wohnzimmer verbunden, was den Wohnungen zusätzliche Grosszügigkeit verleiht. Alle Räume, zum Teil ausgestattet mit Deckenstuckaturen und historischen Kachelöfen, wirken ausgesprochen repräsentativ – und lassen die Vermietung zu Marktmieten nachvollziehen. Im Dachgeschoss, dem nachweislich ältesten Mansarddach in der Zürcher Altstadt, dessen Balken, dendrochronologisch untersucht, die Bauzeit des Hauses von 1717/18 bestätigen, befindet sich neben den Estrichräumen ein Mansardenzimmer, das als Studio oder Gästezimmer zu einer der Wohnungen zugemietet werden kann.

Einzigartige Gewerbenutzung
Das Erd- und das Untergeschoss ist für eine gewerbliche Nutzung vorgesehen. Die 440 Quadratmeter umfassende Geschäftsfläche setzt sich zusammen aus vier Büros, dem prachtvollen Musiksaal mit den 1775 von Valentin Sonnenschein geschaffenen spätbarocken Stuckaturen und dem daneben liegenden Salon. Dazu gehört auch der erneuerte grosse Saal im Untergeschoss, für verschiedenste Veranstaltungen geeignet, der dank dem Einbau einer zusätzlichen Fluchttür für maximal hundert Personen zugelassen ist.
Da der Haupteingang des Hauses und die Eingangshalle von den Mietern der Wohnungen und dem Betreiber der Gewerberäume gemeinsam genutzt werden und der Saal und seine Zugangstreppe akustisch nicht voneinander getrennt werden können, achtet Liegenschaften Stadt Zürich bei der Vermietung auf eine gute Verträglichkeit der Gewerbe- und der Wohnnutzung. Noch ist die Stadt auf der Suche nach einer geeigneten Mieterschaft, welche die Gewerberäume mit Sinn für den besonderen kulturhistorischen Ort zu nützen bereit ist.
Auch die hofseitigen Nebengebäude des «Hauses zum Kiel», die kleine Remise und der grössere Anbau, wurden in die Renovation einbezogen und so umgebaut, dass nun in der Remise eine 1,5-Zimmer-Maisonette-Wohnung und im Anbau eine Maisonette-Wohnung mit drei Zimmern zur Verfügung stehen.
Das umfangreiche Erneuerungsprojekt, für dessen Realisierung 13,3 Millionen Franken bewilligt worden waren, wurde vor kurzem erfolgreich abgeschlossen. Während die Projektverantwortlichen der Stadt und die Architekten des Zürcher Büros Edelmann Krell den finanziellen Rahmen einhalten konnten, zog sich die Ausführung, deren Ende ursprünglich im Dezember 2022 geplant war, in die Länge. Grund dafür waren – neben der Pandemie – vor allem unerwartete Tücken der alten Bausubstanz, die zeitraubende Abklärungen und besonders sorgfältiges Vorgehen erforderten.

Matthias Senn