Eins mit dem Beruf und den Menschen

Im Jahr 1970, vor 55 Jahren, hat Heinz Hofer im Coiffeur-Salon am Neumarkt 14 zu arbeiten begonnen. Noch immer ist er hier zwei Tage die Woche.

Heinz Hofer hält Hof. Das zu sagen wäre unfair, denn royales Gehabe liegt bei ihm in weiter Ferne. Aber lange allein ist er nicht, wenn er beim Mittagessen im Restaurant «Kantorei» sitzt, in der warmen Jahreszeit natürlich mit Vorliebe im Freien. Hier kehrt er am liebsten ein, hier kennt er alle und ist allen bekannt.

Geboren 1950, hat seine Familie zunächst an der Strehlgasse gewohnt, um dann an den Kreuzplatz zu ziehen, wo er die Schulen besuchte, in den Schulhäusern Hofacker, Freie­strasse, Neumünster. Im Kreis 6 hat er seine Lehre als Herren-Coiffeur absolviert und ein viertes Jahr angehängt, um das Damenfach zu lernen. Somit war er Herren- und Damen-Coiffeur – und ist es bis heute.


Am Neumarkt

Nach der Lehre, 1970, fand er eine Anstellung beim Coiffeur Arnold Bärweger am Neumarkt 14. Im Jahr 1981 konnte er das Geschäft übernehmen und nannte es «Haar-Schopf», womit sein Humor bereits im Firmennamen aufblitzt. Seither hatte er immer Mitarbeitende. Er rechnet kurz nach – wir sitzen nach dem Feierabend vor der «Kantorei» bei einem Getränk – und kommt auf neun Angestellte insgesamt, die im kleinen Raum nacheinander neben ihm tätig waren, zweitweise arbeitete man zu dritt gleichzeitig – es hat drei Arbeits­plätze –, die meiste Zeit zu zweit.

Wie die Jahre vergingen, kam die Zeit der Zukunftsplanung, und Heinz Hofer begann sich umzusehen nach einem Nachfolger. Schliesslich verkaufte er 2020 sein Geschäft an Andrea Polito, der davor bei Coiffeur Michele, bei seinem Vater, an der Schifflände 10 arbeitete, im früheren Restaurant «Eckstein». Bereits zuvor kannte und schätzte man sich und hatte man sich gegenseitig Kundschaft zugehalten, wenn es gerade einen Engpass gab.

Heinz Hofer arbeitete fortan als Angestellter in seinem geliebten Coiffeur-Salon weiter, derzeit noch zwei Tage die Woche: «Ich habe gemerkt, dass ich den Neumarkt brauche.» Damit ist die Arbeit gemeint und auch all die Kontakte, welche die Arbeit und die Örtlichkeit mit sich bringen: «Ich bin derart eins mit dem Beruf und mit den Menschen hier!» Im Übrigen höre er von seinen Stammkunden Sätze wie: «Nun habe ich den Arzt und den Zahnarzt wegen deren Pensionierung verloren. Du darfst nicht auch noch gehen! – Du bleibst einfach.»


Reden oder schweigen

Was liegt ihm eigentlich besser bei der Arbeit, zu reden oder zu schweigen? «Ich bin ein Coiffeur, der gern redet», gibt er zur Antwort, «ich kann aber auch ruhig sein, wenn ich spüre, dass es besser passt.» Und gut zuhören könne er auch, er habe grosse Ohren, sagt er und beschreibt mit den Händen grosse Kreise um seine Ohren. «Ich möchte Wünsche hören.» Und wie steht es mit Tabuthemen, die man besser nicht anspricht? Beim Thema Politik ist er eher zurückhaltend, ausser wenn etwas Grosses sich ereignet hat. «Bei meinem Beruf kommt man sich nah, das hat etwas Intimes.» Mit der Zeit, so sagt er, kenne man das Gegenüber. Man spricht über ähnliche Themen, und er freut sich, wenn man über etwas reden kann, das beide etwas angeht. «Gern rede ich auch über mein Fach, die Musik.»


Drummer in Bands

Den ganzen Tag zu stehen und die Arme hochzuhalten, das macht ihn dann schon müde bis am Abend. Vor allem seit einem Sturz mit dem Snowboard vor einigen Jahren spürt er dann die Schultern und die Arme. Aber untätig herumsitzen mag der 75-Jährige noch lange nicht. So ist er seit vielen Jahren der Drummer der «Cordon Blues Band», die sich dem Rhythm’n’Blues verschrieben hat. Ausserdem gibt er den Takt an beim «King’s Clan» (Elvis-Songs) und bei «The Tune Flakes» (Swing und Jazz).

Vom Kreuzplatz her zur Arbeit fährt er übrigens noch immer mit dem Velo. Ab nächstem Jahr, so hat er gerade abgemacht, kommt er noch zweimal zwei Tage im Monat. 

Und vielleicht macht er zwischendurch mal einen Hausbesuch. Wie heute schon, wenn der bekannte Gemeindepräsident von St. Moritz ihm eine Mitteilung sendet: «Haar-Alarm.» Dann meldet er sich und verabredet einen Termin mit dem vielbeschäftigten Politiker, Tenor und Kulturveranstalter Christian Jott Jenny in dessen Zürcher Büro an der Münstergasse. Da kann Heinz Hofer dann fachsimpeln, auch über sein Lieblingsthema, die Musik.


Elmar Melliger