Milde Korrektur zur Stadt der Superlative

In den internationalen Statistiken steht Zürich immer auf den ersten Plätzen. Im Stadtrat klopft man sich dann gegenseitig lobend auf die Schultern. Alles scheint in Ordnung. Stimmt das auch? Sehen wir uns einmal im Kreis 1 etwas um.

Der Rennweg wurde 1995 erwähnenswert schnell als Fussgängerzone neu gestaltet und feierlich eingeweiht. Nun, im Jahr 2006, ist es so weit. Rekurse verhinderten also elf Jahre die richtige Einführung. Die Zone rechts der Limmat wurde letztes Jahr eingeführt. Zugegeben, die Autofahrten nach zwölf Uhr haben abgenommen, hingegen die Velofahrer (die auf der Titelseite die Broschüre über das neue Verkehrsreglement schmückten, siehe Foto), hielten sich nie daran, links und rechts sausen sie vorbei an Kindern, älteren Leuten und überhaupt Fussgängern, die sich in einer Fussgängerzone wähnen und hin und her gehen. Auch am Rennweg verspricht nun eine Broschüre, dass alles besser werde. Nach den Erfahrungen rechts der Limmat glaube ich es erst, wenn ich es sehe. Zürich, kann ich aus Erfahrung sagen, hat neben Münster in Deutschland, wo man besser das Haus nicht verlässt, die undiszipliniertesten VerlofahrerInnen in Europa. Zum Beispiel am Limmatquai, wo trotz speziellen Velofahrverbotstafeln alle Minuten einige Velofahrer durch den Bauverkehr radelten. Darauf angesprochen, sagte ein Polizist: «Da hätten wir viel zu tun, die alle aufzuschreiben.» Ja, was soll denn das?

Unbequeme Pflästerung
Wenn Fussgänger, speziell Frauen, die Wahl zwischen gepflästerten und geteerten Wegen haben, wählen sie fast immer die letzteren. Rollwagen und Koffer mit Rollen machen auf den Pflastersteinen einen Heidenlärm und sind schwerer zu schieben oder zu ziehen. Rollstühle sind schwerer zu handhaben. Der Unterhalt der Pflästerung ist teurer, oder wird wie im Rosenhof vernachlässigt. Warum alles pflästern, wir leben doch nicht mehr im Murerplan. Oder wenigstens einen Teer- oder Marmorstreifen in der Mitte einbauen, wie im Tessin. Zum Wohle der Fussgänger in den Fussgängerzonen.

Verstopfte Gassen
Unschön sind auch die verstopften Gassen bis zwölf Uhr. Manche Frau mit Kinderwagen muss wieder umkehren, weil sie zwischen den Lastwagen kein Durchkommen findet. Hier sei darauf hingewiesen, dass es in deutschen und auch französischen Städten so genannte Warensammelstellen gibt, von denen aus kleinere Lieferwagen die Gassen beliefern. Natürlich geht das nicht für alles, aber die Schlangen in der Münstergasse oder an der Stüssihofstatt würden doch etwas kürzer. Dies wäre eine Pioniertat.

Autoverkehr
Zum Autoverkehr ist festzustellen, dass Zürich ungefähr zwanzig Jahre nach Genf ein Parkleitsystem entwickelte, das bald einmal revidiert werden musste. Im Prinzip ist Zürich eine «Entwicklungsstadt», es muss immer etwas ganz Neues entwickelt werden. Siehe später auch Unterflur-Container. Hingegen mit der Zufahrt zum Hauptbahnhof rangieren wir ganz hinten. Wer einmal jemand beim Bahnhof abladen wollte, weiss, wovon ich spreche. – Das Trauerspiel Opernhausparking und die Platzgestaltung des so genannten Sechseläutenplatzes, der eigentlich mehrheitlich für Jubiläen und Rummel gebraucht wird, stellen noch die traurigste Aufführung in der Oper in den Schatten. Wo sind denn hier die Macher? Bestimmt haben wir zurzeit genug Baustellen in der Stadt, doch wenn wirklich etwas Schönes vor dem Opernhaus entstünde und die Autos im Boden verschwänden, hätte sicher niemand etwas dagegen.
Noch ein Blick über die Grenzen unseres Kreises. Zürich ist die letzte Schweizerstadt ohne vollständige Um- oder Unterfahrung. Man müsste in diesen Umfragen auch einmal die Bewohner der West- oder der Rosengartenstrasse einbeziehen. – Die Chauffeure der teuersten Taxis der Schweiz sind erwiesenermassen freundlicher geworden. Aber einheitliche Taxis (blau/weiss?) wie sonst in der Welt wären ja auch kein Luxus. Jedenfalls besser als normierte Marronihäuschen und Bootsvermietungen.

Abfall und Platzgestaltung
Im November 2003 verkündeten die zuständigen Amtsstellen an einer Informationsveranstaltung im Quartier die frohe Nachricht, dass im März 2004 die ganze Stadt mit neuen oberirdischen Containern oder Unterflur-Containern beglückt werde. Die oberirdischen hielten teilweise Einzug, von den unterirdischen bis vor kurzem nur einzelne Vorläufer, erst jetzt kommt wieder Bewegung in die Sache. Zum Beispiel in Chur oder teilweise im Tessin funktionieren diese seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten (siehe «Entwicklungsstadt»).
Eine weitere Informationsveranstaltung betraf die Neugestaltung des Zähringerplatzes. Etliche Fragen und Vorschläge kamen aus dem Publikum. Als jemand konkret fragte, ob da eine Änderung möglich sei, sagte der Verantwortliche: «Leider nein, es ist alles schon so geplant und kann nicht mehr geändert werden.» Also, was soll denn das? Ich habe mich mit Wehmut an den runden Tisch vom verstorbenen Stadtrat Heiri Burkhard erinnert, an dem alle zu Wort kamen und ernst genommen wurden.
Zürich hat viele guten Seiten, die pünktlichsten Trams bis spät in der Nacht, das sauberste Wasser, die schönste Bahnhofstrasse, selbstverständlich das schönste Zentrum mit dem Kreis 1 – und natürlich die beste Regierung und Verwaltung. Oder?

Peter Keck