Das Quartier braucht eine Schule

Was geschieht mit dem Schulhaus Schanzengraben, wenn die dortigen Kleinklassen aufgehoben werden? Wie lässt sich der Schulbetrieb retten? Um solche Fragen ging es an einer Informations- und Diskussionsveranstaltung.

Das über hundert Jahre alte Schulhaus Schanzengraben ist ein Bau von bemerkenswerter Grandezza, frisch renoviert. Vor knapp zwei Jahren wurde auch der neu gestaltete Aussenbereich einer Kinderschar übergeben, die ihn sogleich jauchzend und johlend in Besitz nahm. Etwas über hundert Kinder gehen hier zur Schule. In den zwei Regelklassen sind je zweiundzwanzig Schülerinnen und Schüler aus der Umgebung, vom ersten bis dritten respektive vom vierten bis sechsten Schuljahr. Ausserdem werden Kinder mit Wahrnehmungs- und Sprachbeeinträchtigungen unterrichtet, in sechs Kleinklassen à rund zwölf Kinder. Sie kommen aus verschiedenen Schulkreisen hierher. Zusammen mit den zwei Horten, die hier ebenfalls untergebracht sind, ist das Haus gut ausgelastet.
Nun sollen gemäss dem neuen kantonalen Volksschulgesetz Schulkinder wenn möglich in Regelklassen unterrichtet werden, was die Auflösung der Kleinklassen bedeutet.

Reges Interesse
«Schlägt dem Schanzengraben die letzte Stunde?» Diese Frage zitierte Hanna Lienhard, Präsidentin des Schulkreises Zürichberg, zur Eröffnung des Informations- und Diskussionsabends vom 29. Mai. Mehrere Elterngruppen seien an sie gelangt, weshalb sie sich zur Durchführung dieser Veranstaltung entschlossen hätte. In der prächtigen Aula waren knapp sechzig Personen versammelt, die meisten davon Eltern, aber auch der Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer. Nicht Fragen betreffend Integration der Kinder aus Kleinklassen in Regelklassen standen also im Zentrum des Interesses, sondern die Zukunft des Schulhauses, der Kinder, die in der Umgebung wohnen und letztlich der Quartierentwicklung.
Wenn nämlich die entsprechende Verordnung des Volksschulgesetzes bis Ende Juni vorliegt, treten die Änderungen in einem Jahr, auf das Schuljahr 2008/2009, in Kraft, also im August 2008. Ansonsten würde sich das Ganze um ein Jahr verzögern.

Abnehmende Kinderzahl
Die Lage am Rand des Kreises 1 und damit des Schulkreises Zürichberg hat zur Folge, dass bereits heute Kinder aus den benachbarten Schulkreisen Uto und Limmattal im Schulhaus Schanzengraben die Unter- und Mittelstufe besuchen. Denn die Zahl der Kinder nicht nur im Selnauquartier hat in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen, wie Adrian Scheidegger von der Fachstelle Schulraumplanung des Schul- und Sportdepartements darlegte. So sank die Zahl der bis sechsjährigen Kinder im Einzugsgebiet des Schulkreises Zürichberg, also zwischen Sihl und Limmat, von hunderteinundzwanzig im Jahr 2000 auf zweiundsiebzig im letzten Jahr. Heute sind noch zwei Drittel der Kinder in den beiden Regelklassen aus dem Schulkreis Zürichberg. Ein Teil der Kinder besucht eine Privatschule, doch auch der Wegzug von Familien ist ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ebenso wie die Tatsache, dass Kinder vom Lindenhof oft ins Schulhaus Hirschengraben in der Altstadt rechts der Limmat zur Schule gehen, wenn sie bereits den Kindergarten dort drüben besucht haben.
Für die Erhaltung des Schulhauses Schanzengraben spricht unter anderem, dass gemäss Aussage der Fachstelle für Stadtentwicklung auch in der Innenstadt Familien wohnen und dass eine Schule sowie ergänzende Angebote wie Horte in Gehdistanz liegen sollen.

Gemischte Nutzung
Hanna Lienhard berichtete von der Arbeit einer Projektgruppe (bestehend aus Behördenmitgliedern, der Schulleitung und Lehrpersonen), die sich der Auswirkungen der Auflösung der Kleinklassen für das Schulhaus annimmt. Und sie hielt fest, dass mit nur zwei Regelklassen und einem Betreuungshort das Haus nicht ausgelastet sei. Das bedeute entweder eine ergänzende Nutzung, oder aber die Auflösung der Schule. Die Projektgruppe hat eine Liste von Argumenten für alle Varianten zusammengetragen, die hier nicht alle wiedergegeben werden können. (Es wurde vereinbart, dass zwei Elternvertreterinnen regelmässig über den neusten Stand der Dinge informiert werden.)
So viel ist sicher: Wenn das Schulhaus weitergeführt werden soll, braucht es eine zusätzliche Nutzung, und zwar eine Nutzung, die verträglich sein muss. In Frage käme beispielsweise die Jugendmusikschule oder die Begabtenförderung Universikum.
In der folgenden Diskussion wurde klar: Es ist ein allgemeines und starkes Bedürfnis, dass die Schule im Quartier bleibt. Eine Schule gehört einfach zu einem Quartier, wurde gesagt. Denn andernfalls würde die Zahl der Familien, die sich hier niederlassen, noch einmal drastisch sinken, und das Selnauquartier würde zu einem reinen Geschäfts- und Büroviertel.

Elmar Melliger