Effizient und nötig!

Die Emotionen gehen weiterhin hoch: Die vom Sozialdepartement beschlossene Überführung des GZ Altstadthaus in die selbstorganisierte Nutzung kommt bei der Bevölkerung schlecht an. Versuchen wir hier, die Sache emotionslos zu betrachten. Was verbirgt sich hinter unseren Sorgen? Und warum brechen sie so heftig aus?

Am 2. Oktober, kurz vor dem Beginn der Herbstferien, veröffentlichte das Sozialdepartement ein kurzes Mediencommuniqué, das mit folgenden Worten beginnt: «Die Gelder für die Soziokultur sollen möglichst effektiv und dort, wo sie besonders nötig sind, eingesetzt werden. Aufgrund des kleinen Benutzerkreises hat sich das Sozialdepartement entschieden, das Gemeinschaftszentrum Altstadthaus per Frühjahr 2008 in eine selbstorganisierte Nutzung zu überführen.»

Was bisher geschah
Kaum war das Communiqué publiziert, liefen die Drähte heiss: Telefone klingelten, E-Mails zirkulierten, Sitzungstermine wurden organisiert. Rasch fanden sämtliche von der Sache betroffenen Vereine und Interessengruppen einen gemeinsamen Standpunkt, den sie am 24. Oktober per Mediencommuniqué veröffentlichten. Am 25. Oktober verabschiedeten der Quartierverein Zürich 1 rechts der Limmat, der Einwohnerverein Altstadt links der Limmat, der Herausgeberverein Altstadt Kurier, das Forum Soziokultur Kreis 1, die Nachbarschaftshilfe Kreis 1, der Elternverein Altstadt rechts der Limmat und der Verein Kindermittagstisch Altstadt eine Petition, welche fordert, dass das GZ Altstadthaus seine Arbeit im bestehenden Rahmen weiterführen kann. An der entsprechenden Versammlung waren auch VertreterInnen unserer Schulen sowie mehrerer Kirchgemeinden anwesend und kündigten Unterstützung an.

Fünfundzwanzig Jahre Engagement
Versucht man, die Sache mit etwas Abstand zu betrachten, kann man die Heftigkeit der Reaktion rasch einmal einordnen und erkennt die grösseren Zusammenhänge: Es geht in dieser Sache nicht allein um einen kleinen lokalen Konflikt. Es geht auch um die Frage der Zukunft der Zürcher Altstadt als Wohnquartier, um die Identität und den Charakter von Zürichs Zentrum.
In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren bezogen sich zahlreiche unserer Quartieraktivitäten auf die Vision einer Altstadt, die breitflächig bewohnt wird und auch Familien mit Kindern einen attraktiven Lebensraum bietet. Denn auf der linken Limmatseite wurde uns ab den Siebzigerjahren vor Augen geführt, wie rasch sich ein Wohnquartier ausdünnen kann. Seither arbeiten wir hartnäckig daran, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. In unseren Forderungen fühlten wir uns durch die städtische Politik meist unterstützt: So hat etwa die Vermietungspolitik der Liegenschaftenverwaltung, die Verkehrspolitik oder das Bekenntnis zu unseren Schulhäusern zu beiden Seiten der Limmat dazu beigetragen, die Altstadt als Wohnquartier zu stärken. Und das ist für Zürich wertvoll: Wir kennen andere europäische Metropolen, wo entvölkerte Zentren in der Nacht so stumm und abweisend sind wie bei uns die Bahnhofstrasse, wenn die letzten Läden schliessen.

Zentrumslust und Zentrumslasten
Eine bevölkerte Altstadt ist sowohl ein touristischer Aktivposten wie ein sozialer Trumpf, der die Sicherheit des Quartiers erhöht. Als engagierte Altstadtbewohnerinnen und -bewohner können wir der Stadt somit etwas bieten. Allerdings erwarten wir dafür auch einen Gegenwert. Denn die Lasten für unser Wohnquartier nehmen von Jahr zu Jahr zu. Auch in städtebaulicher Sicht zeichnen sich in näherer und fernerer Zukunft harte Einschnitte ab. Das Bauvorhaben beim Obergericht, die Kunsthaus-Erweiterung, das Hochschulquartier: überall sind die Dinge im Fluss.
Um diesen Wandel aktiv mitzugestalten, ihn kritisch zu begleiten und letztlich auch zu tolerieren, brauchen wir eine starke Identität. Sonst werden wir immer mehr zu Neinsagern, die reflexartig allem Neuen negativ begegnen.

Erfolgeiche Soziokultur
In unserem Quartier wurde viel und intensiv über Soziokultur diskutiert und gestritten. Dabei war allen immer klar: Soziokulturelle Massnahmen sollen lokale Identität und sozialen Zusammenhalt schaffen. Und damit Lebensqualität auch dort sichern, wo Lasten zu tragen sind.
Das GZ Altstadthaus arbeitet seit Jahr und Tag effektiv. Auch deshalb, weil es die eingesetzten Mittel multipliziert: Die Unterstützung durch das Altstadthaus-Team lässt vieles entstehen, was nie in Statistiken einfliesst. Das Altstadthaus ist ein wesentlicher Pfeiler unserer lokalen Identität. Mit der Überführung in die selbstorganisierte Nutzung wird diese Funktion massiv behindert und langfristig zerstört.

Nötig und effizient
Es ist für uns unbestritten, dass das Sozialdepartement im harten politischen Spannungsfeld Grosses leistet.
Es ist auch einleuchtend, dass der Bedarf an soziokulturellen Massnahmen in Zürichs nördlichen und westlichen Wachstumsgebieten zunimmt. Ein Streichen soziokultureller Mittel bei uns ist für uns dennoch nicht hinnehmbar. Denn – um auf den Wortlaut des eingangs zitierten Mediencommuniqués zurückzukommen – die Gelder für Soziokultur werden in der Altstadt effektiv eingesetzt. Und sie sind nötig. Ob und wie man die Aktivitäten und Strukturen des GZ Altstadthaus noch quartiernäher organisieren kann, diskutieren wir gerne. Ein offenes, von einem professionellen Team betreutes Haus mit einem für alle zugänglichen soziokulturellen Angebot wird aber immer Betriebsmittel brauchen.
Noch sind die Würfel nicht endgültig gefallen und die Gespräche im Hintergrund laufen. Es bleibt zu hoffen, das Sozialdepartement nehme den Stellenwert, den das Altstadthaus für uns hat, schärfer wahr und habe den Mut, über die Bücher zu gehen. Denn eines darf hier ganz emotionslos festgehalten werden: Für unser Anliegen werden
wir weiter hartnäckig einstehen. Denn es steht mehr auf dem Spiel, als ein erster Blick vermuten lässt.

Michael Schädelin

GZ Altstadthaus: Wie weiter?
Veranstaltung am Donnerstag,
22. November, 20 Uhr, im grossen Saal des Zentrums Karl der Grosse, Kirchgasse 14. Moderation: Heinrich Nufer. Wem das GZ Altstadthaus am Herzen liegt, ist dabei.

Petition
Unser Quartier hat eine Petition aufgelegt, welche dieser Zeitung beiliegt. Wer sich gegen die Streichung der Betriebsbeiträge des GZ Altstadthaus wehren will, muss diese Petition unterschreiben. Tipp: Im eigenen Haus und der eigenen Gasse bei den Nachbarn Unterschriften sammeln! Und wichtig: Bogen umgehend an den Altstadt Kurier zurückschicken. Weitere Bögen können unter www.zuerich1.ch heruntergeladen werden.