Ein Sieg der Vernunft

Am 7. Mai teilte das Sozialdepartement mit, dass das Gemeinschaftszentrum Altstadthaus um weitere vier Jahre in der bestehenden Form betrieben wird. Das Quartier darf dies als Anerkennung seines breiten und entschiedenen Engagements deuten.

Die Absicht der Stadt, das GZ Altstadthaus neu unter eine lokale Trägerschaft zu stellen, ist damit nicht vom Tisch. Grössere Gemeinschaftszentren sollen durch die Pro Juventute, kleinere Treffpunkte durch lokale Trägerschaften geführt werden. Dazu Urs Leibundgut: «Das Sozialdepartement hat seit dem letzten Herbst offen über den beabsichtigten Trägerschaftswechsel und seine Beweggründe informiert. Die Bedenken der Quartierbevölkerung konnten aber nicht ausgeräumt werden und in dieser Situation machte es schlicht keinen Sinn, einen aus unserer Sicht immer noch richtigen Entscheid ‹durchzustieren› und dabei zu riskieren, dass ein grosser Scherbenhaufen resultiert. Mit der Zusicherung, den Betrieb und die heutige Trägerschaft des GZ Altstadthaus für längstens vier Jahre fortzuführen, wollte das Sozialdepartement ein Zeichen setzen, dass ihm an einer breit abgestützten Lösung sehr viel liegt, und Vertrauen schaffen.» Hört man sich im Quartier etwas um, so wird dieses Einlenken, das nicht selbstverständlich ist, gewürdigt. Allerdings bleiben weiterhin einige brisante Fragen offen, die – soll das Vertrauen tatsächlich wieder zurückkehren – über kurz oder lang eine klare Antwort brauchen. Der Weg dazu ist nun offen.
Doch blättern wir kurz zurück: Im Herbst 2007, ein paar Tage vor den Herbstferien, informiert das Sozialdepartement, das Altstadthaus werde per Frühjahr 2008 in eine selbstorganisierte Nutzung überführt und die Betriebsmittel gestrichen. Im Klartext: Miete und Reinigung des Hauses sollen weiterhin bezahlt werden, den Rest hat das Quartier zu organisieren. Das bestehende Team arbeitet von nun an in grosser Ungewissheit weiter.

Entschiedener Widerstand
Im Quartier herrscht Konsternation. Der Entscheid wird in sämtlichen relevanten Quartierinstitutionen mit Kopfschütteln quittiert. Die Quartier- und Einwohnervereine zu beiden Seiten der Limmat, die Elternvereine, die Schulbehörden, die Kirchgemeinden: alle protestieren. Offensichtlich ist das Sozialdepartement von der Entschlossenheit dieses Protests und seines Echos in den Medien überrascht. Erste Gespräche machen klar: Das Quartier beharrt auf einer professionellen Trägerschaft, auf einem betreuten Haus mit Team und soziokulturellen Angeboten – und damit auch auf Betriebsmitteln. Auf der anderen Seite beharrt das Sozialdepartement auf dem getroffenen Grundsatzentscheid, auch wenn angedeutet wird, über gewisse Betriebsmittel lasse man mit sich diskutieren.

Drohender Scherbenhaufen
An einer turbulenten Quartierversammlung im November versucht das Sozialdepartement, den Entscheid zu begründen – und zerschlägt dabei erstes Geschirr. Die zuständigen Kontroller ziehen als Hauptachse der Argumentation verblüffend simple Zahlen hervor: sie dividieren die Betriebsmittel des GZ Altstadthaus durch die Anzahl Einwohner im Bezirk Rathaus (die linke Limmatseite wird schlicht unterschlagen), vergleichen das Resultat mit jenem derselben Rechnung in Hottingen, Fluntern und Enge – und säen damit Unruhe im Saal. – Im Anschluss an diese Veranstaltung reicht das Quartier einen Fragenkatalog ein. Weil man den Zahlen misstraut, will man wissen: wie steht das GZ Altstadthaus da, wenn man den finanziellen Input mit den produzierten Angeboten in Relation setzt – und diese Rechnung mit jener anderer GZ vergleicht? Es deutet einiges darauf hin, dass das Altstadthaus in einer solchen Betrachtung gut abschneidet. Zudem möchte man eine klarere Begründung, warum die Pro Juventute für kleinere Zentren nicht die geeignete Trägerschaft sei.
Im Quartier läuft zur gleichen Zeit eine Petition: in kurzer Zeit werden knapp 2000 Unterschriften gesammelt und kurz vor Weihnachten an Stadträtin Monika Stocker übergeben – die eine wohlwollende Prüfung verspricht. Infolge der Turbulenzen, denen das Sozialdepartement ab Ende Januar zum Thema «Sozialmissbrauch» ausgesetzt ist, bleiben die Fragen unbeantwortet. Das Team bleibt im Ungewissen, das Quartier klopft mehrfach an – und wartet ab. Dann endlich vernehmen wir den guten Entscheid, der die Situation entspannt.

Vertrauen gefragt
Was wir nun brauchen, ist der Aufbau von neuem Vertrauen. Die Zeichen dazu stehen nicht schlecht. Gesprächspartner in der Frage, wie das GZ Altstadthaus nach 2012 aussehen soll, wird Christian Hablützel sein, der neue Leiter von Pro Juventute Zürcher Gemeinschaftszentren. Die Gespräche werden beginnen, wenn sich die Emotionen wieder abgekühlt haben. Und das braucht erfahrungsgemäss etwas Zeit. Das Quartier wird weiter entschieden für ein Haus eintreten, das von einem Team betreut ist und über finanzielle Mittel verfügt. Gleichzeitig müssen wir für Neues offen bleiben. Es liegt nun an uns, die sich abzeichnenden Veränderungen so auszuprägen, dass sie zur Chance für alle Beteiligten werden.

Michael Schädelin