Kredit für das Dada-Haus

Für das an der Ecke Münstergasse 26 / Spiegelgasse 1 gelegene Dada-Haus wollten Stadt- und Gemeinderat für weitere drei Jahre die Mietkosten in der Höhe von gegenwärtig 315 000 Franken im Jahr übernehmen. Gegen diesen Entscheid hat die SVP das Referendum ergriffen. So kommt dieser Kredit nun am 28. September zur Volksabstimmung. Der Altstadt Kurier hat beide Seiten um eine Stellungnahme gebeten.

Pro
«Dada ist tot, lang lebe Dada!»


Sehr geehrte Bewohnerinnen und Bewohner der Altstadt, liebe Nachbarn.
«Dada ist tot, lang lebe Dada!» So und ähnlich formulierten die Dadaisten das stetige Wandeln am künstlerischen Abgrund. Die anstehende Abstimmung passt somit gut ins Konzept der Dadaisten selig. «Dada ist tot» sagen die Kritiker und verweisen auf die Dada-Sammlung im Keller des Kunsthauses. Im Original endet das Dada-Zitat jedoch mit «Lang lebe Dada!». In diesem Sinne würden wir Sie gerne für Dada gewinnen, damit Dada noch lange lebendig bleiben kann.
Alles begann am 2. Februar 1916 mitten im Zürcher Niederdorf. Unter der Ankündigung «Cabaret Voltaire» trafen sich am Abend ganz unterschiedliche Künstler im Sääli der Wirtsstube «Meierei». Die Namen dieser Künstlerinnen und Künstler, die wegen dem Ersten Weltkrieg auf der Flucht waren, sind vielen von Ihnen bekannt; Hugo Ball, Emmy Hennings, Tristan Tzara, Marcel Janco, Richard Huelsenbeck, Hans Arp und natürlich auch Sophie Taeuber-Arp, die auf unserer Fünfzig-Franken-Banknote abgebildet ist. Innert Kürze entwickelte sich auf der Kleinbühne der dadaistische Hokuspokus. Das Lokal wurde zum «Tummelplatz verrückter Emotionen».
Nach der Schliessung des «Cabaret Voltaire» im Sommer 1916 nahm der Dada-Geist in der «Galerie Dada» im Sprüngli-Haus an der Bahnhofstrasse sowie an Soirées im Kaufleuten und Zunfthaus zur Meise und durch provokative Bluffmeldungen in der Presse Form an. Mit dem Ende des Krieges zog das «Mouvement Dada» in andere Städte weiter. In Berlin, Köln, New York, Paris, in Holland, Russland, Japan entstanden weitere Dada-Filialen, ganz im Sinne des dadaistischen Bonmots «Dada ruht nie. Dada vermehrt sich.». Dada fegte wie ein wilder aber kreativer Orkan durch die Kunstgeschichte. Vieles was für uns heute selbstverständlich ist, wurde von den Dadaisten in die Gesellschaft eingeführt; beispielsweise die Collagentechnik oder absurde Wortspielereien (in der Werbung zum Beispiel, wenn auf dem Tram «Ich bin auch ein Schiff» geschrieben steht).
Zum 50-jährigen Jubiläum montierte Hans Arp eine Steinskulptur an die Fassade neben dem Eingang der Spiegelgasse 1 und nannte sie den «Nabel der Welt». Die Welt ist bis heute mit diesem Nabel verbunden. In der Folge einer Anfrage aus der rumänischen Botschaft in Bern tourt zurzeit die in der Krypta des Cabaret Voltaire erstmals gezeigte Ausstellung «Dada East? The Romanians of Cabaret Voltaire» durch diverse Städte Europas (zuletzt in der National Galerie von Warschau präsentiert, quasi dem Kunsthaus von Warschau). Oder: Im brandneuen Schweizer Reiseführer von Merian (400 Seiten) wird das Cabaret Voltaire als «Der Gute Tipp von Merian» ausgezeichnet; als einzige Zürcher Institution neben dem Opernhaus.
Die Aktualität des Dadaismus ist ungebremst und das Haus an der Spiegelgasse 1 ist in wenigen Jahren wieder zu einem lebendigen Knotenpunkt im lokalen und globalen Kunstnetzwerk geworden.
Mit einem «Ja» geben Sie Dada Ihre Stimme.
«Dada ist tot, lang lebe Dada!»

Adrian Notz und Philipp Meier, Direktion Cabaret Voltaire

Kontra
Keine Steuergelder für Dada


Grundsätzlich wird die Kunstrichtung Dada von der SVP nicht in Frage gestellt. Diese wurde 1916 in Zürich begründet. Dada wurde als Anti-Kunst eingesetzt für den Protest gegen die Verheerungen des Ersten Weltkrieges und gegen die Zweckgebundenheit der Kunst. In Zürich wird der Entstehung von Dada genügende Ehre erwiesen. So ist im Quartier Neu-Oerlikon eine Strasse, die «Sophie-Taeuber-Strasse», nach der Dadaistin aus der Gründerzeit benannt worden. Das Kunsthaus Zürich besitzt eine Sammlung aus der Dada-Gründerzeit. Menschen, die sich heute dem Dadaismus verpflichtet fühlen, betreiben nun seit März 2003 im Cabaret Voltaire ein separates Aktivitätenhaus. Finanziert wird dieses zu einem grossen Teil mit Steuergeldern. Was die Aktivitäten dort mit Dadaismus zu tun haben sollen, bleibt offen. Als 2003 im Gemeinderat über den Dada-Kredit debattiert wurde, beteuerten die Befürworter, dass es sich bei den Betreibern um seriöse Kunstschaffende handelt, welche bereit sind, sich an Vorgaben und Regeln zu halten. Dies waren leere Worte. Unter dem Deckmantel «Kunstfreiheit» entstand ein rechtsfreier Raum, in dem Gewaltdelikte wie Mord verharmlost werden und öffentlich zu Sachbeschädigungen aufgerufen wurde.
Begonnen haben diese Aktionen bereits Ende 2003. In der ehemaligen Papierfabrik an der Sihl wurde während den zweiten Dada-Festwochen regelrecht gewütet. Die Schäden waren enorm. Bezahlen wollte sie später niemand. Verantwortlich war auch niemand. Anfangs 2007 artete der Aktivismus der selbsternannten Dadaisten vollumfänglich aus. Im Dada-Haus wurden Kurse für Sprayer angeboten. Zwanzig Personen nahmen teil. Gleichzeitig wurde im Cabaret Voltaire öffentlich aufgerufen, das eben erst Gelernte in Zürich an Wänden zu praktizieren. Man sehe den öffentlichen Raum als unseren Ausstellungsraum, der nun gehackt werden soll, hiess es. Sprayereien sind illegal und verursachen Kosten in immenser Höhe. Bereits Mitte 2007 kam die nächste Aktion jenseits jeder Vorstellungskraft. Im Cabaret Voltaire wurden T-Shirts verkauft, auf denen das Konterfei der RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt zu sehen ist. Diese hat ab 1977 die RAF während zehn Jahren geführt und wurde für neun Morde verurteilt. Anfangs dieses Jahres wollten die Verantwortlichen des Dada-Hauses im Cabaret Voltaire ein Sex-Casting durchführen lassen. Nach Intervention der Stadt Zürich wurde die Veranstaltung abgeblasen und an einen anderen Ort verlegt. Vermutlich hatte der Stadtzürcher Kulturbeauftragte kalte Füsse vor dieser bevorstehenden Abstimmung bekommen.
Aktionen wie jene, die das Cabaret Voltaire in den vergangenen Jahren durchführte, haben nichts mit den Gedanken des ursprünglichen Dadaismus zu tun. Die SVP kann und will keine solch wahnwitzigen, teuren und auch illegalen Aktionen mitfinanzieren. Wenn selbsternannte Dadaisten dieses Treiben fortsetzen wollen, müssen sie sich auf die Suche nach privaten Geldgebern machen. Diese müssen dann die Verantwortung für alle noch geplanten Aktionen in der Art der bisherigen übernehmen.

Mauro Tuena, SVP-Fraktionschef im Gemeinderat