Was will der Wohnanteilplan?

Was regelt der Wohnanteilplan, wie funktioniert er und wie sieht das in der Praxis aus? Der Präsident des Einwohnervereins Altstadt links der Limmat berichtet über seine Erfahrungen.

Der Wohnanteilplan (WAP) der Stadt Zürich ist seit 1980 in Kraft und Bestandteil der Bau- und Zonenordnung der Stadt. Der Plan hält für alle Quartiere oder Strassenzüge der Stadt den minimalen Wohnanteil in Prozenten pro Haus fest. Dabei wurde ungefähr der Zustand des Jahres 1980 festgeschrieben. Einzelne Häuser, die damals schon einen tieferen Wohnanteil hatten, durften diesen nach Inkraftsetzung des Plans behalten (Bestandesgarantie). Umgekehrt jedoch kann in Häusern mit höherem Wohnanteil dieser jederzeit auf das im Plan vorgeschriebene Minimum reduziert werden.
Das Minimum darf aber auch unterschritten werden, falls die danach fehlenden Wohnflächen im Umkreis von 150 Metern kompensiert werden können. Das heisst die fehlenden Flächen können aus Häusern mit gegenüber dem Plan erhöhtem Wohnanteil als «Dienstbarkeit» mit einem Grundbucheintrag zur Verfügung gestellt werden. So will es das Gesetz nach seiner Revision im Jahr 1999. Das hat wesentlich dazu beigetragen, dass seither der Wohnungsbestand nicht stärker zugunsten von Büroraum abgenommen hat. Das Gesetz und seine Anwendung haben jedoch auch Mängel.

Ein Beispiel
Ein grosses Haus in der Altstadt, das bei einem vorgeschriebenen Wohnanteil von 60 Prozent mit vielen Appartments jedoch dichter bewohnt war, hatte im Jahr 2000 die Besitzer gewechselt. Kurz darauf wurde den Mietern nach und nach gekündigt, Umbauten begannen, die sich über Jahre hinzogen. Über Badewannen und andere Installationen, die zum Abtransport herausgetragen wurden, wunderten sich die Nachbarn, da sie nie ein Umbaugesuch im Tagblatt publiziert gesehen hatten.
Mehrere Nachfragen (ab 2001/2002) beim zuständigen Bauamt blieben ohne Wirkung, trotz der Zusage, der Sache nachzugehen. Auch zwei sich folgende Briefe an die zuständige Stadträtin (2006/2007) zu diesem Fall brachten keine neuen Erkenntnisse, obwohl das Haus nun fast fertig umgebaut und grossteils in Büros verwandelt worden war. Nach dem dritten Schreiben mit der Bitte um ein Gespräch folgte eine Besprechung (2007) mit dem zuständigen Juristen. Dieser musste die Fehler des Hochbauamts einräumen und brachte den Fall auf rechtmässige Geleise.
Die Ausschreibung des Baugesuches musste nachgeholt werden (2008). Es wurde im Februar 2009 bewilligt, samt der Umnutzung zu Büros. Allerdings mit der Auflage, die verlorene Wohnfläche im Umkreis von 150 Metern zu kompensieren, sowie mit einer Reihe von feuerpolizeilichen Auflagen. Doch das ist ein anderes, auch sehr ärgerliches Kapitel. Ohne Rekurse dürfte dieses Verfahren nun, nach sieben Jahren beharrlichen Nachhakens unsererseits, abgeschlossen sein.
Dennoch: der Ausgang ist nicht befriedigend. Zwar ist der rechtliche Zustand wieder hergestellt, aber es ging dabei ganz legal Wohnraum für etwa zwölf Personen verloren. Denn es wurde keine Ersatzwohnfläche errichtet, sondern einzig nahe gelegene Quadratmeter Wohnraum, die dort über dem WAP-Minimum lagen, als Kompensation notariell festgeschrieben.
Trotz des WAP, und vor allem seit der 1999 erlaubten Kompensation, nimmt daher der Wohnraum in Citynähe weiterhin, langsam zwar, aber stetig und legal, ab. Bei einer nächsten Revision des WAP muss dem Rechnung getragen werden. Zum Beispiel so, dass nur die aus der Bestandesgarantie zurückgewonnene Wohnfläche als Kompensation angerechnet werden dürfte. Dann hätten wir zumindest etwa gleich lange Spiesse.

Wer soll über den WAP wachen?
Auch die Aufsicht über die Einhaltung des WAP ist sehr problematisch. Von Amtes wegen wird diese meist nur bei Baugesuchen kontrolliert. Deshalb ist zu vermuten, dass viele zweckentfremdete Wohnungen unentdeckt bleiben. Dafür wird die Bevölkerung aufgerufen, vermutete Verstösse zu melden. Wie das obige Beispiel zeigt, ist das für Bürgerinnen und Bürger kaum zumutbar und entmutigend. Vor allem, weil über das Resultat einer Meldung nicht informiert wird. Sieht die Bürgerschaft keine Veränderung nach der Intervention, so weiss sie nicht, hatte sie unrecht oder schläft das Amt, wie im oben beschriebenen Fall.
Ich habe nämlich gleichzeitig einen weiteren vermutlichen Verstoss gemeldet. Die Meldung wurde von der Amtsvorsteherin verdankt, aber verändert hat sich seit zwei Jahren nichts. Warum weiss ich nicht. Irrte ich mich nun, wurde kompensiert, oder schläft das Amt auch hier?
So geht das nicht. Schon Meldung zu erstatten fällt nicht allen leicht, denn das Befolgen der Gesetze zu beobachten ist bei uns meist Sache der Behörden. Aber wenn wir schon dazu aufgerufen sind, so ist bei einer Angelegenheit von solch öffentlichem Interesse im Mindesten eine erhellende Antwort wichtig. Schliesslich handelt es sich doch um eine Art, wenn auch delikate, Mitarbeit hin zu einem anerkannt erstrebenswerten Zustand, den auch das Leitbild Innenstadt zu seinen Zielen zählt. Also möchte ich auch hier etwas mehr von der berühmten Bürgernähe zu spüren bekommen.

Martin Küper