Garten mit Ausblick

Vor den Sommerferien gewährten die Kinder und Gabi Schaub einen Einblick in den Schülergarten, den sie hoch über der Altstadt hegen und pflegen.

Einer der heissen Sommertage. Noch um sechs Uhr abends ist es schwülwarm, als die Gäste schwitzend das Ziel erreichen, den Schülergarten. Von der Altstadt her kommend, steigt man an die hundert Stufen, ehe man zuoberst im Rechbergpark links halten muss und dann noch ein paar Schritte den Weg bergauf. Dort, vor dem Bodmerhaus, dem heute zur Universität gehörenden herrschaftlichen Gebäude, wurde vor siebzehn Jahren der Garten angelegt, dem unser Besuch gilt.

Gefühl für die Natur
Dieser Garten, so erfahren die Besucherinnen und Besucher von der Leiterin Gabi Schaub, ist einer von zwanzig Schülergärten in der Stadt Zürich. In diesen Gärten erhalten die Stadtkinder die Gelegenheit, ein Pflanzenbeet zu bebauen. Die Idee dazu entstand vor etwa hundert Jahren; dahinter stand die Absicht, die Kinder von der Gasse weg zu holen. Dabei dachte man an die Buben, wobei es heute mehrheitlich Mädchen sind, die aktiv mitmachen. Der Garten misst, leicht sich zu merken, 365 Quadratmeter, also für jeden Tag des Jahres einen, wie Gabi Schaub weiter erklärt. Sie leitet den Schülergarten seit 1994. Selber Mutter von zwei Kindern, sagte sie freudig zu, als sie angefragt wurde, diese Aufgabe zu übernehmen. Es kam ihr gelegen, sich in der Natur aufzuhalten und sich aktiv zu betätigen. Dabei ist sie nicht etwa gelernte Gärtnerin; sie hat sich nach einem Grundkurs alles Weitere selbst angeeignet, was es zum Gärtnern an Wissen und Fertigkeiten braucht. Und all dies gibt sie neben ihrer beruflichen Tätigkeit unter anderem als Sozialdiakonin seither den Kindern weiter, auch pädagogisch eine anspruchsvolle Aufgabe. Zuerst waren das sechs Kinder, die zweimal die Woche kamen, zwischendurch mal zwanzig und aktuell zählt die Gruppe vierzehn Kinder, die einmal pro Woche, immer am Dienstag, für zwei Stunden im Garten wirken. Wie wir weiter erfahren, gärtnern die Altstädter nach biologischen Kriterien, wobei nicht eine möglichst grosse Ernte im Vordergrund steht. So anerkennen sie ein Existenzrecht auch für Schädlinge. Anders gesagt, man lässt die Schnecken und Läuse leben. Und freut sich an der Vielfalt. «Ein Gefühl für die Natur entwickeln», so drückt Gabi Schaub aus, worum es ihr bei dieser Arbeit mit den Kindern geht. Und auch das Teilen ist ihr wichtig und das Einander-Helfen.
Gespannt hören alle zu, was Gabi Schaub zu sagen hat. Ihr zur Seite steht übrigens schon seit 1997 Margreth Freitag, die ebenfalls im Quartier wohnt. Sie springt bei Bedarf ein und übernimmt auch das Giessen, wenn in den Sommerferien alle abwesend sind. Es wird keine lange Rede, vielmehr möchte Gabi Schaub den Kindern nun die Gelegenheit geben, ihrem Besuch (viele Mütter und Väter sind unter den Gästen) ihr Beet und den Reifestand der verschiedenen Gemüse, Salate, Blumen zu zeigen.
Der Garten ist nämlich so angelegt, dass jedes Kind ein eigenes Beet zugeteilt erhält. Darauf kann es ansäen, pflanzen, was es will. So zeigt ein Mädchen stolz ihr Beet mit wunderbar blühenden Blumen, ein Bub hat sich auf Salate und Kartoffeln spezialisiert, daneben wachsen Zwiebeln, Tomaten und Rüebli.

Bevorzugte Lage
Eine Sonnenterrasse ist das! Das wäre eine gute Lage auch für Reben… Inzwischen hat Marc Ulmer vom GZ Altstadthaus, er hat die «Gartenschau» organisiert, Getränke bereitgestellt, für die Grossen auch Wein. Und Kuchen gibt es und andere verführerische Köstlichkeiten, süss und salzig, das meiste hausgemacht und von verschiedenen Leuten mitgebracht.
Die Kinder mit den grünen Daumen, das sind Zweit- bis Fünftklässler, die sich jeweils für eine Saison anmelden, bei der Gesellschaft für Schülergärten. Die einen haben dann nach der von März bis zu den Herbstferien dauernden Saison genug gesehen und wenden sich im folgenden Jahr anderem zu. Manche bleiben dem Garten mehr als ein Jahr treu, freuen sich schon auf die nächste Vegetationszeit und kommen vielleicht ein drittes Mal.
Fröhlich plaudern die Gäste und die Kinder belagern für eine Weile das Buffet, das Gabi Schaub im Schatten hergerichtet hat.
Ein Blick nochmals über das Gelände. Die Truhe mit dem Werkzeug, die für einmal geschlossen bleibt, der üppige Garten mit prächtig gedeihendem Gemüse und blühenden Blumen, der Kompost, der zentral gelegene Brunnen. Und nochmals den Blick schweifen lassen über die Altstadt bis zum gegenüberliegenden Uetliberg, sogar den See kann man von hier knapp sehen und erahnt im Dunst die Glarner Alpen! – Wie war noch mal das Höchstalter für eine Mitgliedschaft?

Elmar Melliger