Das Werk ist vollendet

Das Grossmünster hat zwölf neue Fenster erhalten, kreiert vom renommierten Künstler Sigmar Polke. Anfangs Oktober sind sie der Kirchgemeinde und damit der Öffentlichkeit übergeben worden.

Die neuen Fenster tauchen die Kirche in ein neues, geheimnisvolles Licht, das sich je nach Tageszeit und Sonnenstand verändert. Das Werk des deutschen Künstlers Sigmar Polke hat denn auch von Beginn weg das Interesse einer Vielzahl von Besucherinnen und Besuchern geweckt.

Entstehungsprozess
Begonnen hat das Ganze, so Jury- und Kirchgemeindepräsident Claude Lambert an der Medienorientierung vom 2. Oktober, vor fünfzehn Jahren, auf einer Frankreichreise. Neue Fenster für das Grossmünster, das wäre eine feine Sache, so die Idee. Bis zum heute vorliegenden Ergebnis war es ein weiter Weg und lag ein riesiger Aufwand. Im Jahr 2004 traf die Kirchenpflege erste Abklärungen über die Machbarkeit eines solchen Projekts. Ein Jahr später wurde ein Wettbewerb lanciert, ermöglicht durch ein Legat der inzwischen verstorbenen Elsi Meyer, die in der Nähe gewohnt hatte und der Kirchgemeinde eng verbunden war. Danach folgte die Jurierung der Projekteingaben der fünf eingeladenen Künstlerinnen und Künstler, 2006 wurde das Projekt von Sigmar Polke zum Siegerprojekt erkürt.
Im Herbst desselben Jahres begann die Umsetzung. Mit der Ausführung der Arbeiten wurde die in Wiedikon ansässige Firma Glas Mäder betraut, die über ein grosses Fachwissen verfügt. Dieses sollte denn auch nötig sein, denn die Umsetzung der Ideen des Künstlers verlangten Verfahren, die an Alchemie erinnern.
Im Jahr darauf, 2007, konnte das erste Achatfenster probeweise eingesetzt werden und man erkannte, dass man auf dem richtigen Weg war. Im Sommer 2008 waren die Achatfenster fertig und die Schaffung der figurativen Fenster konnte beginnen. – Im August und September sind alle zwölf Fenster an ihrem vorgesehenen Platz eingesetzt und nunmehr der Kirchgemeinde und damit der Öffentlichkeit übergeben worden.

Auf einer Zeitachse
Die neuen Fenster im Erdgeschoss folgen von ihrer Platzierung her einer zeitlichen Abfolge. Das heisst, hinten, zu beiden Seiten des Kirchenschiffs, sind die sieben Achatfenster. Diese bestehen aus mosaikartig zusammengesetzten dünnen Scheiben des Halbedelsteins, der aus dem erdgeschichtlichen Zeitalter stammt. Im biblischen Sinn entspricht das den ersten Tagen der Schöpfung. Sigmar Polke griff mit diesen Achatfenstern auf eine spätantike und frühmittelalterliche Tradition zurück, als solche Steinschnitte (hauptsächlich Alabaster kam zum Einsatz) bei Fensteröffnungen verwendet wurden.
Weiter vorn, gegen Osten hin, folgen die figurativen Fenster. Sie zeigen Motive aus dem Alten Testament und können als «Präfiguration Christi» gelesen werden. Es sind dies das Menschensohn-Fenster, das Elija-Fenster, das grüne David-Fenster, das Fenster von Isaaks Opferung und das Sündenbock-Fenster.
Die doch eher abstrakt wirkenden figurativen Farbglasfenster von Sigmar Polke zielen schliesslich hin zu den prächtigen, rot leuchtenden Fenstern vorn im Chor, die 1933 von Augusto Giacometti geschaffen wurden und die Menschwerdung Christi zeigen. So gesehen begibt man sich bei der Betrachtung der Glasfenster von hinten in der Kirche nach vorn zum Chor hin auf eine Zeitreise. Die Fenster leuchten strahlend und hell, wenn von aussen genügend Licht einfällt. Das ist doch erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Achatfenster eben nicht aus Glas, sondern aus einem Stein, dem Halbedelstein Achat, bestehen.
Der bekannte Künstler Sigmar Polke hat Kirchenfenster für das Grossmünster kreiert, und dank dem grossen Engagement vieler Beteiligter konnte das Projekt realisiert werden. Das Werk ist vollendet. So steht man in der Kirche und schreitet von Fenster zu Fenster. Da sind sie nun, künstlerisch gestaltet, bunt, archaisch anmutend, die Fantasie anregend, und lassen die Betrachterin, den Betrachter staunen. Hoffentlich bleiben sie für immer.

Elmar Melliger

Begleitprogramm
Am Samstag 24. sowie 31. Oktober finden um 11 Uhr Führungen zu den neuen Kirchenfenstern statt, mit Ulrich Gerster resp. mit Regine Helbling. Angaben zum weiteren Begleitprogramm sind zu finden unter www.grossmuenster.ch.
Am Sonntag, 18. Oktober, 10 Uhr, findet ein Festgottesdienst zur Einweihung der Kirchenfenster statt, mit Pfarrerin Käthi La Roche, mit Grussworten von Kirchenpflegepräsident Claude Lambert, Regierungsrat Markus Notter und Kirchenratspräsident Ruedi Reich.