Zum Rauchen nach draussen

Ab dem 1. Mai gilt das Rauch­verbot in Zürcher Gastronomiebetrieben, also auch in Restaurants, Beizen, Bars und Pubs in der Altstadt, wo die Dichte solcher Lokale bekanntlich besonders hoch ist. – Was ist von der Änderung zu erwarten, wie reagieren die Wirte? Der Altstadt Kurier hat sich umgehört.

Ende September 2008 hat das Schweizer Stimmvolk die Volksinitiative der Lungenliga zum Schutz vor Passivrauchen mit 56 Prozent Ja-Anteil angenommen. Es sollte noch über anderthalb Jahre dauern bis zur Inkraftsetzung des Rauchverbots in Restaurationsbetrieben. Per 1. Mai treten nun die bundesrechtlichen Bestimmungen in Kraft, die im Sinne von Mindeststandards verbindlich sind. Auf denselben Zeitpunkt gelten auch die kantonalen Bestimmungen, die noch etwas weiter gehen. Nach Bundesrecht könnten nämlich Betriebe mit einer Fläche von unter 80 Quadratmetern als Raucherlokale geführt werden. Nicht so im Kanton Zürich. Hier gilt das Rauchverbot für Beizen aller ­Grösse. Einzige Ausnahme bilden die sogenannten Fumoirs (mit Bedienung), die als vom Restaurant klar ­abgetrennte Räume mit ausreichender Lüftungsanlage geführt werden können und nicht grösser als ein Drittel der Ausschankfläche sein dürfen.

Nur wenige Fumoirs geplant
Wer sich umhört, wo denn überall ­Fumoirs entstehen sollen, wird nicht so rasch fündig. Peter Creola, für die Altstadt zuständiger Kreisarchitekt beim städtischen Hochbaudepartement, hat auf Anfrage erklärt, dass ­bisher nur wenige Anfragen und Baugesuche eingegangen sind.
Besonders zurückhaltend sind in dieser Frage Wirtinnen und Wirte in der Altstadt, aus verschiedenen Gründen. Eva Haessig von der «Bauernschänke» am Rindermarkt sagt kurz und bündig: «Bei uns steht alles unter Denkmalschutz, da wäre nichts zu ­machen.» Schlicht schade, den schönen Raum aufzuteilen fände es Eric Winistörfer von der «Bodega Española» an der Münstergasse. Er möchte ­alles so belassen und ist gespannt auf die weitere Entwicklung. Die «Bodega» ist ein Lokal, in dem viel geraucht wird, doch längst nicht mehr so viel wie in alten Zeiten. Früher hat der ­Tagesumsatz aus (damals billigen) ­Zigaretten noch bis 200 Franken ausgemacht, heute vielleicht gerade mal 15 Franken.
Natürlich scheut man die hohen In­vestitionen, wenn ein aufwendiger Umbau nötig würde. Ein Glückspilz ist Angelo Pfister, Co-Präsident der ­Geschäftsvereinigung Limmatquai / Dörfli und Eigentümer des Hotels ­Alexander an der Niederdorfstrasse, zu dem die «Alexis Bar» und die ­«Cana-Bar» im Erdgeschoss gehören. Weil das Restaurant im zweiten Obergeschoss eingerechnet wird, kann er einfach die eine der beiden Bars, die «Cana-Bar», zum Fumoir umpolen. ­Eine starke Lüftungsanlage besteht bereits, also braucht es noch einige Anpassungen wie eine selbst schliessende Türe und fertig ist das Fumoir. «Diese Bar wird bestimmt gerammelt voll sein», prophezeit er. – Für andere ist es weniger einfach. Etwa für José ­Ledesma von der «Taverna Catalana» am Glockenplatz gibt es die Möglichkeit des Einbaus eines Fu­moirs nicht, so hat die Abklärung mit einem Ar­chitekten ergeben: nicht machbar. So schickt er sich drein, auch wenn er bedauert, dass man nicht die spanische Lösung gewählt hat, wo jeder Wirt selbst bestimmen kann, ob er ein Raucher- oder ein Nichtraucher­lokal führen will. Er sieht die Hotels in einem Wettbewerbsvorteil, weil sie die räumlichen Voraussetzungen haben, ein Fumoir einzurichten, womit sich deren Gäste ihre Zigarre wohl im Hotel genehmigen werden.
Das «Odeon» am Bellevue wird rauchfrei, wie Steffen Schreiber erklärte. Wegen der Entwicklung des Umsatzes müsse man abwarten. Denn auch wenn Rauchende ausblieben, so seien umgekehrt viele nicht gekommen wegen des Gestanks.

Bald das Aus für bediente Fumoirs?
Die hohen Investitionen, die in seinem Fall nötig wären, lassen Walter Schöb von der «Rheinfelder Bierhalle» beim Central einstweilen zuwarten; dies obschon er sich auf dem Rechtsweg eine Baubewilligung erkämpft hat. Denn er würde das Fumoir im Nebenhaus einrichten, was einen Mauerdurchbruch nötig machen würde und die neue Lüftungsanlage eine teure Unterkellerung des Raums. Er kennt den Grund für die Zurückhaltung auch anderer Wirte: Eine weitere Volksinitiative der Lungenliga, die «Schutz vor Passivrauchen» verlangt, demnächst eingereicht wird und in ­deren Text es heisst: «Nicht geraucht werden darf in allen Innenräumen, die als Arbeitsplatz dienen.» Würde diese Initiative dereinst vom Volk angenommen, wäre es aus mit bedienten Fumoirs – und die Investition in den Sand gesetzt. Ein weiteres Moment ist auch die Frage, wer bezahlt, wenn ein Wirt nicht selbst der Hausbesitzer ist. Beim «Johanniter», ein Haus weiter, prüft man die Möglichkeit, im Ober­geschoss ein Fumoir einzurichten, entschieden ist aber noch nichts. Bei der gegenüberliegenden «Bierhalle Wolf» wird man die Aschenbecher ­entfernen und hoffen, dass alles we­niger schlimm wird als befürchtet.
Demnächst eine Baueingabe für ein Fumoir machen will Monica Burkart vom «Bonnie Prince Pub» an der ­Zähringerstrasse, denn sie sagt sich: «Ein Pub ohne Rauchen geht nicht.» Noch müssen einige Abklärungen getätigt werden. Beim «Big Ben Pub»
an der Niederdorfstrasse sind die ­Abklärungen noch nicht so weit gediehen, wäre der Einbau eines Fumoirs eher schwierig zu bewerkstelligen.

Speiselokale weniger tangiert
Auf ein Fumoir verzichten wollen ­namentlich Speiselokale, wo das Rauchen keine so zentrale Rolle spielt. So zum Beispiel die Bindella-Gastronomiebetriebe, von denen es in Zürich etliche gibt («Pizzeria Santa Lucia», «Spaghetti Factory» etc.). Denn in Bern und Solothurn, wo das Rauch­verbot seit geraumer Zeit gilt und wo das Unternehmen ebenfalls Restaurants betreibt, funktioniere es sehr gut, so war bei Bindella zu erfahren. Einzig beim «Terrasse» überlege man sich, ein Fumoir einzurichten.
Die Commercio-Piccadilly-Betriebe machen ihre Restaurants («Commihalle», «Mère Catherine», «Bahnhof Stadelhofen», «Commercio», «Cantina») zu Nichtraucherlokalen, wie ­Thomas Strebel sagte. Dagegen ist man daran, abzuklären, ob man die zur «Cantina» gehörende «Tina-Bar» zum Fumoir umfunktionieren könnte.
Ebenfalls in der Abklärungsphase ist man bei der «Kantorei» am Neumarkt, wo man sich im Obergeschoss eine Option offen hält. Claudio Beffa vom «Rheinfelder Bierhaus» («Bluetige Duume») an der Münstergasse vermutet, dass sich hier wenig ändern werde. Eher Sorgen mache ihm das «Weisse Kreuz» am Stadelhofen, wo der Raucheranteil weitaus grösser sei.

Freiwillig rauchfrei
Längst entschieden hat sich René ­Zimmermann, dessen «Wirtschaft Neumarkt» seit über drei Jahren ein Nichtraucherlokal ist und der damit nur gute Erfahrungen gemacht hat. Seine «Destithek», die Café-Bar im Hause, ist seit einem knappen Jahr rauchfrei. Auch hier laufe es gut, es ­habe sogar eher mehr Leute als vorher. Er verstehe die ganze Aufregung nicht: «In ganz Italien funktioniert es gut!» Das Café «Henrici» an der Stüssihofstatt ist bereits als Nichtraucherlokal eröffnet worden. Wie Christoph Huber erklärte, habe man das bewusst gewählt, weil die Düfte und Aromen so besser zur Geltung kommen. Auf der Terrasse ist für die Rauchenden mit Decken und Fellen gesorgt. Das Res­taurant «Swiss Chuchi» im Hotel ­Adler am Hirschenplatz ist seit Mitte Januar ein Nichtraucherlokal. Hans-Peter Kaiser hat sich nach Umbau­arbeiten zu diesem Schritt entschlossen und verzichtet auf ein Fumoir.

Und die Kleinen, die Bars?
Ist das Lokal klein, lässt es sich schlecht unterteilen, ein Fumoir einrichten. In diese Kategorie fallen ge­rade Barbetriebe, zu deren Gästen mehrheitlich Rauchende gehören, die also doppelt schlecht fahren mit der neuen Regelung. Eveline Metzger von der «Lucy’s Bar» an der Brunngasse spricht schlicht von einer Katastrophe, wenn sie daran denkt, was auf sie zukommt. Die Gäste versichern ihr zwar, dass sie trotzdem noch bei ihr vorbeikommen werden, auf ein Glas. Doch das zweite, dritte, vierte Glas, das genehmigen sie sich dann nach der nötigen Zigarettenpause anderswo oder daheim. Rauchende werden wohl nicht mehr so gutes Sitzleder haben wie bisher. Der Rückzug ins Private ist denn auch eine Option, die sich ein passionierter Raucher explizit offen hält: «Ich habe bereits angefangen, vermehrt Leute zu mir nach Hause einzuladen. Kommt übrigens erst noch billiger.» Sagt es und fügt an: «Ist allerdings auch weniger lustig.»
In der «Casa-Bar» an der Münstergasse, wo jeden Abend Live-Musik ist, ist man gar nicht begeistert: «In einer Blues-Bar gehört das Rauchen doch dazu. Das ist sehr schade.»
Ein ebenfalls kleines Lokal ist die «Weisse Rose» an der Torgasse beim Bellevue. Jan Aerts hat dennoch kein Problem mit dem anstehenden Rauchverbot. Er hatte schon vor drei Jahren drei seiner sechs Tische zu Nichtrauchertischen umfunktioniert, was die Luftqualität etwas verbesserte. Nach dem 1. Mai will er die Wände abwaschen, streichen nicht, wegen der Patina, und wohl vermehrt Essen servieren.

Nachtruhestörung
Was immer wieder zur Sprache kommt im Hinblick auf das Rauch­verbot, sind die zu erwartenden Probleme mit der Nachbarschaft. Weil, in den engen Gassen wird gewohnt. Wenn dann zu nachtschlafender Zeit Gruppen von Rauchenden vor dem ­Lokal stehen und sich unterhalten, kann dies die Nachbarschaft entsprechend stören. So gab man auch in der «Gräbli-Bar» zu bedenken, wo sich kein Fumoir einrichten lässt: «Wir ­haben 23 Stunden geöffnet, nur von 4 bis 5 Uhr geschlossen. Wenn dann die Gäste so leicht alkoholisiert auf der Gasse stehen, um 2 oder 3 Uhr nachts und lauter reden als normal, erhalten wir Lärmklagen.» Brendon Evart vom «Oliver Twist Pub» am ­Rindermarkt denkt ans Gleiche, wenn er sagt: «Wir müssen uns etwas einfallen lassen, wie wir die Gäste zur Ruhe anhalten können. Und sie dürfen nachts keine Getränke mit nach draussen nehmen, sodass sie nach dem Rauchen gleich wieder reinkommen.» Emil Looser vom «Nachtflug» an der Stüssihofstatt sieht bei sich keine Möglichkeit eines Fumoirs. Dass sich die Luft in seinem Lokal verbessern wird, lässt ihn einerseits gewissermassen aufatmen. Was ihn nicht so freut, ist die Sache mit den rauchenden Gästen im Freien. Auch, weil ein ständiges Kommen und ­Gehen sein dürfte und ganze Tische belegt von Leuten, die gerade gar nicht da sind, während andere keinen Platz finden. Auch Hans-Peter Graf von der «Weinschenke» an der Hirschengasse hat Bedenken wegen lauter Gäste. Im Übrigen kommt ihm das Verbot nicht ungelegen, er freut sich auf die bessere Luft. Für Andreas Wyss, Co-Präsident der Geschäfts­vereinigung Limmatquai / Dörfli, ist die Frage der Lärmimmissionen eine nicht zu unterschätzende. In der «Kronenhalle» am Bellevue, die er führt, hat er übrigens für die rauchenden Gäste vorgesorgt. Das Sitzungszimmer im ersten Stock wird derzeit hergerichtet als Fumoir. In einigen Jahren soll auch auf dem Dach eine Gelegenheit zum Rauchen geschaffen werden.

Bessere und dicke Luft
Zweifellos wird die Luftqualität in den Lokalen besser werden, für ­Personal und Gäste. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage und das ­befürchten einige, ob nicht besonders für Bars und Nachtlokale durch zu ­erwartende Umsatzrückgänge die Luft sozusagen dünn werden könnte. Und viele Raucherinnen und Raucher deuten das bevorstehende Verbot als Eingriff in ihre persönliche Freiheit, was bei ihnen noch immer für dicke Luft sorgt.
Mehrheitlich begrüsst wird immerhin der Zeitpunkt der Umsetzung: ­Anfangs Mai beginnt die wärmere Jahreszeit und die Gäste sitzen dann ohnehin gern im Freien, mindestens an milden Abenden. Was die Einführung des neuen Regimes erleichtert. Und im Herbst, so hoffen viele der ­angefragten Wirtinnen und Wirte, im Herbst haben sich die (rauchenden) Gäste dann schon etwas daran gewöhnen können und die Beizen füllen sich wie zuvor.

Elmar Melliger