Auf der Suche nach dem Klang

Seit fast vier Jahrzehnten entstehen an der Frankengasse Geigen und Celli, angefertigt von Peter Westermann. Ihm zu Ehren wird am 29. Januar ein Konzert veranstaltet.

Die Nachbarn kennen ihn, und die Klänge, die so oft aus der Geigenbauwerkstatt an der Frankengasse 16 erklingen, sind ihnen vertraut. Weniger den nicht heimischen Altstadtbesuchern, die sich in den malerischen Gässchen verirren; da gibts manchmal erstaunte und neugierige Gesichter, die durch die niedrigen, breiten Fenster spähend die Geheimnisse dieser Töne erfassen möchten. In dieser Werkstatt wird gearbeitet, allein, zu zweit, zu dritt oder noch mehr, manchmal auch spät nachts. Da wird gehobelt, gemessen, geschliffen, geformt, geleimt, justiert ohne Unterlass, und grosse Momente sind es, wenn ein neues Instrument, manchmal sogar noch im nicht ganz trockenen, leuchtenden Lackkleid, unter dem Arm des glücklichen Besitzers die Werkstatt verlässt.

Stradivari beim Klangdoktor
Und dann all die unzähligen ehrwürdig alten Geigen und Celli, die aus aller Welt zu einem Besuch beim Klangdoktor eintreffen! Denn Peter Westermann ist europaweit berühmt für seine genaue Klangvorstellung und sein feines Ohr. Wie ein Chirurg führt er sein scharf geschliffenes Skalpell an die treffende Stelle des Steges, um dann ein Mikroschnipsel wegzuschneiden, und durch den Spieler das oft frappierend verbesserte Klangresultat prüfen zu lassen. Aber erst wenn der Meister selber den Bogen ansetzt und er die veränderte Vibration selber hörend fühlen kann, gibt das Resultat ihm die Gewissheit über den Eingriff.
Nirgendwo wie beim Geigenbau gilt das künstlerische Grundgesetz, das Form und Inhalt gleichsetzt, und wer von seinen Lehrlingen oder Kunden dies begriffen hat, der kann den meisten Nutzen aus Peter Westermanns Kunst ziehen. Spannend und fruchtbar sind die Stunden, während denen der Geigenbauer und der Musiker zusammen das optimale Klangresultat für das jeweilige Instrument ertasten, und sei dies auch «nur» eine einfache Geige. Das gegenseitige unbeschränkte Vertrauen, das bei Eingriffen in eine Stradivari oder eine Guarneri entsteht und dann auch besteht, das sind die kostbarsten Früchte einer solchen Beziehung.

Als Bub schon begonnen
Peter Westermann, geboren in Erlenbach am 29. Januar 1946, baute seine erste Geige in der fünften Schulklasse, aus Sperrholz zwar, und eine zweite mit 12 Jahren, für deren Vorzeigen bei Musik Hug er mit einem Bogen beschenkt wurde, leider mit einem krummen… 1958 zog seine Familie nach Adliswil, wo er dann auch die Geige seines Grossvaters in die Hände bekam. Ein Geigenlehrer wurde gesucht – ein pensionierter Bänkler, der während der Stunde einschlief… Schade, Peter wäre um guten Unterricht froh gewesen! Im Werkunterricht der Oberstufe durfte er auf seinen Wunsch hin eine weitere Geige bauen, da hier die Werkzeuge vorhanden waren, die ihm zu Hause fehlten. Während Peter in Zürich eine Lehre zum Werkzeugmacher absolvierte, entdeckte er beim Schlendern durchs Niederdorf bei der Stüssihofstatt ein Täfelchen mit dem Hinweis auf den Geigenbauer Amos Segesser. Im nahe gelegenen Gemüseladen erkundigte er sich nach diesem Mann, und er erhielt den Rat, einfach mal vorbeizugehen – Amos Segesser war als guter Kunde sehr bekannt in diesem Laden. Seine Werkstatt befand sich zuoberst unter dem Dach, ein kleiner Raum. Auf der einen Seite das Bett, auf der andern die Werkbank. Amos liess Peter stereophonische Musik hören, etwas, das er nicht kannte. Von sich aus wäre Peter vielleicht nicht ein zweites Mal vorbeigegangen, doch Amos interessierte sich für Peters Können als Werkzeugmacher. Er erbat sich einen kleinen Hobel, den es im Handel nicht gab. So kam es zu mehreren Begegnungen, und Amos bot ihm an, er könne bei ihm in der Werkstatt eine Geige bauen; das konnte Peter aber nicht annehmen. Hingegen baute er zu Hause an einem Instrument und zeigte es dem Meister immer wieder. Amos Segesser erlitt im Alter von 39 Jahren einen tödlichen Unfall – für viele bleibt er eine unvergessliche Leitfigur als Mensch und als Geigenbauer.

Gefragter Fachmann
Peter Westermanns fast autodidaktischer Weg führte steil nach oben.
Im Alter von 23 Jahren gewann er die Goldmedaille am Instrumenten-Wettbewerb in Liège mit einem vollständigen Streichquartett, also mit zwei Geigen, einer Bratsche und einem Violoncello.
Heute ist Peter Westermann, der seit fast 40 Jahren in seinem Atelier an der Frankengasse 16 arbeitet, ein international gesuchter Instrumenten-Reparateur, ein Geigenbauer, der zum eigentlichen Spezialisten für klangliche Feineinstellungen geworden ist. Seinen zahlreichen Aufträgen für den Neubau kommt er kaum nach – im Moment hat er fast fünfzehn Cellobestellungen aus aller Welt.
Er teilt seine innere Haltung mit dem berühmten Cellisten Pablo Casals: dieser erwähnte mit 90 Jahren einmal, dass ein Tag, an dem er nichts dazugelernt habe, für ihn ein verlorener Tag gewesen sei…

Walter Grimmer