«Vieles hat sich stark verändert»

Wenn Hans Kuriger zurückblickt auf seine Zeit bei der Stadtpolizei, dann geht es um eine Zeitspanne von vier Jahrzehnten. Die letzten Jahre war er Kreischef 1. Nun quittiert er seinen Dienst.

Dass er eine brenzlige Situation entschärfen kann, eine Lage entspannen, in einen Konflikt schlichtend eingreifen, dass man zu ihm Vertrauen fasst: all dies kann man sich gut vorstellen. Hans Kuriger spricht mit ruhiger, sonorer Stimme, oft begleitet von einem leisen Lächeln. Ein freundlicher Mensch, dem man seine Herkunft, er stammt aus der Innerschweiz, gut anhört.
Als junger Mann ist der Bauernsohn von Egg bei Einsiedeln in die Grossstadt Zürich gekommen. Ihn reizte der Polizeidienst und so trat er nach einer Elektrikerlehre die Ausbildung zum Polizisten an. Nie hätte er sich vorgestellt, dass er auch vier Jahrzehnte später noch hier sein würde. Bis zur Pensionierung hat er im Dienst der Stadtpolizei gestanden.

Mit weissen Handschuhen winken
Zunächst wirkte er als Verkehrspolizist. «Winken» nennt man im Jargon das Regeln des Verkehrs, damals im weissen Kittel und mit weissen Handschuhen von einer auf der Kreuzung stehenden Kanzel aus oder von einer Kabine, in der man zu Stosszeiten die Ampeln manuell steuerte. Das waren noch Zeiten. «Die technische Entwicklung war schon sehr gross», bemerkt Hans Kuriger, der als Streifenwagen noch die alten Volvos kannte, der eine Unfallstelle noch mit dem Meterband ausmass. Er machte noch die Fusspatrouillen mit, die bis in die Achtzigerjahre in der Altstadt durchgeführt wurden, spätabends und in der Nacht. Damals, vor der Liberalisierung des Gastgewerbes, war es um ein Uhr nachts recht ruhig auf der Gasse.
«Früher hatte man noch mehr Verbindungen zur Bevölkerung, war man als Polizist kein rotes Tuch», sinniert er. «Da konnte man aus dem Streifenwagen aussteigen und sagen: ‹So, Schluss jetzt!› Und es war Ruhe. – Heute muss man etwa bei einer Schlägerei mit einem grossen Aufgebot kommen, sonst läuft man Gefahr, angegriffen zu werden.»
Kuriger leistete sieben Jahre Dienst bei der damaligen Funk- und Notrufzentrale, war dann neun Jahre bei den Grenadieren, heute «Skorpion» genannt, das ist die Elitetruppe der Stadtpolizei. Er war Überfallgruppenchef (Stichwort Banküberfälle) und Alarmgruppenchef (Begleitung des unfalltechnischen Dienstes) sowie fünf Jahre bei der Ausbildungswache Seilergraben tätig, bevor er Chef Hauptwache wurde (heute Regionalwache City genannt).

Abwechslungsreiche Aufgabe
Die letzten zwölf Jahre seines Berufslebens war er Kreischef 1. Diese Funktion teilen sich zwei Polizisten und ein Springer, denn die Aufgabe ist eine grosse: Der Kreischef wirkt als Bindeglied zwischen Amtsstellen und Bürgern. Er kann Kontrollen anordnen, denn er ist zugleich zuständig für die Regionalwache City mit hundertzwanzig Polizistinnen und Polizisten.
Zudem gehen alle Veranstaltungen im Kreis 1 über seinen Tisch, respektive die Bewilligungsgesuche, für die er eine Stellungnahme zuhanden des Bewilligungsbüros verfasst, seien dies Sport- oder kulturelle Veranstaltungen oder politische, sprich Demos.
Die Arbeit ist abwechslungsreich, etwa die halbe Zeit ist man draussen bei Besprechungen, gegebenenfalls vor Ort. Die restliche Zeit ist Bürodienst angesagt. Markant sei im Übrigen die Zunahme des administrativen Aufwandes bei der Polizeiarbeit. Ebenso markant wie die rasante technische Entwicklung. Und wie die Zunahme der Aggressionen, denen man als Polizist bisweilen ausgesetzt sei: «Eine einschneidende Sache.»
Wenn er ein Résumé machen soll, dann dieses: «Es war eine schöne Zeit. Ich habe viele Leute kennengelernt, viele Kontakte geknüpft. Ich habe es toll gefunden.» Ende Mai geht Hans Kuriger in Pension. Bereits vor ein paar Jahren ist er mit seiner Frau dorthin gezogen, wo er hergekommen ist und wo auch seine beiden erwachsenen Kinder in der Nähe leben, nach Egg bei Einsiedeln. Dort geben Haus und Hof zu tun, sodass es ihm bestimmt nicht langweilig wird. «Aber Zürich ist eine wunderschöne Stadt, mit Altstadt, See und Grünanlagen! Hier werde ich auch später noch ab und zu anzutreffen sein.»

Elmar Melliger