In der Altstadt beibehalten?

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Demnächst soll es in der Nacht still bleiben um die Kirchtürme herum, um die der reformierten Kirche jedenfalls. So will es die neue Läutordnung, die auf den 1. April 2022 in Kraft tritt. – In der Altstadt allerdings soll es Ausnahmen geben.

In der neuen Läutordnung der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde der Stadt Zürich heisst es: «Der nächtliche Zeitschlag wird zwischen 22 Uhr und 7 Uhr eingestellt.» Und weil es in der Stadt Zürich nur noch eine einzige reformierte Kirchgemeinde gibt, bleibt es bei deren ca. 40 Kirchen auf einen Schlag ruhig. (Das Dekanat der römisch-katholischen Kirche hat eine ähnlich lautende Empfehlung an die Pfarreien abgegeben, wonach in lärmsensibler Umgebung der Zeitschlag eingestellt oder reduziert werden sollte. Viele der katholischen Kirchen haben übrigens keinen Zeitschlag, deren Türme kein Zifferblatt, wie beispielsweise die Liebfrauenkirche.)

In der Altstadt drei Kirchen
In der Altstadt betrifft die neue Ordnung die Kirchen Fraumünster, Predigern und St. Peter. Das Grossmünster kennt weder Zifferblatt noch Zeitschlag, ist also aus allem fein raus. Seit vielen Jahren ist der Zeitschlag bei der Predigerkirche in der Nacht gedämpft, aus Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft, denn sie befindet sich in dicht bewohntem Gebiet. St. Peter verzichtet seit zwanzig Jahren auf das 7-Uhr-Läuten an Samstagen, Sonntagen und an Feiertagen, der Zeitschlag ist seit 1996 gedämpft. Der reduzierte nächtliche Schlag wurde bei der Sanierung des Geläuts am St. Peter im vergangenen Jahr optimiert, wie der Turmwart und Glockenexperte Rudolf H. Röttinger erklärte.
Er weiss, dass es wohl kaum auf einen Schlag ruhig wird in der Stadt, denn die Umstellung der teils mechanischen Uhrwerke benötigt technische Eingriffe, es müsse eine Kupplung eingebaut werden. Nur noch drei Firmen in der Schweiz böten diesen Service an.
Anders als beim Läuten der Glocken, wo die schwingende Glocke auf den in der Mitte hängenden Klöppel trifft, schlägt beim Zeitschlag jede Viertelstunde ein Hammer von aussen an die Glocke. Den Schlag zu dämpfen heisst also, den Hammer weniger weit wegzuziehen von der Glocke, seine Schlagkraft zu verringern. Nächtliches Läuten der Glocken ist ohnehin nicht erlaubt, ausser in der Silvesternacht.

Gesuch eingereicht
Die neue Läutordnung lässt übrigens ein Türchen offen, indem sie die Möglichkeit eines Gesuchs einräumt, bei besonderen historischen Verhältnissen den Zeitschlag beizubehalten.
Genau dies sei bei den Altstadtkirchen gegeben, erklärte der Präsident des Kirchenkreises eins Altstadt, Stefan Thurnherr, auf Anfrage. Um das immaterielle Kulturgut des Zeitschlags zu bewahren, dem immer auch eine liturgische Bedeutung zukomme im Sinn von «Memento mori» (Sei dir der Sterblichkeit bewusst), habe man für die drei betreffenden Kirchen je ein Gesuch gestellt, den Zeitschlag beibehalten zu können. Namentlich bei der Kirche St. Peter sei dies von besonderer Bedeutung, war sie doch im Jahr 1366 die erste Kirche der damaligen Schweizerischen Eidgenossenschaft, die eine Schlaguhr erhielt. Es gelte diese 650-jährige Tradition zu bewahren. Im Übrigen gebe es aktuell keine Beschwerden wegen dem nächtlichen Zeitschlag, höchstens solche, wenn er aus technischen Gründen einmal ausfalle. Und es seien Briefe eingegangen mit der Bitte, den Zeitschlag zu erhalten.
Noch ist über die Gesuche nicht entschieden worden. Wie auch immer: Es wird in der Stadt Zürich in der Nacht demnächst ruhiger werden. – Wenn man mal absieht von Verkehrslärm, schreiendem Partyvolk, lauter Musik und anderem mehr.

Elmar Melliger