Toxisch auf alle Fälle

Es könnte das Wort des nächsten Jahres werden: toxisch. «Toxisch» ist derzeit ja praktisch alles: Putin und sein Krieg sowieso, aber auch die längst verjährt geglaubte Liebesbeziehung von Max Frisch und Ingeborg Bachmann. (Warum nicht mal wieder Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre oder Bert Brecht und sein Frauenzirkus? Gattin Helene Weigel soll der Tochter Barbara nach seinem Tod gesagt haben, ihr Vater sei ein sehr treuer Mann gewesen, «leider zu vielen».) Toxisch ist natürlich auch der Black Friday (vor allem für den Detailhandel). Nicht weniger sind es die Liegenschaftenpreise (für Mieter wie für Wohnungskäufer). Die Adventsbeleuchtung (für Stromsparer). Die Sammlung Bührle im Kunsthaus Zürich.
Regula empfiehlt als Kontrastprogramm und Beispiel, wie historisch korrekte Darstellung aussehen kann – ohne langweilig zu werden wie die Tafelwände im Zürcher Kunsthaus – die grossartigen, verstörenden Ausstellungen «Zerrissene Moderne» und über den deutschen jüdischen Sammler Curt Glaser (1879-1943) im Kunstmuseum Basel (bis 19. Februar 2023).
Als «toxisch» werden Ideen bezeichnet wie das umstrittene Bürgergeld in Deutschland, aber auch die endlosen Altersvorsorgedebatten in der Schweiz. Toxisch ist ferner die Lehrerinnen- und Lehrerkrise im Kanton Zürich. Die Energiekrise. Die Gendersprache. Und vor allem diese schreckliche Fondue-Baracke vor dem Grossmünster. Hat nicht der Herr persönlich die Händler und Schacherer handgreiflich aus dem Tempel gejagt? Aber das zwinglianische Zürich duldet solchen Stilbruch im Schatten seiner schönsten und grössten Kirche. Und wer liefert dieser Bude den Strom? Wohl nicht etwa die Kirche…?
«Toxisch» heisst eigentlich «vergiftet», und damit sind wir, ob wir es wollen oder nicht, bei den Bundesratswahlen. Hier ist das Vorgeplänkel regelmässig spannender als das Ergebnis. Katzfreundlich blicken die Konkurrenten und Konkurrentinnen ausweislich der aktuellen Fotos und Videos aus dem Bundeshaus einander in die Augen und klopfen sich auf die Schultern. Letzteres ist ein besonders toxisches Verfahren: Während der Händedruck in historischen Zeiten als Beweis dafür galt, dass man unbewaffnet war, ist das Schulterklopfen die tückische und folglich toxische Methode, zu prüfen, wo das Messer am leichtesten eindringt.
Bis Sie, liebe Leserin, lieber Leser, diesen Text lesen werden, ist die Show wieder einmal vorbei. An Ihrem Fernsehgerät gibt es ein diskretes, aber nützliches Knöpfchen. Das nimmt den Ton weg; dann ist das Bundesratstheater fast so lustig wie die Muppet-Show seligen Angedenkens.

Regula