Paradiesvogel in der Altstadt

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Zu ihrem Übernamen La Lupa ist sie als Jugendliche gekommen. Er ist ihr geblieben und sie nennt sich selber so, die bekannte Sängerin, die aus dem Onsernonetal stammt und in Bellinzona aufgewachsen ist. Dem Italienischen ist sie treu geblieben, auch wenn sie mit zwanzig nach Zürich kam – um nach dem Absolvieren der Handelsschule ein Jahr bei der ZKB zu arbeiten. Gesungen hat sie schon immer: «Sing doch etwas», habe es immer geheissen. Vor vierzig Jahren hat sie professionell zu singen begonnen, hat sich zunächst einem Projekt angeschlossen und Tessiner Lieder gesungen. So ist sie in die Künstlerszene gekommen, hat verkehrt im «Odeon», «Egge», «Malatesta», «Bodega».
Dreissig Jahre hat sie während zwei bis vier Wochen im Jahr ein Musiktheater veranstaltet, im Theater Stok. Ein Programm mit einem Thema war das jeweils, da ging es etwa um die Welt, die Zeit, Farben, Glocken, Spiegelungen… Dafür hat sie einen grossen Aufwand betrieben, hat recherchiert… «Das war eine grosse Kiste», sagt sie. Wir sitzen im «Gran Café» am Limmatquai, auf dem Tisch liegt ihre Handtasche, ein Köfferchen eher. Sie klappt den Deckel auf und sucht etwas hervor, obenauf liegt – eine Aromat-Dose. – Eine Geniesserin, denkt der Betrachter. «Mein Portemonnaie», sagt Lupa, «Ideal für Noten und Münzen.» Für die Abende im Theater Stok brauchte sie jemanden für die Beleuchtung, für die Musik, für die Bar… Alle zwei Jahre machte sie ein neues Programm: «Ich bin glücklich. Ich konnte machen, was ich wollte. Das ist das Grösste für eine Künstlerin. Und viele sind gekommen, haben sich gefreut.» – Sie machte das bis 2020. Dann kam Corona. Der Tod ihres Mannes, mit dem sie fünfzig Jahre zusammen war.
Mit der Altstadt fühlt sie sich sehr verbunden, hier fühlt sie sich verankert. Auch wenn sie zunächst über dreissig Jahre im Kreis 6 wohnte und nun seit über zehn Jahren in der Enge lebt. Sie verkehrt gern im «Gran Café», in der «Storchen-Bar», in der «Bodega», in der «D’Bar», im Lokal des Limmat-Clubs.
Zwanzig Jahre hat sie in der Karwoche vom Grossmünsterturm die «Lamenti» gesungen. Seit fünfzehn Jahren singt sie am Tag der Menschenrechte für Amnesty International in der Krypta des Grossmünsters: «Der beste Auftrittsort», schwärmt sie. In der Karwoche singt sie jeweils am Donnerstag im Labyrinth im Zeughaushof.
La Lupa ist eine beeindruckende Erscheinung, meist anzutreffen mit Hut. Ihre Hüte stammen von Sonja Rieser, die ihr Atelier in der Altstadt hatte. Ihre Kleider spielen mit den Farben. Und man erfährt, dass sie diese selbst entwirft, den Schnitt, mit Variationen. Sie sucht die Stoffe aus, die Knöpfe etc., und lässt sie schneidern: «Das ist für mich ein Ersatz zum Malen. Die Komposition muss stimmen, auch der passende Schmuck dazu. Das bereitet mir Vergnügen, da habe ich Freude daran.»

Elmar Melliger

La Lupa tritt auf im Musée Visionnaire am Predigerplatz 10, am 12. und am 14. Mai 2023, um 19 Uhr (Türöffnung 18.30 Uhr): «Sogni d’acqua» heisst das Programm, ein Solostück (ohne Musik) mit Gedichten und Liedern mit Wasser. Vorverkauf info@museevisionnaire.ch oder Tel. 044 251 66 57.